Arbeiten im Minka-Haus
DDAA macht ein japanisches Wohngebäude zum Büro
Das Büro einer japanischen Porzellanmanufaktur ist umgezogen. Dabei hat man sich bewusst gegen einen Neubau und für die Räume eines bestehenden Wohnhauses in Hasami entschieden. Mithilfe des Studios DDAA aus Tokio ließ das Unternehmen zwar dezente Interventionen und einige moderne Elemente zu, hielt diese aber immer in Balance mit Tradition und Geschichte.
Ein Land, das die Philosophie des Weglassens perfektioniert hat, ist zweifelsohne Japan. Die Leere ist dort eine Qualität, die auch im Lebensumfeld Anwendung findet. Traditionell ist die Architektur außerdem auf Flexibilität ausgerichtet, sodass sich ein Haus über viele Generationen hinweg an seine Bewohner*innen anpassen lässt, inklusive Modifikationen oder baulichen Erweiterungen. In eines dieser typischen Holzhäuser, von den Japanern Minka genannt, ist jüngst das Headquarter einer japanischen Töpferei eingezogen. 86 Jahre ist das Gebäude in der kleinen Stadt Hasami alt – und es hat damit nur einen Bruchteil der lokalen Keramikhistorie miterlebt. Schon seit 400 Jahren wird dort, in der Präfektur Nagasaki, Porzellan hergestellt und in ganz Japan sowie in der ganzen Welt vertrieben. Unter anderem von Maruhiro.
Architektur ohne Endzustand
Unter dem Dach von Maruhiro bündelt der Hersteller mehrere Porzellan- und Keramikbrands. Seit letztem Herbst gehört zur Markenfamilie sogar ein Projekt mit Park namens Hiroppa. Das in Tokio ansässige Architektur-, Strategie- und Designstudio DDAA hat die Fläche geplant und dort sowohl einen Flagship-Store gebaut als auch eine Picknickwiese anlegen lassen. Das alte Minka-Holzhaus, in dem das Büro von Maruhiro seine neue Heimat gefunden hat, steht direkt an der Parkgrenze und wurde von seinen bisherigen Bewohner*innen ausschließlich zum Wohnen genutzt. In den knapp neun Jahrzehnten seiner Existenz wurde es immer wieder renoviert und erweitert. „Man kann sagen, dass eines der Merkmale japanischer Häuser darin besteht, dass sie nicht zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung ihren besten Moment haben, sondern sich in ihrer Erscheinung je nach Situation graduell anpassen können. Und dieses Haus war keine Ausnahme“, erläutern die Architekt*innen.
Atmosphäre statt Funktion
In der Vergangenheit war bereits in fast alle Nutzungsbereiche eingegriffen worden. Die Küche wurde erweitert, ein Lager geschaffen sowie der Eingangsbereich ausgebaut. Nun wollte das Unternehmen Maruhiro eigentlich seine Vorstellung einer personalisierten Arbeitsumgebung realisieren. Doch mitten in der Planungsphase kam die Pandemie dazwischen und zeigte auch im japanischen Arbeitsalltag gewisse Auswirkungen. Der Park wurde akut relevant, während das Büro verwaiste. Für die Zukunft schien Maruhiro ein flexibler Workspace ohne feste Funktionszuschreibungen nun die richtige Lösung. In Absprache mit DDAA entschied das Porzellanunternehmen, die Räume und ihre Aufteilung zu erhalten, sie gleichzeitig aber so zu entkernen, dass weder Funktion noch Nutzung festgelegt sind. Damit halbierten die Planer*innen das Budget – und erhielten weitestgehend den Charakter des Traditionsbaus.
Integration und Intervention
Das Schlafzimmer ist in Japan mit Tatami-Matten ausgelegt, auf denen abends Futons ausgerollt werden. Für diesen sensiblen Boden aus Reisstroh hatten die Architekt*innen keine Verwendung mehr. Nach dem Entfernen lag das Zimmer einige Dezimeter tiefer, offenbarte das massive Steinsockelfundament als Basis der Wände und brachte die sitzenden Mitarbeiter*innen mit den zuvor bodentiefen Fenstern auf Augenhöhe. Die japanische Nische oder Alkove – eine weitere Eigenart der lokalen Baukultur – wurde ganz klassisch als Ausstellungsfläche mit Blumen und Kunst arrangiert, interpretiert die Elemente aber moderner als das nationale Brauchtum, das Ikebana und Kalligraphie vorsieht. „Die Tokonoma (Nische) passt auch zur üblichen Perspektive des modernen Lebens, bei dem wir oft auf Stühlen sitzen“, erklären die Architekt*innen. Dort oder im ebenfalls auf Augenhöhe liegenden Garten können die Blicke der Mitarbeiter*innen während kurzer Kontemplationspausen auf Wanderschaft gehen.
Acryl und Spiegel statt Tatami
Es sind die kleinen Details, die den hölzernen Altbau auf charmante Weise in die Gegenwart holen: ein schwerer Plexiglastisch, der mit schwarzen Sicherungsgurten zusammengezurrt wird, ein übergroßer Spiegel, der sich in einen offenen Wandrahmen klemmt, oder transparente Lichtschalterboxen. Keine dieser Interventionen ist laut. Sie wollen entdeckt werden. Und eines Tages vielleicht sogar wieder entfernt. Die Architekt*innen hätten nichts dagegen. „Durch kleine Eingriffe kann die ursprüngliche Funktionszuweisung verändert werden. Wir glauben, dass dies ein effektiver Weg ist, um vorhandene Potenziale, etwa in Form leer stehender Häuser, zu nutzen.“
FOTOGRAFIE Kenta Hasegawa
Kenta Hasegawa