Alles für die Katz
Ein tierliebes Apartment in Japan von Hiroyasu Imai
Der japanische Architekt Hiroyasu Imai erhielt den Auftrag, das Layout eines 65 Quadratmeter großen Apartments an seine Bewohner*innen anzupassen. Dabei sollte er nicht nur die menschlichen Bedürfnisse berücksichtigen, sondern auch die tierischen. In die Trennwände und Einbaumöbel integrierte er Geheimgänge und Catwalks, um aus der Wohnung ein wahres Katzenparadies zu machen.
Um Wohnraum für die menschlichen Maße zu optimieren, wurden DIN-Normen festgelegt. Sie definieren Sitztiefen, Schreibtischhöhen, Türöffnungen und Bettbreiten. Sobald wir tierische Mitbewohner*innen haben, müssen sie sich in der Interaktion mit unseren Dingen diesen Parametern unterordnen. Möchten Vierbeiner beispielsweise durch geschlossene Türen, so brauchen sie menschliche Assistenz am Türgriff oder besondere akrobatische Fähigkeiten. Ganz anders läuft es in einem Apartment, das Hiroyasu Imai entworfen hat. Der japanische Architekt gestaltete ein Habitat, in dem Katzen und Menschen mit- und nebeneinander leben, jeder sein eigenes Universum hat – und die Raumgrenzen durch Katzentunnel überwunden werden können.
Beste Aussichten
Um die Welt der Katze besser zu verstehen, hat Imai ihre Perspektive eingenommen. Wie erlebt sie den Raum in ihrer niedrigen Position, welche Verstecke wirken einladend und wie sieht ein optimaler Durch- oder Unterschlupf aus? Wie hoch kann sie springen, von wo ist der Blick auf das Treiben vor dem Fenster am besten? Seine Erkenntnisse ließ er in die Gestaltung der Wohnung einfließen. Das Boko House liegt nordöstlich von Tokio in der Präfektur Chiba und damit auf Honshū, der Hauptinsel von Japan. Die Wohnung ist 65 Quadratmeter groß und sollte zu einem Zuhause für ein Ehepaar und sein Katzenpaar werden.
Küche mit Mieze
Nach der Entkernung blieb als Basis ein rechteckiges Layout, in das neue Wände und Trennmodule eingezogen wurden. Auf der einen Schmalseite befindet sich der Eingang, gegenüber ein Balkon mit großer Fensterfront. Strategisch war es durch die Ausrichtung sinnvoll, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer an der lichten Seite zu positionieren und die Funktionsräume wie Garderobe, Bad, WC und Abstellraum an der Wohnungstür. Sie nehmen etwa ein Drittel der Fläche ein, ein Drittel wurde dem Wohnzimmer zugeschlagen und auf dem letzten Drittel sind die beiden Schlafzimmer untergebracht. In der zweiten Dimension ergibt sich eine klare Raumhierarchie, in der dritten kommt der Katzenfaktor hinzu. Denn in den Einbauten verbirgt sich nicht nur Stauraum, sondern auch Schlupfnischen, Tunnel, Laufstege und Geheimgänge für die Tiere.
Catwalk auf der Schrankwand
Das größte Einbauelement ist eine Trennwand zwischen den beiden Schlafräumen und dem Wohnbereich. Vor der Planung hat Imai genaue Verhaltens- und Gewohnheitsstudien der Katzen durchgeführt und seine Erkenntnisse in eine Art Katzenmodulor übersetzt. Wichtig war ihm die tierische Perspektive. Indem er Verstecke so gestaltete, dass die Tiere Menschen und Umfeld sehen können, umgekehrt die Menschen aber nicht die Tiere, geht er sensibel auf ihre Psychologie ein. Tunnel, Stege und Plateaus sind so angelegt, dass es immer Orte für einen sicheren Sprung gibt. So ist der Kern der Schrankwand Stauraum für den Besitz der Bewohner*innen, aber seitlich können die Katzen durch die Einlegeböden klettern, um einen horizontalen Tunnel unter der Decke zu erreichen.
Gucklöcher und Schleusen
Zugang zu ihrer eigenen Welt erhalten die Katzen über runde Öffnungen, die sich überall in der Wohnung befinden. Sie sind Schleusen, die den Transit von einem Raum in den anderen ermöglichen, Verstecke bieten oder einen geschützten Ausblick. Aber auch die Menschen hat der Architekt nicht vergessen: Einerseits sind die Stauraumflächen gut belüftet und auch zwischen den Räumen zirkuliert die Luft, andererseits können die Ausschnitte dazu genutzt werden, technische Geräte wie beispielsweise einen Projektor dahinter zu platzieren. Durch die Einbeziehung der Katzenperspektive in die Raumplanung wurde eine besondere und vielschichtige Architekturlösung gefunden, die in Bezug auf Maßstäbe und Gewohnheiten der Nutzer*innen ganz neue Wege geht.
FOTOGRAFIE Tomoyuki Kusunose, Takumi Homma, Hiroyasu Imai
Tomoyuki Kusunose, Takumi Homma, Hiroyasu Imai