50 Shades of Clay
Licht- und luftdurchlässiger Bau des vietnamesischen Architekturbüros Tropical Space

Es geht auch ohne Glas: Das Architekturbüro Tropical Space aus Ho-Chi-Minh-Stadt hat sich auf Bauten in tropischen Regionen spezialisiert. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Materialität von Ziegelsteinen, die auf raffinierte und vielschichtige Weise zum Einsatz kommen und eine klassische Fensterverglasung in vielen Fällen überflüssig machen.
Die Architekturszene in Vietnam ist im Aufwind. Immer wieder erreichen uns Bilder von eindrucksvollen Privathäusern, die poetische Leichtigkeit mit planerischer Vernunft in Einklang bringen. Ein spannendes Büro heißt Tropical Space und sitzt in Ho-Chi-Minh-Stadt. Fast könnte man meinen, dass dessen Gründer Nguyen Hai Long und Tran Thi Ngu an chronischer Klaustrophobie leiden – und mit ihrer Arbeit nach einem adäquaten Heilmittel suchen.
Durchlässige Membran
Worum es den Architekten geht, ist jedoch keine endlose Weite. Riesige Panoramafester fehlen bei ihren privaten Wohnhäusern oder dem Ateliergebäude eines Terrakotta-Künstlers ebenso wie verschwenderische Raummaße. Tropical Space arbeiten häufig auf nur wenigen Quadratmetern – und vermeiden dabei dennoch jeden Eindruck von Enge. Ihr Werkzeug: ein lockeres Mauerwerk aus versetzten Ziegelsteinen, dessen Muster sich auf vielfältige Weise variieren lässt.
Licht und Luft
Innen und außen werden damit nicht strickt voneinander getrennt, sondern mithilfe einer durchlässigen Membran in Verbindung gebracht. Die Architekten erklären damit gleich zwei Konstanten ihrer Profession zum Feindbild: die massive Wand sowie die klassische Verglasung von Fenstern. Die halb offenen Ziegelwände lassen Licht und Luft hingegen frei zirkulieren, wodurch dunkle Ecken ebenso vermieden werden wie der Einsatz von Klimaanlagen. Nur in wenigen Fällen haben Tropical Space dem offenen Mauerwerk noch eine zweite Ebene aus raumhohen Verglasungen hinzugefügt.
Laternen in der Nacht
Die Gebäude verlieren damit ihre austere, nach innen gekehrte Wirkung. Stattdessen kommunizieren sie über die Fassaden mit ihrer Umgebung, indem sie einen Teil des Innenlebens nach außen preisgeben und umgekehrt. Während des Transfers werden die Farben des Lichts verändert. Die Sonnenstrahlen wirken im Inneren gedämpfter, gebrochener, geheimnisvoller. Das elektrische Licht wird durch die Terrakottaziegel mit Wärme aufgeladen. Wenn es in der Nacht nach außen dringt, bringt es die Gebäude wie Laternen zum Leuchten. Die Fassade ist damit keine neutrale, austauschbare Hülle. Sie lädt Innen- und Außenraum mit Atmosphäre auf.
Gebauter Anti-Snobismus
Diese Lösung ist nicht nur aus gestalterischer Perspektive überzeugend. Sie sorgt dafür, dass sich viele Projekte zudem für erstaunlich niedrige Budgets realisieren lassen. Das 75 Quadratmeter große Wasp House in Ho-Chi-Minh-Stadt beispielsweise hat rund 25.000 Euro gekostet. Beim 108 Quadratmeter großen LT House in Long Thanh waren es dank einer Materialbeteiligung des Bauherren gerade einmal 17.000 Euro. „Es ist uns wichtig, dass wir auch für mittlere Einkommen spannende Lösungen finden. Denn ein schönes Haus muss nicht teuer sein“, begründet Nguyen Hai Long den Schwerpunkt seines Büros auf erschwingliche, aber dennoch alles andere als banale Entwürfe.
Raffinesse und Leichtigkeit
Natürlich wird diese Art von Architektur durch die klimatischen Bedingungen der Tropen begünstigt. Dennoch stehen die Entwürfe von Tropical Space keinesfalls für Sonderfälle vom anderen Ende der Welt. Das Ineinandergreifen von innen und außen erzeugt räumliche Raffinesse und eine Leichtigkeit, die auch im kühlen Europa gewiss nicht fehl am Platz ist. Nur auf die Verglasung kann man dann leider nicht verzichten.
FOTOGRAFIE Oki Hiroyuki
Oki Hiroyuki
Mehr Projekte
Moderner Triumphbogen
Gebäudekomplex von Nikken Sekkei in Dubai

Ein Haus, zwei Gesichter
Refugium in den australischen Bergen von Robbie Walker

Blick in den Sternenhimmel
Flexibles Ferienhaus von Orange Architects auf Texel

Patio in London
Pashenko Works erweitert ein viktorianisches Reihenhaus

Belebter Backstein
Mehrfamilienhaus in ehemaliger Textilfabrik in Melbourne

Kunstwerke als Mitbewohner
Apartment in Tbilisi von Idaaf Architects

Bunter Community-Space
kupa Kitchen & Working Lounge von Stephanie Thatenhorst in München

Fifty Shades of Beige
Cremefarbenes Apartment von RAR.Studio in Lissabon

Sechsfache Südseite
Radikale Öffnung einer Mailänder Wohnung von llabb

Smarte Blechhütte
Wohnhaus von Office MI-JI Architects im australischen Barwon Heads

Hang zur Einsamkeit
Griechisches Ferienhaus von Block722

Wohnen in der Zen-Ranch
Umbau eines Mid-Century-Hauses in L.A. von Working Holiday Studio

Leiser Luxus
Stadtpalais am Herzogpark von Sir David Chipperfield und Studio Mark Randel

Baden in Beton
Ehemaliges Lagerhaus in Athen wird zum Penthouse

A wie Ausblick
Umbau eines kanadischen Ferienhauses am See

Kontrastreich Wohnen
Wohnhaus in München-Hadern von Lisa Noss

Betonskulptur mit Ausblick
Schwedisches Wochenendhaus von Tham & Videgård

Baumhaus am Hang
Balmy Palmy House von CplusC Architectural Workshop in Australien

Dynamische Doppelschale
Caspar Schols entwirft die flexible Cabin ANNA Stay

Alles unter einem Dach
Mixed-Use-Konzept in opulenter Villa von Lukas Nobili

Über den Klippen von Sydney
An- und Umbau von Alexander &CO.

Ausweitung der Komfortzone
Wohnanlage für Studierende in Bielefeld von Stopfel Architekten

Zu Hause bei einer Bühnenbildnerin
Umbau von Mistovia Studio in Krakau

Grüner wohnen
Nachhaltiges Mehrfamilienhaus von Austin Maynard Architects in Melbourne

Der Periskop-Effekt
Hausumbau von Architecture Architecture in Melbourne

Eine Bühne aus Backstein und Beton
Haus im belgischen Mischwald von Philippe Vander Maren und Richard Venlet

Architektur mit Weitblick
Umbau eines Steinhauses am Luganer See von Studio Wok

Klösterliche Ruhe
Naturverbundenes Wohnhaus in Kanada von Pierre Thibault
Glaskiste im Schnee
Anbau im tschechischen Isergebirge von Mjölk Architekti

Reise durch die Popkultur
Corinne Mathern renoviert ein Mid-Century-Haus in Los Angeles
