Beton unter Bäumen
Steinernes Ufo im Pinienwald: Ein Feriendomizil an der argentinischen Atlantikküste.

Es ist ein eigenartiges Schauspiel, das in einem kleinen Pinienwald nahe der Atlantikküste Argentiniens geboten wird: Inmitten dünn begrünter Bäume und auf einer leicht abfallenden Sanddüne sitzend, schieben sich zwei Betonebenen übereinander und formen ein Wohnhaus. Leicht versetzt und gerade so, dass sie sich nicht berühren, erwecken sie den Eindruck eines extraterrestrischen Tetris-Spiels, bei dem jemand die Pause-Taste gedrückt hat. Und auch in seinem Inneren setzt sich der Kuriositätenreigen fort.
Baukünstlerische Ikonen sind oft das Ergebnis mutiger Bauherren. Und wenn ein Architekt sein eigener Bauherr sein darf, ist eine starke Geste vorprogrammiert. Luciano Kruk hat sich in Zusammenarbeit mit seiner Freundin Ekaterina Künzel ein Ferienhaus gebaut, das offenbar bis ins kleinste Detail aus seinem Lieblingsmaterial Beton besteht.
Ufo unter Pinien
Die Casa L4 ist gut geschützt, und zwar nicht nur, weil sie weit weg vom nächsten Nachbarn steht und von Bäumen umgeben ist. Das Domizil ist Teil der Barrio Marítimo II, einer Gated Community nördlich der Stadt Pinamar, einem exklusiven Badeort im Nordosten Argentiniens. Wer hier baut, muss sich an Regeln halten: So darf keines der Häuser näher als 200 Meter an der Küstenlinie platziert werden. Luciano Kruk entschied sich, das Gebäude sogar noch etwas weiter in das bewaldete Grundstück hinein zu setzen, um seinem transparenten Wohnerlebnis den nötigen Schutz vor Einblicken und die intime Atmosphäre zu geben, nach der es verlangte. Umso größer ist die Überraschung beim ersten Anblick der Betonskulptur, die sich in das leicht abfallende Gelände schmiegt. Wie ein Stein gewordenes Ufo hockt der Bau unterhalb der Wipfel der Pinienbäume: zwei Seiten fast vollständig geschlossen und zwei so offen, wie es Architektur zulässt. Das Material lag nah, handelt es sich bei Beton doch um den bevorzugten Baustoff des argentinischen Architekten. Doch bei der Wahl des Baustoffes ging es auch um Langlebigkeit, Robustheit und den Dialog mit der umgebenden Natur.
Durchbrochener Raum
Im Inneren setzt sich das Wechselspiel aus Öffnen und Verschließen fort: Der Wohnraum, der durch das gesamte Haus durchgesteckt wurde und die beiden vollverglasten Fronten verbindet, bildet das Zentrum. Bis auf Esstisch und Sitzmöbel wirkt alles wie aus Beton gegossen, denn der skulpturale Charakter steht über allem. Durchbrochen wird der Raum nur von einer Treppe, die hinauf auf das Dach und hinunter zum Eingangsbereich führt. Zwei ebenfalls längs verlaufende Sichtbetonwände hinter der sich vier Schlaf- und auch vier Badezimmer verbergen, rahmen den schlauchartigen Raum. Jeweils zwei orientieren sich zu einer Seite, wobei Luciano Kruk die Fassaden unterschiedlich nach außen öffnete: Mal lässt er ein Fensterband oben über die ganz Länge durchlaufen, mal unten. Dadurch entsteht der äußere Eindruck, das Haus bestünde aus zwei übereinander schwebenden L-Profilen.
Gelangt man auf das Dach des Hauses, erwartet einen hier nicht nur der Blick auf die Atlantikküste, sondern auch eine hölzerne Terrasse zum Sonnenbaden und ein smaragdgrüne Pool. Das Schwimmbecken thront als Betonwanne auf dem Bau und bildet den kühlenden Abschluss dieser famosen Architektur. Das Haus erlaubt es der Natur, durch sich hindurch zu strömen und versucht, im Einklang mit seiner Umgebung zu existieren.
FOTOGRAFIE Diego Medina
Diego Medina
Mehr Projekte
Architektur im Freien
Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool
Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit
Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort
Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu
Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte
Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Aus dem Schlaf erwacht
Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Archäologie in Beton
Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien
