Fade Raster überall: Gerade wenn die Fassaden und Innenstädte immer beliebiger und banaler werden, sticht dieser Umbau mitten in Bremen besonders hervor. Wie emotional man für eine Landesbank bauen kann, beweisen Caruso St John mit ihrem Neubau, der diesen Sommer bezogen wurde.
Hamburg ist das Tor zur Welt! … Aber Bremen hat den Schlüssel. Während alle im November 2016 von der Elbphilharmonie schwärmen, darf man den Bau der Bremer Landesbank nicht vergessen. Caruso St John haben hierfür diesen Sommer eine Architektur geschaffen, die vor allem durch ihren Backstein-Expressionismus aus der Reihe fällt. Mit ihrer Fassade nehmen die Londoner Architekten Bezug auf die nordeuropäische Tradition einer ausdrucksstarken Backsteinbauweise. „Dunkle und harte Klinker werden pfeilerförmig und in ornamentalen Friesen angeordnet, welche dem Gebäude eine dicke, gemauerte Haut verleihen“, erläutert Adam Caruso. „Es dominiert der senkrechte gotische Charakter, welcher massiv und gleichzeitig delikat erscheint.“ Es sei eine Referenz auf die Weser-Renaissance, wie sie beim Bremer Rathaus und der Stadtwaage zu finden ist: „Hanseatische Tradition von reservierter Qualität.“
Keine Lady-Gaga-Architektur
„Das ist hier keine ,Lady-Gaga-Architektur‘, eher schlicht und wertvoll“, soll der Vorstand der Bremer Landesbank, Guido Brune, zur Eröffnung seiner neuen Zentrale gegenüber der BILD-Zeitung gesagt haben. Anfang August 2016 wurde der Neubau am Kirchhof nach dreieinhalb Jahren Bauzeit eingeweiht. Dass man die Architektur von Caruso St John, die für den Umbau verantwortlich zeichnen, präziser als mit einem Lady-Gaga-Antonym beschreiben kann, setzen wir bei unseren Lesern voraus. Das Büro von Adam Caruso und Peter St John mit Sitz in London und Zürich wurde in Bremen nicht zufällig beauftragt, sondern konnte sich mit seinem Entwurf 2011 in einem Wettbewerb gegen Staab Architekten, das Bremer Büro Hilmer Lamprecht Architekten (3. Preis) und Max Dudler (2. Preis) durchsetzen. Damals lobte man besonders die „regionale Identität“ – der rote Backstein passe eben hervorragend auf den Domshof, sagt Guido Brune heute. Und Caruso St John passen zur Baukultur in Bremen.
Wie „emotional“ aber kann man für eine Landesbank bauen? Bei dem neuen Geldhaus zwischen der UNESCO-Welterbestätte Bremer Rathaus und dem St.-Petri-Dom, also mitten im historischen Stadtkern Bremens, gelingt den Londoner Architekten eine selbstbewusste Zurückhaltung jenseits der traurigen Rasterfassade, die heute so viele Innenstädte ziert. Gebaut wurde auf den vorhandenen Kellerwänden und den alten Fundamenten unter der historischen Fassade des Stammhauses – das alte Bankgebäude von 1969/1970 war sowohl technisch unwirtschaftlich als auch von den Abläufen her nicht mehr zeitgemäß.
Gotik von Hand
Die dunkelbraunen, in ihrer Farbigkeit variierenden Klinker stammen von Deppe Backstein-Keramik: Sie kommen ohne den Einsatz einer zusätzlichen Engobe aus. Mit ihrer Robustheit und durch die geringe Wasseraufnahme wurden die hart gebrannten Vollsteine auf das hanseatische Klima abgestimmt. „Pfeilerförmig und in ornamentalen Friesen angeordnet, erscheint die dicke gemauerte Haut aus Wasserstrichsteinen wellenartig und ist geprägt durch den senkrechten gotischen Charakter“, erläutert Dirk Deppe. Während ein Großteil der Backsteine maschinell hergestellt wurde, mussten nur die Abdecksteine für die oberen Geschosse aufgrund ihrer Größe von Hand bearbeitet werden, bis die gewünschte Wasserstrich-Optik erzielt war. Die Weiterentwicklung und Anpassung der Formsteine erfolgte stets in enger Abstimmung mit dem Architekten.
Fassade mit Tiefe
Innerhalb des vertikalen Rasters der Außenmauer markieren Caruso St John mit ausdrucksstarken Portalen die Eingänge zu Hauptsitz und Bankfiliale. Die Bank repräsentiert sich aber nicht nur durch ihre Fassade, sondern auch mit den öffentlichen Innenräumen und der Art der Organisation ihrer inneren Struktur. Das Innere des Gebäudes haben die Architekten flexibel gestaltet, um eine größtmögliche Anzahl Büros pro Etage zu erlauben, von denen jedes ein Hof- oder Fassadenseitiges Fenster bekommen hat. In den obersten Geschossen befinden sich das Personalrestaurant und die Empfangsräume für Privatkunden.
Dass die Sanierung zu kostspielig geworden wäre, konnte man im Bankhaus übrigens schnell ausrechnen – das Bauvorhaben trägt also eher keinen Anteil an der aktuellen Finanzkrise der Bremer Landesbank. Mit insgesamt 24.000 Quadratmeter BGF hat der Neubau der Bankzentrale 50 Millionen Euro gekostet. In seinem Inneren gruppieren sich die Kunden- und Büroräume um einen ovalen Innenhof, der mit 36 Meter Länge und 17 Meter Breite eine Lichtung in dem Monumentalbau bildet. Auch eine Bank muss mal atmen.
FOTOGRAFIE Ulrich Hoppe
Ulrich Hoppe
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