Ausstrahlung nach Mass
Umbau sondergleichen: ein von Grund auf erneuertes, denkmalgeschütztes Wohnhaus in London.
Wer heute mal den Tischler zu sich kommen lässt, hat selten vor, gleich das gesamte Haus auszustatten. Ein Einbauregal nach Sondermaßen, eine Tür, eine Treppe vielleicht. Höchstens. So sieht ein regulärer Auftrag aus. Was aber in diesem Einfamilienhaus im Londoner Südwesten entstanden ist, geht doch deutlich weiter: Einzig die Außenmauern des denkmalgeschützten Baus blieben erhalten, als Fraher Architects und ihre hauseigene Tischlerei einen komplett neuen Innenausbau vornahmen und einen Anbau hinzufügten.
Das rote Backsteinhaus, dessen kleinere Hälfte die Bauherrn vor gut dreieinhalb Jahren übernommen hatten, steht in guter Nachbarschaft. Seine äußeren Werte stimmten soweit. Die Anforderungen der neuen Besitzer an die Räume aber bedurften einer komplett neuen inneren Struktur. Offener, lichter und weniger eingeengt sollte es sich anfühlen. So entstand die Idee einer Neugliederung aller Bereiche: Gewünscht waren ein Spiel mit Tageslicht und den Grenzen zwischen innen und außen. Ein kleiner Haken nur: Das Haus ist denkmalgeschützt. Um die örtliche Baubehörde zu überzeugen, waren entsprechend Geschick und ein langer Atem gefragt. „Der Planungsprozess für dieses Haus war aufgrund seiner sensiblen Natur sehr komplex, was zu monatelangen Verhandlungen mit der örtlichen Planungsbehörde führte“, so die Architekten.
Von Grund auf neu
Vom Keller bis zum Dachstuhl wurde das Gebäude dann bis auf seine Außenmauern ausgehöhlt, wiederaufgebaut und erweitert. Neben dem im Hochparterre liegenden Eingang an der Vorderseite des Hauses wurde mit einem Anbau an der Gartenseite ein weiterer Eingangsbereich geschaffen. Den Auflagen des Amtes entspricht das Volumen dabei. Denn mit seinen zwei Fensterflächen, die den Kubus von zwei Seiten aus bis auf dessen Dach umschließen, ist es vom Altbau sozusagen abgetrennt und trägt sonst eine aus Backstein gemauerte Fassade wie auch der originale Teil. Hier liegt der Knotenpunkt des Hauses. Hier gelangt der Blick zum Haupteingang, zur tiefer liegenden Küche, zum höher gelegenen Salon und nach draußen, zur Terrasse und in den Garten. Auch beginnt hier der Aufstieg über die aus Amerikanischer Schwarznuss konstruierten Treppe, die sich bis ins vierte der fünf Stockwerke windet.
Die Handläufe sind allesamt indirekt beleuchtet, und der Schacht in der Mitte, der mit einer von Fraher gestalteten Pendelleuchte ausgestattet ist, gibt den Blick bis ins oberste Stockwerk frei – was dem Projekt auch seinen Namen, The Lantern, gab. Nun ist die Treppe nicht das einzige, was die Tischler der Tochterfirma von Fraher Architects, Fraher and Co, in ihrem Repertoire haben. Beginnend im Untergeschoss, wo das Arbeitszimmer bis unter die freistehende, ebenfalls neue Garage reicht, wurden maßgefertigte Schrankwände eingebaut. Tageslicht fällt über ein begehbares Oberlicht hinein, das zwischen Garage und Haus liegt. Ein Teil der Decke ist hier und im angrenzenden Fitnessraum mit Streifen aus Sperrholz verkleidet, was die sonst eher vertikale Gebäudestruktur in der Horizontalen fortführt.
Nach Maß bis unters Dach
Ein paar Stufen höher, doch noch immer im Souterrain, befindet sich die Küche des Hauses. Auch hier ist alles nach Maß entstanden. Die Fronten sind weiß, die Seiten teilweise im Holzton der Treppe gebaut. Durchbrochen wird die Konsequenz hinter der Spüle durch eine neongelbe Rückwand. Der Blick beim Kochen – man ahnt es schon – fällt von der Kücheninsel zur immer präsenten Treppe. Das Prinzip Möbel nach Maß setzt sich dann auch bis ins fünfte Stockwerk fort: hinterleuchtete Regale, Sideboards, Lowboards, Schuhregale, Kleiderschränke, Kommoden und Waschtische in den Badezimmern. Ein Wohnzimmer, ein Musikzimmer, vier Schlafzimmer und vier Bäder sind so außerdem entstanden. Letztere selbstverständlich mit bodengleichen Duschwannen und Regenduschen, mal dezenter und mal in kräftigeren Farbtönen gestaltet, und ausgestattet mit hochwertigen Armaturen der Serie Axor Starck X.
Nachhaltige Wohnlaterne
Ganz und gar über den Dingen schwebt man schließlich im zweiten Arbeitszimmer unter dem Dach – kann von hier aus den Blick senken über das Treppenhaus und sich noch einmal bewusst werden darüber, dass gemeinsam mit Fraher Architects ein ganz großartiger Plan aufgegangen ist: Nämlich, dass mit The Lantern nicht einfach nur ein gealtertes Haus neuen Wohnraumansprüchen gerecht wird, sondern dass darüber hinaus durch innenliegende Wärmedämmung, dichte und doppelverglaste Fenster, passive Sonnenenergienutzung und eine Anlage zur Wärmerückgewinnung hohen Standards für eine verantwortungsvolle Kohlendioxidbilanz entsprochen wird. Das nennt man positive Ausstrahlung!
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FOTOGRAFIE Jack Hobhouse
Jack Hobhouse
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