Außen Sozialismus, innen leer
Das Café Moskau gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie es Berliner und Besucher in Erinnerung haben dürften: als plüschiges Restaurant vor der Wende, als improvisierten Ausstellungsbau und Ort wilder Parties nach der Wende. Ein Rundgang durch das frisch sanierte Haus an der Karl-Marx-Allee führt in die neue Wirklichkeit einer „Tagungs- und Eventlocation“. Der Umbau durch die Berliner Architekten Hoyer Schindele Hirschmüller (HSH) hat das Innere des einstigen sozialistischen Vorzeigebaus in ein funktionales, aber auch austauschbares Veranstaltungshaus verwandelt.
Natürlich konnte das Haus an der DDR-Renommiermeile nicht so bleiben, wie es war. Der Verfall des Denkmals musste gestoppt werden, und mit dem abgelebten Charme allein ließ sich auf Dauer wohl kein Geld verdienen. Schließlich haben Denkmäler nur eine Zukunftschance, wenn sich eine dauerhafte Funktion für sie findet – Zwischennutzungen vertagen die Entscheidung meist nur. Insofern war es ein Glücksfall für das Café Moskau, dass der Immobilienunternehmer Nicolas Berggruen das Haus 2007 kaufte und an die Agentur E-Werk von Ralf Regitz verpachtete. Mit dem Ziel, dem einstigen russischen Spezialitäten-Restaurant als Veranstaltungs- und Kongresszentrum neues Leben einzuhauchen. Aber ob es dafür unbedingt notwendig war, den Glaskasten so gründlich auf- beziehungsweise auszuräumen?
Sputnik lässt grüßen
Zumindest von außen allerdings erscheint der von 1961 bis 1964 von Josef Kaiser errichtete zweigeschossige Bau unverändert: Originalelemente wie das große, die Sowjetunion verherrlichende Wandmosaik, die gekachelten Fassadenfelder, die Betonwaben oder der Schriftzug blieben erhalten. Auch das Sputnik-Modell grüßt nach wie vor über dem Eingang. Der Wert des Café Moskau als Teil des Pavillon-Ensembles inmitten der Plattenbau-Wohnsiedlung ist nicht beeinträchtigt. Sogar die Fenster- und Türprofile konnten die Architekten retten – ein zentrales Detail für das Erscheinungsbild eines Hauses, aber leider oft Opfer von Sanierungen. Die originalen Bauteile waren so großzügig bemessen, dass sich darin auch neue, vier Zentimeter starke Isolierglasscheiben unterbringen ließen. Das einzige Anzeichen für die neue Zeit findet sich an der Ostseite des Gebäudes: Der dortige Verbindungsbau zum ebenso transparenten Nachbarpavillon, dem ehemaligen Kosmetiksalon „Babette“, ist jetzt mit schwarz spiegelndem Glas verkleidet und nimmt einen neuen, zusätzlichen Eingang auf. Denn das Erschließungskonzept des Hauses wurde – ebenso wie seine Technik – komplett überarbeitet. Mehrere Zugänge und zahlreiche Foyers und Flure machen jetzt flexible Raumnutzungen mit mehreren parallelen Veranstaltungen möglich.
60er vs. 80er
„Das eigentliche Denkmal ist das Gebäude“, bringt Markus Hirschmüller von HSH das mit dem Landesdenkmalamt erarbeitete Sanierungskonzept auf den Punkt. Das hieß, die Substanz aus den sechziger Jahren „zu stärken“ und deren Materialität zu betonen. Steinfußböden, Stützen und Treppen wurden erhalten. Es kam den Architekten darauf an, die charakteristische Transparenz zu bewahren, die Blickbeziehungen innerhalb des Hauses und nach draußen sogar noch auszubauen. Zum Beispiel, indem sie die alten Heizkörper durch eine im Boden installierte Anlage ersetzen ließen. Die großen Fensterflächen erscheinen jetzt völlig unbeeinträchtigt. Aufgegeben wurden allerdings auch die Umbauten, die in den achtziger Jahren am Café Moskau vorgenommen worden waren, und die mit dunklen Wandverkleidungen, Kachelbildern und abgehängten Decken einen, so Hirschmüller, „gemütlichen“ Eindruck machten.
Konsensfähige Transparenzmoderne
Es mag eine ästhetisch motivierte Entscheidung gewesen sein, die Geschichte des Hauses auf die als cool geltende, mittlerweile konsensfähige Transparenzmoderne des Internationalen Stils sozialistischer Ausprägung zu reduzieren. So passt das Haus perfekt ins Bild des zweiten Bauabschnitts der Karl-Marx-Allee, der mit dem stalinistischen „Zuckerbäckerstil“ der frühen Fünfziger brach. Dass die Veränderungen aus den achtziger Jahren auch Teil der Identität des Café Moskau waren und mit ihrer leicht biederen Gemütlichkeit zu seinem Charme und seiner Anziehungskraft als „Location“ beigetragen hatten, wurde weitgehend ignoriert. Vermutlich auch, weil die auf ihre vermeintliche Ursprungsstruktur zurückgeführten Räume flexibler an die Bedürfnisse der Betreiber anzupassen waren. Als aus dem Kontext gerissene Reminiszenz hängen einige der Kachelbilder, die zur Ausstattung der Achtziger gehörten, isoliert wie Kunstwerke in einem weniger wichtigen Foyer im Obergeschoss. Dass sie einmal Teil des Interieurs waren, versteht nur der Eingeweihte.
Exzessiv aufgerüstet
Nun ist das Café Moskau funktional optimiert, ganz nach dem Geschmack von Veranstaltungsprofis: Die zahlreichen großen und kleinen, aber vor allem leeren Säle und Räume dürften sich für so ziemlich jede Art von Event herrichten lassen, seien es Parties, Empfänge, Konzerte, Tagungen oder Firmenpräsentationen. Die neuen Holzdecken sind perforiert mit Lüftungs-, Brandschutz-, Sound-, Licht- und sonstigen Vorrichtungen und ziehen dadurch unangenehm die Aufmerksamkeit auf sich. Überall lassen sich temporäre Trennwände einziehen und LED-Displays anbringen, ein Glasfasernetzwerk wurde auch verlegt. Gegen diese Modernisierung ließe sich an sich nichts sagen, wenn die Aufrüstung des Hauses nicht exzessive Züge trüge und auf Kosten der Geschichtlichkeit und Atmosphäre gegangen wäre. Die Räume wirken bisweilen austauschbar, man wähnt sich eher in einem x-beliebigen Konferenzzentrum als in einem DDR-Vorzeigebau. Zumal der Teil des Hauses, wo HSH tatsächlich neu bauen und und dem Denkmal etwas Eigens hinzufügen konnten – etwa beim Ostfoyer mit dazugehörigem Treppenhaus und Sanitärräumen – architektonisch kaum überzeugen kann. Zu glatt, zu wenig am Vorhandenen orientiert, zu nachlässig im Detail wirken hier die Räume. Wer also das Café Moskau der Erinnerungen sehen will, der möge es nur von außen bewundern. Zum Beispiel aus dem Foyer im Obergeschoss des Kino International schräg gegenüber.
FOTOGRAFIE Stefan Müller
Stefan Müller