Amsterdamer Seenomaden
Schwimmendes Stadthaus von i29

Man könnte ungenutzte Transportkanäle zuschütten und zu Bauland machen. Oder man macht es wie die Stadt Amsterdam, die dort ganze Häuser vor Anker gehen lässt. Eines der schwimmenden Wohnjuwele ist ein mattschwarzer Hausblock von i29. Dessen einziger von außen sichtbarer Farbtupfer ist ein knallrotes Ruderboot. In seinem Innern aber schlägt ein grünes Herz unter dem signalweißen Interior.
Wo, wenn nicht in der von Grachten durchzogenen Hafenstadt sollte sich eine innovative Kommune gründen, die das Wohnen aufs Wasser bringt? Hinter dem Amsterdamer Projekt Schoonschip steht die Idee, 46 Haushalte in 30 Häusern mit 100 Bewohner als schwimmendes Dorf auf einen nicht mehr aktiven Kanal zu verlegen. Das stadtplanerische Konzept entwickelte das ebenfalls aus Amsterdam stammende Studio Space&Matter. Die Gestaltung der einzelnen Parzellen wurde anschließend in die Hände verschiedener Architekten gegeben. So entstand ein diverses Gefüge individueller Haustypen, die über einen Steg miteinander verbunden sind. Er wird zum sozialen Treffpunkt der Bewohner, die von Haus zu Haus, aber auch von ihrem Haus an Land gehen können. Unter den Holzplanken des schwimmenden Zuweges sind die Rohre der Zu- und Ableitung des Brauchwassers verlegt . Außerdem ist das Modellprojekt energieautark: Die Stromversorgung setzt auf Lösungen wie Solarpaneele und erlaubt den Bewohnern, Energie über ihr Netzwerk untereinander auszutauschen.
Haus in Balance
Alle mit der Planung eines Hauses beauftragten Architekten erhielten ein ähnliches Briefing: Sie mussten ein möglichst leichtes und ausbalanciertes Bauwerk auf ein Fundament aus Pontons stellen und den üblichen Garten durch einen Anschluss an die Wasserfläche ersetzen. Wo sonst das Grundstück die Grenzen fürs Bauen definiert, war es bei Schoonschip ein durch drei Dimensionen begrenztes Volumen. „Unser Auftraggeber hat uns dazu aufgefordert, ein Haus zu entwerfen, das den Raum innerhalb der Kapazitätsgrenzen des Grundstücks maximiert und trotzdem mit seiner Form überrascht“, erzählen die niederländischen Architekten von i29 über ihren schwarz gebeizten Block. Aus dessen quadratischer Geometrie wurden mehrere Polygone herausgeschnitten, um so eine komplexe und facettenreiche Gebäudehülle zu erzeugen. Dazu kommt ein Drehmoment, denn das Dach ist als Satteldach geplant, wurde aber im Grundriss diagonal gesetzt. Die spannungsvolle Gestaltung des ganzen Volumens wirkt sich auch positiv auf das Interior aus, das sich durch die variierenden Raumhöhen smarter ausgestalten lässt.
Fluide Räume
„Für i29 greifen Architektur und Interior auf jeder Ebene ineinander. Indem beides verbunden ist, entsteht ein klares und einheitliches Erlebnis“, erläutern die Planer. Trotzdem könnten zumindest farblich die Gegensätze zwischen außen und innen kaum größer sein. Mit seiner matt-dunklen Fassade verschwindet das Hausboot nahezu auf der Wasserfläche des Kanals. Alle innenliegenden Flächen sind hingegen weiß gestrichen und lackiert und können durch eine sparsame Möblierung ihre gleißend helle Raumwirkung voll ausspielen. Das Tageslicht, das durch die vielen Panorama- und Dachfenster fällt, wird so wenig wie möglich durch innere Strukturen blockiert. Alle Flächen sind offen miteinander verbunden und münden in einem Atrium, das über drei Etagen läuft. Die Fenster wurden gezielt so platziert, dass sie Panoramablicke auf den urbanen Kontext freigeben oder private Bereiche – wie die großzügige und mit einer Brüstung abgeschirmte Terrasse – visuell an den Innenraum anbinden.
Zum Dinner an Deck
Ganz oben, quasi auf der Brücke, ist die Küche untergebracht. Beim gemeinsamen Kochen und Essen kommen die Bewohner in den Genuss des gesamten Panoramas und ein schräger Schnitt durch das Dach wird zum Zugang auf die Loggia. „Mit simplen aber klugen Eingriffen wurde das Projekt mit einem sehr knappen Budget umgesetzt“, erzählen die Architekten. Trotzdem ist das schwimmende Heim eine Architektur „wie aus einem Guss“, die mit ihrer charakterstarken Silhouette Eindruck macht. Nicht zuletzt ist es aber wohl die Nachbarschaft, die das Wohngefühl vollkommen macht. Mitten in der Stadt und doch als autonome Gemeinschaft sorgt Schoonschip für eine Optimierung ihres ökologischen Fußabdrucks – und wer doch mal neue Ufer sucht, muss einfach nur sein Haus umparken.
FOTOGRAFIE i29 / Ewout Huibers
i29 / Ewout Huibers
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