Projekte

Außen Sozialismus, innen leer

von Jasmin Jouhar, 07.06.2010


Das Café Moskau gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie es Berliner und Besucher in Erinnerung haben dürften: als plüschiges Restaurant vor der Wende, als improvisierten Ausstellungsbau und Ort wilder Parties nach der Wende. Ein Rundgang durch das frisch sanierte Haus an der Karl-Marx-Allee führt in die neue Wirklichkeit einer „Tagungs- und Eventlocation“. Der Umbau durch die Berliner Architekten Hoyer Schindele Hirschmüller (HSH) hat das Innere des einstigen sozialistischen Vorzeigebaus in ein funktionales, aber auch austauschbares Veranstaltungshaus verwandelt.

 

Natürlich konnte das Haus an der DDR-Renommiermeile nicht so bleiben, wie es war. Der Verfall des Denkmals musste gestoppt werden, und mit dem abgelebten Charme allein ließ sich auf Dauer wohl kein Geld verdienen. Schließlich haben Denkmäler nur eine Zukunftschance, wenn sich eine dauerhafte Funktion für sie findet – Zwischennutzungen vertagen die Entscheidung meist nur. Insofern war es ein Glücksfall für das Café Moskau, dass der Immobilienunternehmer Nicolas Berggruen das Haus 2007 kaufte und an die Agentur E-Werk von Ralf Regitz verpachtete. Mit dem Ziel, dem einstigen russischen Spezialitäten-Restaurant als Veranstaltungs- und Kongresszentrum neues Leben einzuhauchen. Aber ob es dafür unbedingt notwendig war, den Glaskasten so gründlich auf- beziehungsweise auszuräumen?

Sputnik lässt grüßen

Zumindest von außen allerdings erscheint der von 1961 bis 1964 von Josef Kaiser errichtete zweigeschossige Bau unverändert: Originalelemente wie das große, die Sowjetunion verherrlichende Wandmosaik, die gekachelten Fassadenfelder, die Betonwaben oder der Schriftzug blieben erhalten. Auch das Sputnik-Modell grüßt nach wie vor über dem Eingang. Der Wert des Café Moskau als Teil des Pavillon-Ensembles inmitten der Plattenbau-Wohnsiedlung ist nicht beeinträchtigt. Sogar die Fenster- und Türprofile konnten die Architekten retten – ein zentrales Detail für das Erscheinungsbild eines Hauses, aber leider oft Opfer von Sanierungen. Die originalen Bauteile waren so großzügig bemessen, dass sich darin auch neue, vier Zentimeter starke Isolierglasscheiben unterbringen ließen. Das einzige Anzeichen für die neue Zeit findet sich an der Ostseite des Gebäudes: Der dortige Verbindungsbau zum ebenso transparenten Nachbarpavillon, dem ehemaligen Kosmetiksalon „Babette“, ist jetzt mit schwarz spiegelndem Glas verkleidet und nimmt einen neuen, zusätzlichen Eingang auf. Denn das Erschließungskonzept des Hauses wurde – ebenso wie seine Technik – komplett überarbeitet. Mehrere Zugänge und zahlreiche Foyers und Flure machen jetzt flexible Raumnutzungen mit mehreren parallelen Veranstaltungen möglich.
 
60er vs. 80er

„Das eigentliche Denkmal ist das Gebäude“, bringt Markus Hirschmüller von HSH das mit dem Landesdenkmalamt erarbeitete Sanierungskonzept auf den Punkt. Das hieß, die Substanz aus den sechziger Jahren „zu stärken“ und deren Materialität zu betonen. Steinfußböden, Stützen und Treppen wurden erhalten. Es kam den Architekten darauf an, die charakteristische Transparenz zu bewahren, die Blickbeziehungen innerhalb des Hauses und nach draußen sogar noch auszubauen. Zum Beispiel, indem sie die alten Heizkörper durch eine im Boden installierte Anlage ersetzen ließen. Die großen Fensterflächen erscheinen jetzt völlig unbeeinträchtigt. Aufgegeben wurden allerdings auch die Umbauten, die in den achtziger Jahren am Café Moskau vorgenommen worden waren, und die mit dunklen Wandverkleidungen, Kachelbildern und abgehängten Decken einen, so Hirschmüller, „gemütlichen“ Eindruck machten.

Konsensfähige Transparenzmoderne

Es mag eine ästhetisch motivierte Entscheidung gewesen sein, die Geschichte des Hauses auf die als cool geltende, mittlerweile konsensfähige Transparenzmoderne des Internationalen Stils sozialistischer Ausprägung zu reduzieren. So passt das Haus perfekt ins Bild des zweiten Bauabschnitts der Karl-Marx-Allee, der mit dem stalinistischen „Zuckerbäckerstil“ der frühen Fünfziger brach. Dass die Veränderungen aus den achtziger Jahren auch Teil der Identität des Café Moskau waren und mit ihrer leicht biederen Gemütlichkeit zu seinem Charme und seiner Anziehungskraft als „Location“ beigetragen hatten, wurde weitgehend ignoriert. Vermutlich auch, weil die auf ihre vermeintliche Ursprungsstruktur zurückgeführten Räume flexibler an die Bedürfnisse der Betreiber anzupassen waren. Als aus dem Kontext gerissene Reminiszenz hängen einige der Kachelbilder, die zur Ausstattung der Achtziger gehörten, isoliert wie Kunstwerke in einem weniger wichtigen Foyer im Obergeschoss. Dass sie einmal Teil des Interieurs waren, versteht nur der Eingeweihte.

Exzessiv aufgerüstet

Nun ist das Café Moskau funktional optimiert, ganz nach dem Geschmack von Veranstaltungsprofis: Die zahlreichen großen und kleinen, aber vor allem leeren Säle und Räume dürften sich für so ziemlich jede Art von Event herrichten lassen, seien es Parties, Empfänge, Konzerte, Tagungen oder Firmenpräsentationen. Die neuen Holzdecken sind perforiert mit Lüftungs-, Brandschutz-, Sound-, Licht- und sonstigen Vorrichtungen und ziehen dadurch unangenehm die Aufmerksamkeit auf sich. Überall lassen sich temporäre Trennwände einziehen und LED-Displays anbringen, ein Glasfasernetzwerk wurde auch verlegt. Gegen diese Modernisierung ließe sich an sich nichts sagen, wenn die Aufrüstung des Hauses nicht exzessive Züge trüge und auf Kosten der Geschichtlichkeit und Atmosphäre gegangen wäre. Die Räume wirken bisweilen austauschbar, man wähnt sich eher in einem x-beliebigen Konferenzzentrum als in einem DDR-Vorzeigebau. Zumal der Teil des Hauses, wo HSH tatsächlich neu bauen und und dem Denkmal etwas Eigens hinzufügen konnten – etwa beim Ostfoyer mit dazugehörigem Treppenhaus und Sanitärräumen – architektonisch kaum überzeugen kann. Zu glatt, zu wenig am Vorhandenen orientiert, zu nachlässig im Detail wirken hier die Räume. Wer also das Café Moskau der Erinnerungen sehen will, der möge es nur von außen bewundern. Zum Beispiel aus dem Foyer im Obergeschoss des Kino International schräg gegenüber.
Facebook Twitter Pinterest LinkedIn Mail
Links

Projektarchitekten

Hirschmüller Schindele Architekten

www.hsarchitekten.com

Betreibergesellschaft

Moskau

www.moskauberlin.net

BauNetz Meldungen

Hoyer Schindele Hirschmüller

BauNetz Meldungen

Mehr Projekte

Nachhaltig auf allen Ebenen

Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Intelligente Lichtlösungen für den Bürokomplex Tripolis-Park in Amsterdam

Arbeiten in neuem Licht

BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

Architekturwandel an der Alster

Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Kreative in der Konservenfabrik

Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Büro auf Abruf

Meeting Suites by Bene in Wien

Meeting Suites by Bene in Wien

Rohbaucharme und Ruhezone

Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Bestand und Weitblick

Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Massivholz und Mixed-Use

Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Zirkuläre Raute

Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Zukunft im Industriedenkmal

PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

Kalifornische Moderne

Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking

Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office

Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose

Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit

Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung

INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten

Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne

Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach

Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz

Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik

Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise

Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon

Büroausbau von Civilian in New York City

Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau

Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte

Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne

Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Mut zur Transparenz

Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche

Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche

Geschmackvolle Pausenräume

Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Wohnliche Praxis

Clinique Monkland in Montreal von Atelier Échelle

Clinique Monkland in Montreal von Atelier Échelle

Arbeiten im Wohlfühlbereich

Neugestaltung der Innenräume des Fiandre-Hauptsitzes von Iosa Ghini Associati

Neugestaltung der Innenräume des Fiandre-Hauptsitzes von Iosa Ghini Associati