Arbeitsplatz aus zweiter Hand
Zirkuläre Innenarchitektur im Berliner CRCLR Haus von LXSY Architekten

Wiederverwenden statt Wegwerfen fordern Expert*innen der Baubranche und plädieren für einen bewussten Umgang mit Gebäuden und Material. In Berlin-Neukölln wird derzeit eine Lagerhalle saniert und durch recycelte und nachhaltig hergestellte Baumaterialien aufgestockt. Wie Kreislaufwirtschaft auch in der Innenarchitektur umgesetzt wird, zeigen die Räumlichkeiten des Impact Hub Berlin von LXSY Architekten.
Zwischen Karl-Marx-Straße und Schillerkiez, auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Neukölln, wird derzeit die 1872 erbaute Fassladehalle saniert und um zweieinhalb Geschosse in Holzbauweise aufgestockt. Das sogenannte CRCLR Haus wird zukünftig Wohnungen in den Obergeschossen sowie Co-Working-Spaces, Werkstätten und ein Café in der alten Lagerhalle beherbergen. Ansässig sind vor allem Start-ups, die in Bereichen der Circular Economy und der Entwicklung nachhaltiger Lebensmittel arbeiten. Betreiber ist das Impact Hub Berlin. Ziel des von TRNSFRM eG, einem gemeinnützigen Bauträger, initiierten Projekts war es, ein Zero-Waste-Haus zu errichten: ein Gebäude, das keine zusätzlichen Abfälle produziert, Ressourcen einspart, sich durch Urban Mining vorhandener Materialien bedient und damit das Prinzip des zirkulären Bauens verfolgt.
Flexible Raumvariationen
Der industrielle Charakter der sanierten Lagerhalle bleibt durch den rohen Sichtbeton an Boden, Wänden und Stützen erhalten. Als Pendant wurde eine Galerie aus hellem Seekieferholz zwischen die Betonstützen in die Halle platziert, die von den Außenfassaden abrückt. Ein Café mit grafischem Fliesentresen, bunten Holztischen und Stühlen am Kopfende des Baus öffnet sich mit einer vorgelagerten Terrasse zur Nachbarschaft. Unter der Galerie reihen sich Team-Spaces, Co-Working-Flächen sowie Besprechungsräume, die durch eine versetzte Anordnung vor- und zurückspringen. In den beiden Erschließungsgängen entlang der Außenfassade entsteht damit ein Wechselspiel aus Dichte und Freiraum. Je nach Bedarf variieren die Räume in ihrer Größe und Transparenz: So wechselt das Wandmaterial von einer eigens entwickelten, schallisolierten Holz-Glaskonstruktion über transluszentes Milchglas bis zu blickdichten kalkverputzten Hanfwänden, die für ein angenehmes Raumklima sorgen.
Zwei breite Holztreppen führen vom Café in den oberen Bereich der offen gestalteten Galerie, auf der weitere Co-Working-Flächen untergebracht sind. Stege verbinden die einzelnen Zonen und schaffen einen visuellen Kommunikationsraum zwischen den beiden Etagen. Auch hier sind die Besprechungsräume mittig platziert und strukturieren die einzelnen Arbeitsbereiche. Warme Holztöne an Boden und Wänden changieren mit farbig-gestrichenen Schließfächern und gelb-grauen Sitzgelegenheiten, die als freistehende Blöcke oder Sofagruppen den interaktiven Baustein auf der Galerieebene bilden.
Gelungene Materialsammlung
Über zwei Drittel des Materials und der Möbel wurde nachhaltig hergestellt oder einfach wiederverwendet. Neben einigen Bauteilen, die von Abriss-Baustellen stammen, wurden etwa die Gitterroste der Brüstungen unter anderem bei Ebay gekauft. Die verwendete Seekiefer stammt aus dem Messebau und die MDF-Platten, die für Schließfächer genutzt wurden, gab ein Berliner Club ab. Die Wände der Telefonboxen im Erdgeschoss sind zusammengesteckte und verschraubte Holzverschnitte, die die Architekt*innen bei Tischlereien sammelten. Material und Bauteile wählten LXSY Architekten so, dass sie nach Nutzungsende in ihre Einzelteile zerlegt und neu genutzt werden können. Alle Büromöbel sind geleast und können zurückgegeben beziehungsweise getauscht werden.
Adaptierend komponieren
Der Innenausbau von LXSY Architekten führt das Prinzip der adaptiven Wiederverwendung und des zirkulären Bauens in der Innenarchitektur gelungen fort und spiegelt zugleich die Tätigkeitsbereiche der Entrepreneur*innen auf baulicher Ebene wider. Doch obwohl ein Großteil des Materials kostenlos zur Verfügung gestellt werden konnte, mussten Bauteile angepasst werden, um dem Designkonzept zu entsprechen, was die Kosten erhöhte. Dennoch lagen die Gesamtkosten unter dem Preis einer Neuanschaffung.
Laut statistischem Bundesamt ist in Deutschland die Bauwirtschaft für 55 Prozent des Müllaufkommens verantwortlich. Statt den Großteil der mineralischen Baustoffabfälle wiederzuverwerten, erfahren die Werkstoffe ein Downcycling. Dass durch Upcycling Material hingegen nachhaltig und hochwertig weiterverwendet wird, zeigt, dass ein Paradigmenwechsel im Umgang mit Baumaterial möglich ist. Es wird auch Zeit.
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