Design als Vergnügen
Ein Umbau zum kommunikativen Familienhaus von Dries Otten

Aus einem ehemaligen Arzthaus hat der belgische Designer Dries Otten ein Haus für eine fünfköpfige Familie gemacht. Ihrem Wunsch nach geselligen Bereichen ist er mit einem DJ-Pult, einer versunkenen Sofa-Insel und einem zukunftsorientierten Gartenhäuschen nachgekommen.
Dries Otten sagt über sich selbst, dass seine gestalterischen Konzepte sich der Idee von „No-Nonsense“ verpflichten. Das schließt im Kosmos des in Antwerpen lebenden Innenarchitekten aber keinesfalls den Spaß aus. Kräftige Farben, verspielte Kombinationen und klare Geometrien sind Teil seines Vokabulars. „Es geht letztlich nur um Design als Vergnügen“, meint er. Viele seiner Interiorprojekte bringen diese ausdrucksstarke Designsprache in den architektonischen Bestand. Zwischen den Stilelementen vergangener Zeiten und dem neu einziehenden „Vergnügen“ entsteht dann ein spannender Kontrast. Geradezu exemplarisch zeigt das Projekt Katom in einem Haus aus den Siebzigerjahren, wie Otten gekonnt Vintage-Charme mit zeitgenössischer Avantgarde und einer Prise Exzentrik verbindet.
Turnhouter Schule
Eine tiefergelegte Sofa-Oase in plüschigem Senfgelb, eine clubbige Ecke mit DJ-Pult und viel Spielfläche für drei Kinder – das ist das Spannungsfeld in diesem Haus in der belgischen Stadt Turnhout. Wer die Gemeinde mit 30.000 Einwohnern googelt, findet vor allem nüchterne Eigenschaften: Sie liegt verkehrsgünstig an der Europastraße 34 und zwischen den Hafenstädten Duisburg und Antwerpen. Eine Reise wert ist sie hingegen aus anderen Gründen. Überall in der Stadt finden sich Zeugnisse eines progressiven und modernistischen Baustils aus den Sechzigerjahren, der sogenannten Turnhouter Schule. Ortsansässige Architekt*innen eröffneten dort damals ihre Büros und bauten innovative Einfamilienhäuser, Villen und Sozialwohnungen zwischen brutalistischer Architektursprache und demokratischem Anspruch.
Ottens Makeover
In einem Haus dieser ehrgeizigen Entwerfer*innen der Nachkriegsjahre wohnt jetzt die fünfköpfige Familie. Früher residierte in dem Gebäude, das Dries Otten als eine „wirkliche Schönheit“ beschreibt, ein Arzt. Darauf weist auch noch ein eigenständiger Praxisraum hin, der ausgelagert auf dem Gelände steht. Auch er wurde modernisiert und das Interieur mit Blick auf die zukünftige Nutzung neu gestaltet. Später soll in das kleine Häuschen eines der Kinder einziehen, das besondere Bedürfnisse hat. Allerdings beschreibt Otten seine Maßnahmen in Haus und Häuschen als eher minimalinvasiv und rücksichtsvoll gegenüber dem Bestand. „Das Licht und die Ausstattung waren schon sehr hochwertig, als wir eintraten“, sagt er. Einen wichtigen Beitrag für die gute Atmosphäre leisten etwa die raumhohen Fenster, die markanten Holztreppen, aber auch das fließende Layout. Für Otten wurde der Bestand zur gut grundierten Leinwand, auf die er nur noch seine gezielten Akzente setzen musste, um das künstlerische Werk zu vollenden.
Club-Lounge mit Turntable
Die Wohnfläche verteilt sich auf zwei Ebenen. Der offene Grundriss im Erdgeschoss geht auf die Turnhouter Schule zurück, passt aber auch zum geselligen Lebensstil der Familie. Küche, Wohnbereich und Essplatz fließen räumlich ineinander über und verteilen sich auf abgestuften Ebenen. Zum Sitzbereich gelangt man – in James Bond-Manier – über eine kleine Rampe nach unten, wo die gelben Polster auf einer mit hochflorigem Teppich bezogenen Loungelandschaft liegen. Die Rampe mündet im DJ-Bereich, mit einem die Wand entlang führenden Pult. Dieser Teil ist gefliest und weist auf ein besonderes und durchgängiges Element von Ottens Interieur hin. Ob im Wohnbereich, der Küche oder den Bädern – überall finden sich quadratische Norm-Fliesen in verschiedenen Größen. Im Wohnzimmer ist es eine großformatige Ausführung, im Bad kommt der mittelgroße Nassraum-Klassiker der Fünfzigerjahre zum Einsatz und in der Küche liegt terrakottafarbenes Mosaik.
Minimalismus in Farbe
Dries Otten schafft es, den nostalgischen Sixties-Flair in einem zeitgenössischen und gut gelaunten Interieur aufgehen zu lassen. Dafür setzt der Designer auf klare Linien, konsequente Geometrien und eine Farbwelt zwischen satten Pastellen und kräftigen Kontrasten. In der Küche beispielsweise trifft der warme Lehmton des Bodens auf tannengrüne und himmelblaue Küchenblöcke. Dazu gesellen sich warmes Nussholz und eine Arbeitsfläche im Terrazzo-Look. Das könnte überladen wirken, ist dann aber – spartanisch vor den weißen Wänden inszeniert – vielmehr dem Minimalismus verpflichtet. Damit wird Otten dem Geist des Hauses ebenso gerecht wie der hier wohnenden Familie. Die hatte sich Räume gewünscht, die dynamisch und gesellig sind. Das konsequent offene Erdgeschoss mit seinen farblichen Akzenten ist ohne Zweifel auf ein kommunikatives Miteinander ausgerichtet.
FOTOGRAFIE Jef Jacobs Jef Jacobs
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