Bipolare Dreiecksbeziehung
Umbau eines historischen Altbaus in Belgien zum Wohnhaus und Therapiezentrum.

Oben ein Apartment, unten eine Praxis für Psychotherapie. Vorne ein klassisches Haus flämischer Baukunst, hinten eine skulptural geformte Betonscheibe. Dieser Umbau vom Architekturbüro Graux & Baeyens im belgischen Dorf Ename kombiniert sensibel Gegensätzliches und inszeniert sich als gebaute Dreiecksbeziehung.
Das Hauptaugenmerk von Koen Baeyens und Basile Graux beim Umbau des Hauses lag auf der klugen Verbindung von Altem und Neuem. Der historische Bestand sollte nicht nur erhalten und saniert werden, sondern als Grundlage und Gegenpol für die zeitgenössischen Anbauten dienen.
Therapie beim Architekten
Ganz wie bei einer Therapiesitzung behandelten die beiden Architekten ihre Patienten – das Erdgeschoss mit der Praxis und die obere Etage mit dem Wohnbereich – mit neutraler Distanz. Beide Teile verlangten nach einem Bezug zum Garten, ohne sich dabei in die Quere zu kommen. Als Trennlinie setzten die Planer ein Vordach aus Beton zwischen die beiden Ebenen, das sich aus dem Altbau heraus entwickelt. Dadurch erhielt jeder Gebäudeabschnitt seinen eigenen Außenbereich, der gleichzeitig Zugang zum gemeinschaftlich genutzten Teil des Gartens bietet. Unter der Schirmherrschaft des Daches konnten Graux & Baeyens die Praxis außerdem um fünf Therapieräume erweitern – gleichzeitig dient es als Carport für die Autos der behandelnden Ärzte. In die Decke ist eine amorphe Öffnung eingelassen, die Licht in die intime Hofsituation der Praxisräume leitet und als verbindendes Element zwischen den Ebenen wirkt.
Skulptur Gartenmauer
Der Eingriff könnte trotz der Rohheit des Materials Beton und der minimalistischen Formgebung kaum sensibler sein: Dank dreier geschickt platzierter, tragender Wände konnte eine alte Gartenmauer erhalten bleiben und die steht nun selbst wie eine Skulptur unter dem Betonschirm. Zu den umliegenden Wänden und Mauern der Nachbargrundstücke wahrt die Konstruktion – mittels einer schmalen Fuge – respektvollen Abstand. Als Schalung benutzten die Architekten eine horizontale Holzlattung, die der fertigen Oberfläche eine ähnliche Optik wie dem geweißten Klinker des Altbaus verleiht. „Das Raue und Einfache des Materials besitzt eine große Anziehungskraft“, erklärt dann auch Basile Graux die Wahl des Werkstoffs.
Im Inneren setzt sich die reduzierte Gestaltungssprache der Architekten fort: Weiße, auf Symmetrie bedachte Räume strahlen Ruhe aus und konzentrieren sich auf sich selber. „Das Haus, wie wir es vorfanden, war marode und über die vergangenen einhundert Jahre mehrfach umgebaut worden“, erläutert Graux die Grundlagen ihres gestalterischen Ansatzes. „Der originale, sehr symmetrische Grundriss, der typisch ist für die Art von Gebäude, war komplett verschwunden. Wir mussten also ganz am Anfang beginnen und wollten die ursprüngliche Balance wieder herstellen.“ Die gut erhaltenen Elemente, wie die Holzdecken, wurden sensibel restauriert – während abbruchreife Bauteile wie eine verbindende Treppe durch moderne und reduzierte Interpretationen ersetzt wurden. Sämtliche Einbauten wurden in weißem Holz ausgeführt und nehmen sich stark zurück: Allein das historische Gebäude und sein Garten stehen im Mittelpunkt der Erfolg versprechenden Therapie.
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FOTOGRAFIE Dennis De Smet
Dennis De Smet
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