Beton Ciré und Licht
Atelier Premier Etage haben 120 Quadratmeter in Paris renoviert und mit evidenter Gestaltungsphilosophie als Zweitwohnung eingerichtet.

Das Architektenbüro Atelier Premier Etage ist auf urbane Notlösungen spezialisiert. In Ballungsräumen wie Paris, wo es eng ist, konzentriert es sich darauf, aus minimaler Fläche das Maximum herauszuholen. Nun realisierte das zweiköpfige Architektenteam jedoch ein völlig gegenteiliges Projekt: 120 Quadratmeter sollten komplett renoviert und als Zweitwohnung für eine dreiköpfige Familie eingerichtet werden.
Auf den ersten Blick wirkt das Projekt fast ein wenig paradox: Warum beauftragten die Neueigentümer einer, für Pariser Verhältnisse fast palastartigen Wohnfläche, ein Architektenbüro, das dafür bekannt ist, jeden ungenutzten Quadratzentimeter einer kleinen Stadtwohnung ausfindig zu machen und zu neuem Leben zu erwecken? Die Antwort lautet: Weil das Atelier Premier Etage noch für andere Prinzipien als nur die bloße Raumvergrößerung steht.
Einfach soll alles sein
,,Unser Leitmotiv ist die Simplizität’’, erklärt Mitgründern Claire Escalon. ,,Sie inspiriert uns für den ersten Rohentwurf und begleitet uns bis hin zu den Einrichtungsdetails. Wir möchten mit dieser Philosophie Räume öffnen, sie zweckbestimmt gestalten, aber sie dennoch gemütlich erscheinen lassen. Dazu benutzen wir oft ungewöhnliche, manchmal preiswerte und wenn möglich immer umweltfreundliche, natürliche Materialien’’.
Evidente Gestaltungsphilosophie
Gestaltungselemente, die sich für die großzügig geschnittene Loftwohnung der Auftraggeber also geradezu aufdrängten. Und dazu auch noch ganz wunderbar zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld im hippen 10. Arrondissement von Paris passen, in dem minimalistisch und öko-friendly gebaute Kneipen und Geschäfte momentan wie Pilze aus dem Boden schießen.
Radikaler Look
Für die Gestaltung ihres aktuellen Projektes entschieden sich Claire Escalon und ihr Partner Nicolas Lanno für die Verwendung von viel Holz und Beton sowie für nur die notwendigsten Einrichtungsgegenstände und lockerten diesen teilweise radikal wirkenden Look durch die Omnipräsenz der Farbe Weiß auf. Auch beim Interior blieben sie ihrer typischen Handschrift treu: Klare Linien geben den Ton an, und nur wenige Raumteiler sorgen für offene Wohnstrukturen. Vor allem auf der Haupt- und Wohnebene, von der die elterliche Suite auf der oberen und das Kinderzimmer sowie ein Büroraum auf der unteren Etage abgetrennt sind.
Tricks für Gemütlichkeit
Dass bei diesem kühlen Stil nicht zu viel trüber Industriecharakter aufkommt, ist vor allem zwei Gestaltungstricks der Franzosen zu verdanken: zum einen der speziellen Verarbeitung von den verwendeten Materialien, zum anderen der Nutzung des natürlichen Lichteinfalls. So verbrauchte Atelier Premier Etage viel ,,Beton Ciré’’, den französischen Feinputz auf Zementbasis, dessen matte bis seidenglänzende Oberflächen weitaus gemütlicher als die von klassischem Beton wirken. Bei den hölzernen Elementen wiederum sorgte Bambus für dieses willkommene Behaglichkeitselement, aber auch die Lackierung von vielen hölzernen Gegenständen bietet eine perfekte, ästhetische Ergänzung zum gewachsten Beton.
Licht ist der Clou
Einen warmen Kontrast zu der tendenziell kühlen Einrichtungsatmosphäre stellt jedoch vor allem das gläserne Dach, das bei Sonnenstrahlung die gesamte Wohnebene mit Licht durchflutet, dar. Nach dieser Vorrichtung benannten die beiden Franzosen nicht nur ihr Projekt (,,loft sous verrière’’), sondern bauten es dazu symbolisch und augenzwinkernd als gläserne Wand vor den sanitären Bereichen der Wohnung nach, um bei schönem Wetter auch diese mit Sonnenstrahlen zu versorgen.
FOTOGRAFIE Fabienne Delafraye
Fabienne Delafraye
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