Arbeiten im Aggregatzustand
Waterfrom bringt Industriegeschichte in Zylinderform
Mit Stahlzylindern, einem Labortisch aus Marmor und einem See aus Holz machen die Innenarchitekten von Waterfrom das Arbeitsfeld eines taiwanesischen Technologieunternehmens zu ihrem Arbeitsumfeld. Die Industrieanleihen, von der Leuchtstoffröhre über gläserne Trennscheiben bis zum Abluftrohr, sind Zitate im Sinne des Steampunk – und stärken damit die Unternehmensidentität.
Wenn das Industriezeitalter in zeitgenössischen Büros eine Rolle spielt, dann meistens als architektonischer Zeitzeuge. Gerade junge Unternehmen ziehen gern in alte Fabriken oder Lagerhallen und nutzen das historische Flair und die räumliche Weite als konzeptkonforme Zutat eines Open Office. Im Ideal Gas Lab ist die Herangehensweise eine andere. Hier haben sich die Innenarchitekten von Waterfrom Design von Produktionsstätten und Laboren inspirieren lassen, um dem Büro des auf Gas spezialisierten Technologieunternehmens Jung He Science seinen thematischen Überbau zu geben. Der Ansatz materialisiert sich in übergroßen Reagenzgläsern, poppig lackierten Stahltanks und einem durchgängig präsenten Rohrsystem. Und ist mit seiner Hommage an die Wissenschaft auch eine Absage an stereotype Arbeitsumgebungen.
Beine aus Stahl
„Mit dem Umgebungsdruck und Temperaturwechseln verändert sich der Aggregatzustand von fest zu flüssig bis hin zum Gas, das sowohl statisch als auch fließend ist. Dieser Satz ist nicht der eröffnende Kommentar einer Physikstunde. Es ist der Aufhänger für unser Design des brandneuen Büros von Jing He“, erklären die Gestalter des von Architekt und Interiordesigner Nic Lee gegründeten Büros Waterfrom mit Sitz in Taipeh und Shanghai. Der Weg des Gases durch seine Zustände, aber auch durch verschiedene Aufbewahrungsbehältnisse lässt sich an Architektur und Möbeln nachvollziehen. Dafür haben die Gestalter erst einmal historische Industrierelikte gesammelt: ausgemusterte Stahlzylinder in unterschiedlichen Formaten, Rohrleitungen und Stangen. Ihre Fundstücke wurden uniform in Signalorange lackiert und zu Halbzeugen für den Möbelbau. Warum die prominente Farbwahl? „Orange ist die übliche Farbe bei Knöpfen in Laboren und wichtigen Geräten in Fabriken“, erläutern die Designer.
Von Gas bis Glas
Die spektakulärste Konstruktion des insgesamt 270 Quadratmeter großen Büros steht im Besprechungsbereich. Auf einer mutmaßlichen Versuchsanordnung aus Containern, Leitungen und Industrieelementen ruht eine massive Glasplatte, die als Konferenztisch genutzt wird. Die transparente Fläche stellt den konkret industriellen, aber abstrakt funktionalen Unterbau ins Zentrum. Das kühle Weißgrau ist hier wie auch in allen anderen Bereichen die bestimmende Farbe für alle Stauraum- und Wandmodule, deren monochromes Erscheinungsbild an einigen Stellen durch konkav gekrümmte Wände unterbrochen wird. Die Raumtrennung erfolgt – auch dies ist ein Laborzitat – neben strukturierenden Mauern über raumhohe und rahmenlose Glasplatten und -türen. Dadurch sind akustisch abgeschirmte Bereiche, die den Mitarbeitern Rückzug bieten aus dem Open Office Bereich genauso einsehbar.
Materie im Fluss
Die Halbkreise, die sich in die Wände schneiden, basieren auf den Grundrissen der durchgängig im Interieur eingesetzten Stahlzylinder. Sie wurden in ihrem Maßstab aufgeblasen und in der Fläche platziert. Der Gegensatz von glatter zu gekrümmter Fläche wird außerdem über einen Farbanstrich unterstützt, der in dynamischen Gradienten von Schwarz in ein helles Orange übergeht. Der Farbverlauf soll an die verschiedenen Aggregatzustände von Gas und die fließenden Übergänge von fest, flüssig und flüchtig erinnern. Den kühnen Linien und kühlen Farben setzen die Designer eine warme Bodengestaltung entgegen. Das changierende Grün der lasierten Holzbohlen soll an einen See erinnern – und entspannt mit der natürlichen Assoziation die Atmosphäre. Dieselbe Idee verfolgen die Gestalter auch auch mit den Grünpflanzen. Als wären es Reagenzgläser eines Labors, ragen zarte Zweige und kleine Bäumchen aus manchem Zylinder im Küchentresen aus Marmor oder den gläsernen Schreibtischen.
Das Büro Ideal Gas Lab funktioniert als nüchternes Labor, in dem die Dynamik und Veränderung der natürlichen und lebendigen Umwelt thematisiert werden. Dabei gleitet das Interieur trotz aller Steampunk-Zitate aber nicht in den oberflächlichen Unterhaltungsmodus eines Themenparks ab, sondern bleibt eine dezente Metaebene, die der konzentrierten Arbeit Raum lässt.
FOTOGRAFIE Kuomin Lee
Kuomin Lee
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