Ein guter Rutsch
Wer wünschte sich das nicht ... während der Arbeitszeit einfach mal eine kleine Rutschpartie genießen? Zugegeben, eine Rutsche ist kurz, aber vielleicht lang genug, um auf eine gute Idee zu kommen? Um sich an der Beschleunigung zu erfreuen, dafür reicht es aber auf jeden Fall. Im Grafikstudio von Mr. Design in Tokio hat die Architektengruppe Schemata um Jo Nagasaka eine so genannte Tunnelrutsche eingebaut – ab geht’s!
190 Quadratmeter sind eine große Fläche im beengten Tokio – und genau diese Großzügigkeit wollten Schemata um jeden Preis bewahren. Den vorhandenen Raum wollten die Architekten nicht mit Wänden zustellen und in einen Zellentrakt verwandeln. Ganz im Gegenteil: Sie versuchten, wo es nur ging, das Büro durch optische Tricks noch zu vergrößern – und das nicht ohne eine Portion Humor.
Alles nur Schein?!
Die Architekten teilten das Büro mithilfe von Regalwänden, von denen keine raumhoch ist, in zwei Bereiche ein: in einen Arbeits- und einen Besprechungsbereich. So werden die weitläufigen Räumlichkeiten optimal genutzt. Und die Architekten konnten auf Trennwände verzichten, die dem Büro seinen loftartigen Charme und Ausblicke in den umliegenden Garten genommen hätten. Die Decke und Wände wurden roh belassen, sämtliche Möbel sind weiß und alle Leitungen und Rohre liegen offen – keine abgehängte Decke stört den Gesatmeindruck.
Um das Gefühl von Weite noch zu steigern, ließen Schemata eine komplette Wand verspiegeln. Dahinter verbergen sich das Lager und die Toiletten. Betritt er das Studio, kann der Besucher so auch den Eindruck einer doppelt so großen Bürofläche bekommen. Ähnlich wie bei einem anderen Projekt von Schemata besteht der Boden wieder aus transparentem Epoxidharz, der über den Rohbauboden gegossen wurde. So bleiben auch hier Spuren des Bauprozesses in Form von Bodenmarkierungen sichtbar, und der Spiegeleffekt lässt den Raum höher erscheinen, als er ist.
Unter der Kuppel
Für den Besprechungsbereich entwickelten die Architekten eine Sonderlösung, um die Meetings vor Lärm zu schützen und trotzdem den offenen Raum zu wahren. Dafür funktionierten sie einen Parabolspiegel mit einem Durchmesser von 3,4 Metern zu einer Schall- und Lichtkuppel um. Ursprünglich konzipiert für das Senden und Empfangen von Signalen hängt die kuppelartige Schale nun unter der Decke und verteilt das von einem integrierten Leuchtmittel kommende Licht gleichmäßig über den langen weißen Tisch. Diese diffuse Abstrahlung hat auch noch einen anderen Vorteil – sie schafft einen fast schattenlosen Raum, der für die farbechte Darstellung von Bildern zwingend notwendig ist: also ein perfekter Ort für Präsentationen.
Für das allgemeine Arbeitslicht entwickelte Schemata eine eigene Licht-Konstruktion: Leuchtstoffröhren wurden an der Länge nach halbierten Aluminiumrohren befestigt. So ließen sie sich in das Gesamtbild von Kabeltrassen und Lüftungsrohren einpassen. Außerdem strahlt das Licht auch hier diffus, was die Arbeitsqualität steigert.
Fliegende Bänke
Mr. Design, auch bekannt unter seinem richtigen Namen Kenjiro Sano, ist unter Kunden berühmt für seinen guten Humor. Und dieser scheint sich auch auf die Gestalter seines Büros übertragen zu haben. Die Sitzmöbel, mit Ausnahme der Alu Chairs von Vitra, wurden alle in kleinen Details verändert. Im Flur steht eine Reihe von vier unterschiedlichen Stuhlmodellen, die über eine gemeinsame Sitzfläche zu einem Objekt gruppiert wurden. Und nicht nur das, schaut man genauer hin, sieht man, dass ihre „Fußspitzen“ zu fehlen und die Bank zu schweben scheinen. Der Architekt Jo Nagasaka hatte die Idee, die Endstücke durch nachgeformte Teile aus transparentem Kunstharz zu ersetzen. Für den Konferenztisch wurde eigens einen Stuhl entworfen, dessen Hinterbeine gekürzt wurden. Das hat einen angenehmen Komfort-, aber auch einen leichten Kipp-Effekt.
Und wenn ein Mitarbeiter doch mal eine kurze Verschnaufpause benötigt, steht ihm noch ein ganz besonderes Highlight zur Verfügung: Im WC- und Lagertrakt wurde eine Tunnelrutsche installiert, deren Startpunkt man nur über eine schiebbare Leiter erreicht, die an der Spiegelwand lehnt. Einfach hinaufklettern und rutschen – das Vergnügen ist zwar ein kurzes, aber es erfrischt ungemein!
FOTOGRAFIE Takumi Ota
Takumi Ota