Die Erde über dem Himmel
Bruno Spaas’ monochrome Wohnvision in Antwerpen

Zwischen den Schiffsdocks und Hafenbecken Antwerpens stehen zwei irisierende Wohntürme vom Basler Architekturbüro Diener + Diener. Es war allerdings nicht nur das beeindruckende Gebäudeensemble aus der Feder der renommierten Kolleg*innen, das Bruno Spaas zum Ausbau eines Penthouse motivierte, sondern vor allem die Aussicht. Über die großen Fenster holt er das urbane Panorama in den monochromen Raum hinein – und lässt es von Spiegeldecken sowie Möbelfronten reflektieren und fragmentieren.
Antwerpen ist für vieles bekannt – für die Modeszene, die Handelsgeschichte oder die historischen Bauwerke rund um den Alten Markt. Wofür Antwerpen weniger steht, ist eine imposante Skyline. Der Ausblick aus dem Apartment von Bruno Spaas aber ist phänomenal. Der belgische Architekt hat die fünfzehnte Etage eines Gebäudes aus der Feder des Schweizer Büros Diener + Diener ausgebaut – und sich damit den vielleicht besten Blick der Stadt gesichert. Noch sind der Wohnturm und sein Schwestergebäude im Norden der Stadt die höchsten am Horizont, allerdings ist das Duo erst der Startschuss für einen umfangreichen Strukturwandel am Hafen, zu dessen Maßnahmen weitere Wohn- und Kulturbauten sowie Parks gehören.
Willkommen in der Spiegel-Box
Die Fassaden der beiden 56 Meter und 16 Stockwerke hohen Häuser schillern wie die Haut eines Zanders – das eine silbrig, das zweite gelblich – und sind damit auch ein Verweis auf die wassernahe Lage an der Schelde. Das Interior des Penthouse ist wie die Gebäudehaut konsequent monochrom gehalten und setzt auf den Wechsel von matten und spiegelnden Oberflächen. So wird das schönste Attribut der Wohnung – das Panorama – zum ästhetischen Protagonisten. Schon beim Eintreten ist das bodentiefe Fenster gegenüber des Eingangs der erste An- und Ausblick. Dahinter liegen die Dächer der Stadt, das Becken des Westkaai und der Bouckenborghpark. Vor dem Fenster wurde im Entree eine steinerne Bank positioniert, die wie bei einem alpinen Aussichtspunkt zum meditativen Verweilen einlädt. Den Himmel und den seitlichen Horizont des asketischen Raumes bilden verspiegelte Kabinettschränke und eine reflektierende Decke.
Endloser Rundgang
Erschlossen ist das 350 Quadratmeter große Apartment offen, luftig und fließend, indem ein Zimmer in das nächste übergeht und das Layout ringförmig den zentralen Lift-und Treppenschacht umläuft. Dadurch entsteht ein großzügiges und nahezu endloses Raumgefühl, während sich durch die clevere Positionierung von Wänden und Mobiliar viele kleine Rückzugsnischen und Ruhezonen ergeben. Vom Eingangsbereich geht es seitlich durch Flügeltüren in den Wohnbereich. Links schließen sich ein Wohnzimmer und die Schlafräume an, nach rechts geht es in die Lounge, die in der Küche mündet und Anschluss an eine Terrasse hat. Dadurch ist die gesamte Fläche in einer privaten und einer sozialen Zone organisiert, ohne dass zwischen beiden Bereichen eine scharfe Grenze gezogen wird.
Geometrischer Rapport
Die Gestaltung der Räume ist ein Spiel der Kontraste: zwischen Erde und Luft, zwischen Durchsicht und Reflexionsflächen, zwischen farbiger Einheitlichkeit und akzentuierten Farbüberraschungen. Eine Idee von Spaas war es, die Erde in den Himmel – hier im 15. Stock – zu holen. Es dominieren Beige- und Brauntöne und die Steinböden korrespondieren mit lehmfarbenen Wänden. Architektur, Materialien und Interior gehen nahezu unmerklich ineinander über, denn die Einbauten und viele der Möbel wurden von dem Architekten gezielt für ihren Standort entworfen. Dabei hat er eine vertikale Rippenstruktur als sich wiederholendes Gestaltungselement eingesetzt. Sie gliedert die Fronten der Schränke, dekoriert die Wangen der steinernen Tische und Bänke und findet sich als Lattung auf Fenstersockeln und Wandbereichen.
Die Küche als skulpturaler Tempel
Einen besonders eindrucksvollen Moment schafft Spaas in der Küchenzone. Die Kochflächen und die Spüle sind in einen ovalen und einen runden Küchentresen aus Stein eingelassen. Beide wurden frei im Raum platziert. Mit ihrem in den Boden übergehenden Sockel wirken sie wie Altare in einem auch sonst sakral anmutenden Interior. Vom Boden bis zur Decke ist alles Ton in Ton gehalten, akzentuiert von ein paar Spiegelflächen und Lichtlinien. Eine Überraschung wartet hinter vielen Stauraumfronten. Hinter den Türen des begehbaren Kleiderschranks etwa öffnet sich ein konsequenter Farbraum, in dem von den Wänden über die Regale bis zur Decke alles laubgrün lackiert ist.
Architektonische Visitenkarte
Das Penthouse kommuniziert eine avantgardistische Grandezza, die ebenso in New York oder Shanghai denkbar wäre. Aber: Bruno Spaas hat großen Wert auf die Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker*innen und den Einsatz belgischer Materialien gelegt. Der Terrazzo wurde mit regionalem Naturstein gefertigt, die Wände sind mit Lehm verputzt und der Boden mit Hanffasern gedämmt. Überzeugt hat das unkonventionelle Interior mit seinen ökologischen inneren Werten nicht zuletzt den Architekten selbst. Denn eigentlich hatte Bruno Spaas das Penthouse-Projekt lediglich als Schauraum seiner Designhaltung für sein frisch gegründetes Studio geplant und wollte es verkaufen. Nach der Fertigstellung entschied er sich jedoch um – ein passenderes Zuhause für sich und seine Familie würde er kaum finden.
FOTOGRAFIE Jeroen Verrecht Jeroen Verrecht
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