Büro mit Humor
Die Kreativagentur Banda setzt auf eine Architektur mit Augenzwinkern

Ein Meeting im Pool, die Chefs in der Scheune und das stille Örtchen als goldenes: In einem städtebaulich sehr speziellen Luxusviertel in Kiew haben die Architekten von Balbek Burea für die Werbe- und Kreativagentur Banda einen besonderen Arbeitsplatz geschaffen. Im Ambiente eines Industrielofts wird das Büro zum Spielplatz zwischen Augenzwinkern und Ernsthaftigkeit.
Das zentral liegende, aber im Stadtgefüge gut versteckte Viertel Vozdvizhenka nennen die Bürger Kiews auch „die Geisterstadt der Oligarchen” oder kurz und knapp das „Reichen-Ghetto”. Das holprige Kopfsteinpflaster bremst die wenigen Spaziergänger auf ein Flaneurstempo, sofern sie nicht sowieso von den Fassaden abgelenkt werden. Denn die sind in bunte Blockfarben verpackt wie ein Geschenketurm auf dem Kindergeburtstag – und trotz des Herrenhäuser-Looks gerade einmal ein Jahrzehnt alt. Der ästhetische Spielplatz für die Reichen gilt als Immobilienblase. Die neotraditionalistischen Paläste sind teilweise unbewohnt, deshalb kaum abgewohnt und heben sich freundlich von einer pittoresken, grünen Hügelkulisse ab. Die ausgestorbene Szenerie und aufgesetzte Fröhlichkeit produzieren ein surreal anmutendes Disneyland. Definitiv ein Standort für eine Kreativagentur mit Attitüde, die es sich in dieser besonderen Lage zur Aufgabe gemacht hat, auf das mondäne Exterieur mit einem extravaganten Interieur zu antworten.
Alles außer Office
Die verantwortlichen Architekten des ebenfalls in Kiew ansässigen Balbek Bureau haben alles daran gesetzt, den Kreativen das Gefühl zu vermitteln, irgendwo zu sein – nur nicht bei der Arbeit. Zum Meeting oder mit Kunden trifft man sich nicht etwa in einem nüchternen Konferenzraum, sondern im leeren Becken eines Pools. Der befindet sich in einem durch deckenhohe Glaswände akustisch abgeschirmten Areal des Großraumbüros. Dadurch bleibt er für die Kollegen an den Bildschirmen gut einsehbar, von der Besprechungsrunde sehen sie stets die aus dem blauen Mosaikbecken ragenden Köpfe. Allein der Einstieg über die Schwimmleiter aus Stahl dürfte schon einen Beitrag zur entspannten Stimmung leisten. Dabei ist der Pool nur ein Themenpark von vielen: Das ganze Büro folgt einem Raum-in-Raum-Konzept, wobei jedes eingebettete Areal auf bestimmte Anforderungen des Workflows reagiert.
Ab in die Scheune
Für die kreativen Schaffensphasen gibt es eine Art intellektuelle Dunkelkammer, in der sich die Kollegen vor äußeren Einflüssen verstecken können. Die drei Geschäftsführer hingegen residieren in einer stilisierten Scheune, die klassisch in Holzbalken gekleidet und zu zwei Seiten mit Glasfronten ausgestattet ist. Ein gefrostetes Balkenmuster führt die Typologie fort und blockt den ungehinderten Einblick. Überall in den an eine umgenutzte Industriehalle erinnernden Räumen gibt es kleine Inseln mit verschiedenen funktionalen Aufgaben. Auf langen Polsterbänken können Kunden warten, Liegewiesen am Panoramafenster bieten Kontemplation und manche Sofaecke erinnert atmosphärisch mehr an eine Zigarren-Lounge als an einen Ort der Erwerbstätigkeit. Das liegt auch an der Wahl des Mobiliars. Neben Designermöbeln aus den Katalogen internationaler Hersteller wurden die Architekten vor allem auf lokalen Flohmärkten fündig. Alte Ohrensessel und Mid-Century-Stühle, abgewohnte Couchtischchen und Musterteppiche wurden restauriert und in das ansonsten eher moderne, minimalistische Ambiente gestellt.
Goldenes Örtchen
Da, wo man es am wenigsten erwartet, gibt das Interieur dann auch noch einen humoristischen Kommentar zur jüngeren ukrainischen Geschichte ab. Eines der Urinale ist – anders als seine unscheinbaren und nüchternen Nachbarn in Keramikweiß – in glänzendem Gold ausgeführt. Wer hier verweilt, blickt in die prunkvollen Gartenweiten einer Fototapete. Nach dem Umsturz der Ukraine hatte man im Protz-Palast des geflohenen Präsidenten Janukowitsch eine goldene Toilette gefunden. Trotzdem ist das Bad nicht zum Lieblingsraum der Mitarbeiter geworden. Ein paar Wochen nach dem Einzug fragte das Architektenteam bei den Kreativen nach. Am liebsten hielten sie sich in der Küche auf, grillten auf der Terrasse – oder saßen im Pool. „Im Großen und Ganzen verbringen die Banda-Leute ihre Zeit recht gern im Büro – auch wenn sie hier immer noch arbeiten müssen“, sagen die Architekten. „Und das Interieur beschreiben sie als die beste Arbeitsumgebung, die sie jemals gesehen haben.“
FOTOGRAFIE Yevhenii Avramenko
Yevhenii Avramenko
Mehr Projekte
Arbeiten in neuem Licht
BOS hat das eyeo-Büro in Berlin als Stadtrundgang inszeniert

Architekturwandel an der Alster
Umbau der BAT-Hauptverwaltung in Hamburg durch Ratschko Architekten

Kreative in der Konservenfabrik
Zirkuläres Büro-Interieur im belgischen Leuven von tweestroom

Büro auf Abruf
Meeting Suites by Bene in Wien

Rohbaucharme und Ruhezone
Modernes Bürokonzept von Delta Pods im Sky Park Bratislava

Bestand und Weitblick
Nachhaltige Transformation des DUO Towers in Düsseldorf durch DJH Architekten

Massivholz und Mixed-Use
Die Team 7 Welt von Matulik Architekten mit Vestre-Outdoormöbeln

Zirkuläre Raute
Bürogebäude The Cradle in Düsseldorf von HPP Architekten

Zukunft im Industriedenkmal
PLY Atelier gestaltet Ramboll-Office in den Berliner Wilhelm Hallen

Kalifornische Moderne
Fabrikhallenbüro nahe Hollywood von 22RE

Zwischen White Cube und Colour Blocking
Batek Architekten gestalten Prophylaxepraxis T7.2 in Berlin

Flexibles New-Work-Office
Bürogebäude für Sevdesk in Offenburg von Müller + Partner

Zirkuläre Metamorphose
Lucas Muñoz Muñoz modernisiert eine Büroetage in Madrid für Sancal

Neue Rohheit
Brutalistisch angehauchte Umbauprojekte in drei europäischen Metropolen

Mut zur Veränderung
INpuls verwandelt das Landratsamt Freising in ein Bürgerbüro mit Zukunft

Alles im Kasten
Büro der Filmproduktion Dynamic Frame in Zürich von balbek bureau

Design à la campagne
Erwan Bouroullecs Bauernhaus im Burgund

Immer der Farbe nach
Studio Carcasse gestaltet ein neues Büro für Thoughtworks in Berlin

Büro mit Herz
Studio Theobald baut eine Gewerbeetage für Komplizen Film in Berlin um

Zwischen Natur und Technik
Johan Mångsén gestaltet das Interior des Bremer Saab-Büros

Londoner Zeitreise
Neue Büroflächen im Henry Wood House von Nice Projects

Moderner Filmsalon
Büroausbau von Civilian in New York City

Viel mehr als nur Schau
Mode-Showroom Casey Casey in Paris von Atelier NEA

Büro als Begegnungsstätte
Neues Headquarter von Henning Larsen und Ramboll in München

Labor mit Blick ins Grüne
Neue Büroräume von Graft in Berlin-Mitte

Mut zur Transparenz
Architekturbüro Hawkins\Brown bezieht eine Londoner Ladenfläche

Geschmackvolle Pausenräume
Kantinen und Cafeterien mit Aufenthaltsqualität

Wohnliche Praxis
Clinique Monkland in Montreal von Atelier Échelle

Arbeiten im Wohlfühlbereich
Neugestaltung der Innenräume des Fiandre-Hauptsitzes von Iosa Ghini Associati

Neues Leben im alten Amt
Sanierung eines Dresdner Baudenkmals
