Abgetaucht
Coworking in Warschau von Beza Project

Handmarmorierte Farbwolken legen sich über Betonsäulen, die Füße versinken in einem hochflorigen Teppich, und die Stadt ist hinter den Aquarienfenstern so weit entfernt, als wäre das Büro tatsächlich eine Unterwasserwelt. In Warschau hat das Architekturstudio Beza Project ein ganzes Haus der kollaborativen Arbeit gewidmet und konsequent durch ein türkisblaues Farbbad gezogen. Hier soll man konzentriert arbeiten können, aber auch einiges vergessen – wie das eigene Zuhause.
„Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen“, statuiert das Architektinnen-Duo von The Nest, einem Coworking Space in Warschau. Und: „Dieser Entwicklung kann man sich widersetzen. Oder man passt sich einfach an.“ Damit fordern Anna Łoskiewicz-Zakrzewska und Zofia Strumiłło-Sukiennik von Beza Project keineswegs fatalistische Akzeptanz durch die Arbeitnehmer, sondern umgekehrt die Anpassung der Arbeitsumgebung an das, was man heute als „New Work“ bezeichnet. Wer ein Wochenende oder einen langen Abend im Büro verbringt anstatt in seinem Wohnzimmer, der soll sich dort mindestens genauso wohl fühlen. Deswegen hat Beza Project einen mondänen Ort geschaffen, der mehr an einen gediegenen Clubraum erinnert als an ein Großraumbüro. „Wenn du schon im am Schreibtisch sitzt, dann wenigstens mit guter Aussicht“, finden sie.
Mit einem Schritt in neuen Welten
Das Büro liegt mitten im Zentrum der polnischen Hauptstadt und gehört zu einem weltweiten Workspace-Netzwerk mit Standorten in London, Paris oder New York. Das Gebäude allein ist ein Highlight im urbanen Stadtgefüge. Es wurde von Grupa 5 Architekci entworfen und setzt sich gegen die umgebende Wohnbebauung aus dem 18. Jahrhundert ab. Als glatter Block und Bügeleisengebäude hat es drei voll verglaste Fronten und ein offenes Layout. Das wollten die beiden Architektinnen und ihr Team soweit wie möglich erhalten. Trotzdem sollte die Innenraumgestaltung die Nutzer mit einem Schritt aus der lebendigen Stadt in ein anderes Universum befördern. Eines, das warm und einladend ist, opulent in der Materialwahl und konsequent bis ins kleinste Detail. Jede der sechs Etagen hat ein anderes Layout und andere Funktionsbereiche, inklusive Kaffeebar, Kinderbetreuung und Veranstaltungsflächen.
Runde Sachen
Um dem Design eine von organischen Formen geprägte, weiche Atmosphäre zu geben, haben Beza Project den Kreis zu einem bestimmenden Element gemacht. Er wirkt als Kontrast zur orthogonalen Struktur der Architektur und findet sich prominent an der zentralen Bar, bei den Leuchten, am runden Besprechungstisch, an den sanft die Wand entlang fließenden Sofalandschaften und selbst in den Waschräumen, wo die Becken mit gebogenen Fliesenelementen um die Ecke geführt werden. Das zweite Meta-Thema nimmt die Material- und Farbpalette ins Visier. Wo möglich, wurde Marmor eingesetzt, wo nicht, griff man auch mal auf Lösungen wie eine Texturtapete zurück. Mit ihrer Gestaltung wurde die Grafikdesignerin Kasia Korzeniecka vom Studio ikakok beauftragt, die sich auf handwerkliches Marmorieren spezialisiert hat. So sind die tragenden Säulen mit den marmorierten Papierbahnen verkleidet. Bestimmende Farbe ist ein intensives Türkis, das im Zusammenwirken mit den wirbelnden und fließenden Strukturen der handgefertigten Tapeten und den aquarienähnlichen Fenstern an Unterwasserwelten erinnert.
Möbelinseln im Teppichmeer
Nicht immer waren die eingesetzten Werkstoffe und Produkte von der Stange verfügbar. Die Teppiche sind in einer individuellen Nuance gefärbt, die Fliesen passend glasiert. Und auch die Möbel wurden von Beza Project exklusiv für The Nest entworfen. Dazu gehören miteinander zu Inseln kombinierbare Sessel und Sofas, aber auch trennende Raumelemente, Pflanzenpodeste und die Büromöblierung vom Schreibtisch bis zum Bücherschrank. Aus diesem Portfolio können sich die Nutzer des Gemeinschaftsbüros ihren perfekten Platz auswählen, vom Schreibtisch im offenen und kommunikativen Bereich bis zur Arbeitsenklave hinter Glastrennwänden. Oder man lässt sich in eines der flauschigen Sofas sinken, genießt die Aussicht auf die betriebsame Stadt – und vergisst darüber das eigene Zuhause.
FOTOGRAFIE Jacek Kołodziejski + Beza Project
Jacek Kołodziejski + Beza Project
Marbling
Katarzyna Korzeniecka / ikakok
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