Archaisches Domizil
Wüstenhaus in Marokko von Leopold Banchini und Sana Nabaha

In der kargen Ebene der Haouz-Region bei Marrakesch haben Leopold Banchini Architects und Sana Nabaha ein Wohnhaus geschaffen, das sich auf das Wesentliche konzentriert. Dar El Farina liegt an der Kreuzung zweier alter Bewässerungskanäle und bedient sich lokaler Materialien. Der schmale Riegel aus Stampflehm teilt das Land in Wüste und Garten und den Raum in Licht und Schatten. Entstanden ist eine Hommage an Sand, Wasser und die Kraft der Natur.
Wie eine Mauer erstreckt sich der eingeschossige Baukörper parallel zum ersten Wasserlauf und folgt einem ungewöhnlich langen Seitenverhältnis von 1 zu 18. Der zweite Wasserlauf durchquert das Gebäude genau in der Mitte. Der Mesref ist ein offener Kanal, der das Land periodisch mit Wasser für die Landwirtschaft versorgt. Die Khetara, eine unterirdische Drainagegalerie, wurde vor etwa tausend Jahren von den Almoraviden errichtet, jener Berberdynastie, die den Islam im Maghreb verbreitete und Marrakesch gründete. Dar El Farina ist nicht nur ein Wohnhaus, sondern auch eine Grenze, die das Grundstück in zwei Naturräume teilt: Auf der einen Seite herrscht Wüstenklima, auf der anderen Seite blüht ein Garten mit einheimischen Pflanzen, die dank des historischen Wassersystems gut gedeihen.
Wände aus Lehm
Mächtige Stampflehmwände und eine Decke aus Ortbeton umschließen den Bau, der mit zahlreichen Fenstertüren nach Westen und zum Garten hin ausgerichtet ist. Lediglich der Eingang, eine Öffnung, die über ein kreisrundes Wasserbecken mit rohen Trittsteinen erreicht werden kann, befindet sich in der Ostwand. Der Boden der Innenräume besteht aus losem Wüstensand und der Grundriss entfaltet sich in einer Abfolge von Wohnbereichen, Innenhöfen und Wasserbecken entlang der ultratiefen Raumflucht. Schwenkbare Stahltore ermöglichen es, die einzelnen Bereiche entweder voneinander zu trennen oder sie zu einem einzigen offenen Raum miteinander zu verbinden.
Eingelassene Möbel
Die Einrichtung ist minimalistisch und besteht vor allem aus Einbauten, die teilweise in den Boden eingelassen wurden: Gekachelte Betonstrukturen bilden Betten, Tische und Sitznischen und wirken wie kleine Inseln im Sandboden. Metallische Wasserhähne und textile Polster gehören zu den wenigen zusätzlichen Wohnutensilien, die das mineralische Materialkonzept ergänzen. Zwei Schlafzimmer mit jeweils angeschlossenem Bad befinden sich an den nördlichen und südlichen Stirnseiten von Dar El Farina, während Wohnbereiche, Küche und ein großes Schwimmbecken zentral im Haus angeordnet sind.
Licht, Wasser und Schatten
Die Formen der Möbel, ob rechteckig bei Bett und Wasserbecken oder kreisrund bei den Sitznischen, werden in den darüber angeordneten Oberlichtern aufgegriffen. Diese lichtspendenden und luftleitenden Schächte auf dem Dach prägen mit ihren zylindrischen, abgetreppten oder kegelförmigen Aufbauten die Silhouette des Hauses. Die Innenwände der Schächte sind mit Zellige-Fliesen ausgekleidet. Diese traditionell in Marokko handgefertigten Tonfliesen stammen aus einem nahe gelegenen Dorf. Mit ihren charakteristischen Unregelmäßigkeiten und Glasuren in kräftigen Farben reflektieren sie das einfallende Sonnenlicht, das anschließend sanft von den Wasserflächen auf Wände und Decken geworfen wird. Zusammen mit den dicken Lehmwänden, die Hitze abschirmen, und der umgebenden Vegetation entsteht so ein angenehmes Mikroklima – ein kühler Rückzugsort in der Wüste und eine moderne Interpretation des traditionellen introvertierten Patiohauses.
Autarkie und Baukultur
Das Haus ist dank der jahrhundertealten Wasserinfrastruktur sowie der Nutzung von Sonnenenergie und Wasseraufbereitung vollständig autark. Es minimiert den ökologischen Eingriff und verbindet traditionelle und moderne Techniken in einem nachhaltigen Gesamtkonzept.
Erde, Wasser, Licht und Raum – mit einer klugen Kombination bewährter regionaler Baumethoden und einer sensiblen Gestaltung haben Leopold Banchini Architects und Sana Nabaha eine Architektur geschaffen, die im Einklang mit der Natur steht und einen lebendigen Teil der marokkanischen Baukultur darstellt.
FOTOGRAFIE Rory Gardiner Rory Gardiner
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