Eine andere Welt
Japanisches Penthouse am Spittelmarkt in Berlin-Mitte
Am Spittelmarkt in Mitte hat das Architekturbüro Carlo Berlin eine 120 Quadratmeter große Wohnung in einen Ort der Ruhe und Kontemplation verwandelt. Die junge Auftraggeberin hatte sich ein Domizil à la japonaise gewünscht. Die gestalterischen Zutaten: maßgefertigte Tischlereinbauten aus Nussbaumholz, handbemalte Tapeten, eine traditionelle Tee-Ecke und japanische Sommertüren.
Es gibt Menschen, die ziehen um und lassen alles hinter sich. Sie hängen nicht an den Dingen und fangen quasi bei null an. So war es bei einer Mittdreißigerin, die dem Architekturbüro Carlo Berlin eine gestalterische Carte Blanche gab. Nicht nur das Interiordesign betreffend, auch die Auswahl von Möbeln, Leuchten, Tableware und Accessoires überließ sie ganz den Architekt*innen – ein Traum für jeden Gestalter. Die Bausumme betrug großzügige 700.000 Euro, wobei das Budget nach oben nicht gedeckelt war, erzählt Charlotte Wiessner, Gründerin und Eigentümerin des Architekturbüros Carlo Berlin und ergänzt: „Wir hatten deshalb enorm viel Spielraum beim Entwurf.“
Understatement à la japonaise
Die ursprüngliche Raumaufteilung des Penthouse, das sich in einem Neubau aus dem Jahr 2009 befindet, wurde verändert. Also mussten Wände herausgerissen und versetzt werden. Der neue Grundriss ist zweigeteilt: Ein Entree schafft einen öffentlichen Bereich mit Küche, Ess- und Wohnraum sowie eine eher private Zone mit Masterbadezimmer, Schlaf- und Badezimmer sowie Garderobe und Bibliothek. Sobald man das Penthouse betritt, wird man umfangen von japanischem Flair. Und zwar deshalb, weil die Auftraggeberin – eine Übersetzerin für Japanisch – einige Zeit in Japan gelebt und sich ein japanisch angehauchtes Zuhause gewünscht hatte. Und so sind die Wände des Entrees mit einer handbemalten Tapete der Berliner Künstlerin Anna Talens ausgekleidet. Das Motiv: Bäume, die sich zu einem idyllischen Wald gruppieren, der als Ort der Ruhe und Kontemplation in der japanischen Kultur eine besondere Bedeutung hat. Der Flur dient vor allem als Verteilerraum, von dem fünf Türen abgehen, die ebenfalls mit der handbemalten Tapete versehen sind. So wirkt gestalterisch alles aus einem Guss.
Die Natur stand Pate
Im Mittelpunkt des Penthouses steht der Wohnraum mit offener Küche und japanischer Tee-Ecke. Über die gesamte Längsseite verläuft eine mit Outdoor-Möbeln von Moroso ausgestattete Dachterrasse. Durch die bodentiefen Fenster fällt viel Licht ins Innere. Die Küchenmöbel aus Nussbaumholz wurden wie sämtliche Einbaumöbel der Wohnung von einem Tischler maßgefertigt. Aus der Küchenzeile mit Oberschränken erwächst eine gepolsterte Sitzbank, die in Form, Farben und Materialien an die Eleganz der Sechzigerjahre erinnert. Um einen braun gebeizten Esstisch aus Eschenholz von Flexform gruppieren sich Stühle aus Walnussholz von Miyazaki. Von ebenso haptischer wie handwerklich hoher Qualität sind die Glashängeleuchten von Brokis. Ein ausladendes Sofa von Flexform lädt zum Loungen ein und wird ergänzt durch ein halbhohes Buchregal. Der sandfarbene Bezugsstoff reflektiert die zurückhaltende Farbgebung der Wohnung, die in Naturtönen und -materialien gehalten ist. Gestalterisches Highlight des Raumes ist eine japanische Tee-Ecke mit Tatami-Matten, die flankiert wird von der Tischleuchte Youruba Rose von Ingo Maurer, die aus japanischen Papier gefertigt ebenfalls eine Reminiszenz an das Lieblingsland der Bauherrin ist.
Handwerk im Fokus
Die Einbaumöbel aus Nussbaumholz im Wohnraum setzten sich in Form einer Garderobe mit integrierten, antiken japanischen Sommertüren sowie einer raumhohen Regalwand mit Leiter in der Bibliothek fort. Besonders schön sind die alternierenden offenen und geschlossenen Flächen, die Bewegung in das Möbel aus rötlich gebeiztem Nussbaum bringen. Das mit einer grünen Wandbespannung hinterlegte Regal schafft eine subtil-elegante Behaglichkeit. Als Lesesessel fungiert der Lounge Chair CH25 aus geöltem Eichenholz vom dänischen Hersteller Carl Hansen & Son. Im Fokus des privaten Bereichs des Penthouses steht das Schlafzimmer, vor allem wegen der ungewöhnlichen Schrankgestaltung. Eine mit traditionellem Kimonostoff bespannte Leuchte des Architekten und Objektkünstlers Tom Kühne setzt die Türen der Einbaumöbel in Szene. Sie sind mit einer in Perlmutt schimmernden Tapete der englischen Manufaktur de Gournay bezogen, die anschließend mit einem handbemalten Fischmotiv versehen wurden.
Das fast perfekte Projekt
Dass die Wohnung am Spittelmarkt komplett aus Architektenhand stammt, ist nicht zu übersehen. Die Persönlichkeit der Bauherrin kann man nur erahnen, denn weder gibt es charmante Mitbringsel aus dem letzten Urlaub zu sehen oder gar kleine Störenfriede in Form von mehr oder weniger geschmacklosen Erinnerungsstücken, die ansonsten wohl fast jeder hortet. Dass diese gestalterische Perfektion dennoch nicht nüchtern oder gar langweilig wirkt, liegt vor allem am Einsatz hochwertiger und warmer Materialien wie Nussbaumholz und einem Farbkonzept im eleganten Natur-Look. Und daran, dass die Architekt*innen auf die Suche gegangen sind nach individuellen Stücken. So stöberten sie beispielsweise im Kunsthandel alte japanische Papierfächer auf. Ein paar gestalterische Brüche müssen eben doch sein.
FOTOGRAFIE Daniel Schäfer Daniel Schäfer
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