Projekte

Archäologische Übung

In London entwirft David Adjaye ein lichtdurchflutetes Künstlerhaus

„Ich arbeite gerne mit Künstlern zusammen, die Raum und Struktur als integralen Bestandteil ihrer Arbeit sehen. Es geht um die Verschmelzung von Fähigkeiten und Ästhetik und darum, etwas zu schaffen, das mehr Potenzial hat als Disziplinen für sich alleine“, sagt David Adjaye. Der Architekt und Gründer von Adjaye Associates hat Erfahrung in dieser Art von Partnerschaft. Schon einmal arbeitete er mit der Künstlerin Sue Webster zusammen. Jetzt entwarfen sie das Mole House, das nicht nur künstlerische und architektonische Expertisen bündelt, sondern auch archäologische Qualitäten aufweist.

von Nina C. Müller, 26.02.2020

Mit Adjaye Associates unterhält David Adjaye Studios in London, New York and Accra. Zudem unterrichtet der Londoner Architekt an der renommierten Architectural Association, ist Mitglied der National Academy, der American Philosophical Society und der American Academy of Arts and Letters. 2017 schlugen ihn die Briten sogar zum Ritter. Zu den renommiertesten Bauten des gebürtigen Tansaniers zählen das Nobel-Friedenszentrum in Oslo und das National Museum of African American History and Culture in Washington D.C. Doch auch kleine Projekte findet man in seinem breitgefächerten Portfolio. Bei dem Umbau des neuen Londoner Wohn- und Atelierhauses von Sue Webster ging er in die Tiefe – und das buchstäblich.

Archäologische Übung
Der vorherige Mieter des Eckhauses im Zentrum von Hackney lebte dort vierzig Jahre. Nicht nur, dass der Bau währenddessen von Brandschäden und Korrosion heimgesucht wurde. Der Mann verfolgte auch ein Hobby, das das Gebäude fast zum Einsturz brachte. In seinem Garten grub er unterirdische Tunnel und deponierte laut Lokalpresse dort Fernseher, Kühlschränke, ein Boot und sogar Autos. Irgendwann griff die Stadt ein und sicherte das Gelände mit 2.000 Tonnen Beton für die entstandenen Hohlräume. Später mussten tonnenweise Trümmer entfernt werden. Der Entwurf basiere also auf einer archäologischen Übung, die „mehrere Jahre versteinerte häusliche Geschichte enthüllten“, so der Planer, der den Bau auf diese Weise um das Untergeschoss erweiterte. Noch heute gibt es diverse Eingänge zum Haus, die als Referenz zu den damaligen Tunneln dienen. Vielmehr erinnert allerdings nicht mehr an den „Maulwurf-Mann“, wie ihn die Stadtbewohner tauften.

Zunächst befreite Adjaye den viktorianischen Bau von unnötigen Einbauten. Eine Trennwand, die das Grundstück damals in zwei separate Häuser gliederte, wurde entfernt. Auch alte Innenwände und Böden entfernte der Architekt vollständig. Statik und Struktur verleiht nun eine kreuzförmige Betonkonstruktion im Zentrum des Gebäudes. Mit ihr entstehen auf jedem Stock des dreigeschossigen Hauses jeweils vier Zonen unterschiedlicher Größen. Das sorgt für „expansivere, flexible und einheitliche Räume“, erklärt das Studio. Im neugewonnen Untergeschoss siedelten Architekten und Bauherrin das Atelier an. Eine Entscheidung, die zunächst überrascht, unterstellt man einem Kellerraum eher schummerige Lichtverhältnisse. Doch tatsächlich ist das hiesige Untergeschoss dank seiner hohen Decken ein lichtdurchfluteter, luftiger Arbeitsraum, der nunmehr Wohngeschichte und zeitgenössische Kunst vereint.

Künstlerisches Experimentierfeld
Im Obergeschoss, wo Brandschäden und Korrosion dem Bau übel zugesetzt hatten, integrierte Adjaye ein großes Deckenfenster. Und auch insgesamt wartet der ganze Bau mit raumfüllenden Panoramafenstern auf. Sonst beließ der Planer die Fassade in seiner weitestgehend bestehenden Form, die ihm, so das Architekturbüro, ein „verfallenes bunkerartiges Erscheinungsbild“ verleiht. Lediglich alte London-Ziegel halfen, große Beschädigungen zu reparieren. Ein Schieferblech ersetzt das ursprüngliche Schrägdach und rohe Metallrohre dienen als Brüstungen vor den gestaffelten Höhenplateaus innerhalb des Grundstücks. Für das Interieur wählten Planer und Bauherrin eine reduzierte Materialpalette aus Sichtbeton und Holz. Licht im Atelier kommt aus Neonröhren.

„Das Maulwurfshaus zeigt eine kombinierte Vision zwischen Auftraggeber und Architekt, der urbane, taktile und persönliche Geschichten hervorhebt“, so David Adjaye. Wer sich dem Bau von vorne nähert, schaut auf ein Gebäude, das wie ein Monument erscheint und auch in zwei verspiegelte, reflektierende Fenster, die wie Augen anmuten, die einen fast ein wenig mustern. Vielleicht ist das der Blick des Maulwurfs, der sich hier noch immer heimisch fühlt, aber inzwischen nicht mehr ohne Sonnenbrille auskommt.

Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Architektur

Adjaye Associates

www.adjaye.com

Mehr Projekte

Camden Chic

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen

Design-Apartments auf der MDW 2025

Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Nostalgie nach Mass

Belgravia Townhouse von Child Studio

Belgravia Townhouse von Child Studio

Grobe Perfektion

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Symbiose aus Beton und Holz in einem Apartment in Tokio von Kenta Hirayama

Appetitliches Apartment

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Wohnungsumbau von Iva Hájková Studio in Prag

Raumwunder in Porto

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers

Umbau eines portugiesischen Mini-Häuschens von Spaceworkers