Die Villa zum Ross
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Der Mensch ist schon ein seltsames Wesen. Immer wieder verbarrikadiert er sich hinter von Satteldächern gekrönten Klinkerfassaden, als hätte die Moderne nie stattgefunden. Umso versierter zeigt sich eine Gruppe von Rennpferden im mexikanischen Cuernavaca. Keine gewöhnlichen Stallungen ließen sich die stolzen Vierbeiner von ihren Herren konstruieren, sondern eine angemessene Unterkunft im Stile einer Frank-Llyod-Wright-Villa.
Pferde sind eine Klasse für sich. Allein der Wirbel um falsch etikettiertes Rindfleisch führt den entscheidenden Unterschied vor Augen: Auch wenn in Ländern wie Frankreich oder Italien noch immer eine Bistecca di Cavallo ganz selbstverständlich auf der Speisekarte zu finden ist, gelten Pferde in weiten Teilen der Welt als heilige Kuh. Dass eine artgerechte Haltung durchaus auch ästhetische Fragen tangieren kann, zeigt ein ungewöhnliches Bauprojekt im mexikanischen Cuernavaca. Dass keines der dortigen Pferde befürchten muss, auf dem Teller zu laden, versteht sich von selbst.
Antike Einflüsse
350.000 Bewohner zählt die „Stadt des ewigen Frühlings“, wie sie Alexander von Humboldt einst nannte. Den Grund für ihr mildes Klima liegt in der luftigen Höhenlage auf 1500 Metern über dem Meeresspiegel, die die Temperaturen im Winter wie Sommer konstant auf 23°C hält. Ideale Bedingungen für den Pferdesport, erkannten die Verantwortlichen und ließen einen zwei Hektar großen Acker in den Reitclub Hípico Del Bosque verwandeln. Dass die damit beauftragten Architekten Lilian Rebello Uribe und Edgar Sa&uactue;l Bahena Cruz aus Cuernavaca selbst eine Leidenschaft für Pferde hegen, sollte sich als glücklicher Zufall erweisen. Mit ihrem Büro Arquitectura Para Todos (Architektur für alle) entwarfen sie einen Pferdestall mit Villenqualitäten.
Wem sie dabei über die Schulter geschaut haben, bedarf angesichts der nur wenige Kilometer entfernten Ruinenstätte Teotihuacán keiner großen Gedankensprünge. Ihr Entwurf ist eine Symbiose aus Architektur und Natur, die ungefähr so aussieht, als hätten Frank Llyod Wright und die Azteken einen gemeinsamen Workshop besucht. Vor allem auf der Seite des Laufstalls ist der Einfluss der antiken Stufenpyramiden offensichtlich. Steinmauern unterteilen den Höhenunterschied zwischen den Ställen und der Reitbahn in vier Ebenen. Bei Wettkämpfen und Veranstaltungen dienen die Stufen zugleich als Tribünen für die Zuschauer. Führte bei den antiken Vorbildern eine mittige Treppe zum oberen Plateau der Pyramiden hinauf, haben Lilian Rebello Uribe und Edgar Sa&uactue;l Bahena Cruz das Prinzip als pferdegerechte Rampe interpretiert.
Rampe zur Dressur
Wie ein Laufsteg führt die Schräge vom Reitplatz zu einem rechteckigen Platz hinauf. Ein langes, schmales Wasserbecken in seiner Mitte dient als Tränke, während die Ställe die beiden Längsseiten des Platzes flankieren. Schutz vor Regen bieten zwei Flachdächer aus Beton, die von stählernen Stützen getragen werden. Das Metall dient zugleich als statischer Ankerpunkt für die Ställe, deren Abtrennungen nicht vollständig bis an die Decke reichen und so für eine natürliche Belüftung sorgen. Die Seiten sowie die Rückseiten der großzügig bemessenen Pferde-Apartments sind gemauert und die Fassade zur Platz ist mit hölzernen Planken verkleidet.
Bei allem Respekt für die Pferde müssen auch die Reiter und Besucher nicht auf die nötige Infrastruktur verzichten. In den beiden hinteren Abschnitten der Ställe befinden sich Lagerräume und Büros, während Bäder, Umkleideräume, eine Cafeteria sowie eine überdachte Terrasse in einem seitlich angeschlossenen Baukörper untergebracht sind. Vorbildlich in puncto Klimabilanz ist nicht nur Einsatz lokaler Baumaterialien. So wird das Regenwasser gesammelt, und biologisch gefiltertes Grauwasser zur Bewässerung der Grünanlagen verwendet. Solarzellen auf den Flachdächern decken einen Teil des Strombedarfs, der angesichts einer vollständigen LED-Beleuchtung ohnehin erfreulich bescheiden ausfällt. Was vor allem den Pferden zugute kommt: Sowohl in den Innenräumen als auch den Ställen wurden ausschließlich erdbasierte Farben verwendet. Etwas anderes hätten sich die anspruchsvollen Vierbeiner wohl auch nicht bieten lassen.
FOTOGRAFIE Luis Gordoa
Luis Gordoa
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