Eine Hütte fürs Handwerk
Transformation eines englischen Stalls von HUTCH Design

Wie eine dezente Landmarke reckt sich der Schornstein über dem hölzernen Dach in die Höhe. Darunter öffnet sich hinter weiten Panoramafenstern ein sandfarbenes Refugium der Ruhe, ausgestattet mit natürlichen Materialien, handwerklich gefertigten Objekten und einigen Klassikern der Designgeschichte. Umgebaut, neu gestaltet und passend ausgestattet wurde die kleine Hütte mit einer Vergangenheit als Stall von Craig Hutchinson, der sich als Londoner nur allzu gut darauf versteht, die Hektik der Stadt hinter sich zu lassen.
Wer England mit niedlich-kauzigen Cottages verbindet, aus deren Schornsteinen der Kamin wattige Rauchwolken bläst und deren Ziegelsteinfassaden von dicken Balken strukturiert werden, der ist in der britischen Countryside schnell enttäuscht. Vom Archetyp des Landhausklischees stehen nur noch wenige Exemplare. Als das Londoner Studio HUTCH Design mit der Gestaltung eines zeitgenössischen Feriendomizils vor den Toren der britischen Hauptstadt beauftragt wurde, entschieden sich die Planer*innen für eine Hommage an den traditionell üblichen Baustil. Typisch für diese ländliche Region sind die sogenannten Tudor-Häuschen, deren schwere Dachvolumen gemütlich auf der gedrungenen Basis ruhen und die mit Reet bedeckt und mit Feuerstellen beheizt dem kalten und windigen britischen Wetter trotzen. Die Hülle ist aus Holz, die Innenwände sind aus Lehm.
Transformation eines Stalls
Für HUTCH Design begann die Arbeit nicht auf der grünen Wiese, sondern in einem ehemaligen Stallgebäude eines aufgegebenen landwirtschaftlichen Betriebs. Der Grundriss des Baus war einfach: Seitliche Fenster ließen Licht in die vier Stallräume, mittig lag der Flur für Bauer und Vieh. Nachdem die inneren Strukturen entfernt worden waren, entschieden sich die Designer*innen dafür, die 70 Quadratmeter so offen wie möglich zu belassen. Nur ein kleiner Raumkubus – in dem die Toilette untergebracht ist – und ein Wandelement aus Sichtbeton – das Dusche, Waschbecken und Kamin aufnimmt – teilen die rechteckige Grundfläche. Gleichzeitig öffnet sich der Raum nach außen. Die zur Landschaft, zur Terrasse und nach Süden weisende Fassadenfläche ist nahezu komplett verglast und über Küche und Dusche ermöglichen ins Dach eingelassene Fenster den Blick zum Himmel.
Leinen, Sand und Holz
Anstatt eines Reetdachs ist die ehemalige Scheune mit Holzlatten aus Lärche belegt und führt damit die Gestaltung der Fassade fort. Die Farben und Materialien des Exterieurs werden auch im Inneren aufgegriffen. Regale, Nischen und geschlossene Stauräume wurden in die Sichtbetonelemente integriert, Wände und Decken in einem Sandton rau verputzt. Die Farben der unterschiedlichen Materialien – wie Fliesen, Holz und Textilien – changieren nur in Nuancen, zeigen sich zwischen erd- und lehmfarben naturnah und sorgen in ihrer Askese für eine durchaus dramatische Raumwirkung. Aufgeteilt ist das Layout in Schlafzimmer und Wohnküche, die ohne trennende Türen ineinanderfließen. Trotzdem gibt es zwischen beiden Bereichen kaum direkte Sichtverbindungen.
Wanne zum Fenster
Die zentral platzierte Betonwand nimmt im Wohnraum den Ofen auf und verkleidet den Schornstein. Zum Schlafzimmer hin funktioniert sie als Versorgungsstrang für das Badezimmer. Rechts und links des Wandmoduls öffnen sich die Räume zueinander. Fensterseitig allerdings ist der Durchgang nicht möglich, denn dort wurde ein markantes Designelement positioniert: Wie ein Pool ist die Badewanne in den Boden eingelassen. Sie ermöglicht einen Panoramablick durch das Fenster in die Landschaft, bietet aber auch freie Sicht auf beide Wohnzonen. Es sind diese kleinen Extravaganzen, die den besonderen Charme des ehemaligen Stalls ausmachen. Die Lichtluken zum Himmel, die wie Tageslicht-Spots Akzente setzen. Das schwebende Regalmodul, das sich neben Kamin und Fenster zwischen Holzstütze und Betonmodul geklemmt hat. Oder das rahmenlos übereck laufende Fenster, das die Leseecke mit der Terrasse verschmelzen lässt.
Hommage an die Heimat
Dass sich Craig Hutchinson, der Gründer von HUTCH Design, nicht nur als Architekt und Interiordesigner, sondern auch als Kurator für besonderes Mobiliar und handwerklich gefertigte Dinge sieht, ist in der Makers Barn getauften Scheune offensichtlich. Viele der Stücke stammen aus den Händen erfahrener Kunsthandwerker*innen oder aus kleinen Werkstätten. Das Drechsler-Duo Barnaby Ash und Dru Plumb fertigte die hölzernen Schüsseln und Gefäße, die schottischen Keramiker*innen Jono Smart und Emily Stephen stellten das Geschirr her. Töpfe und Pfannen kommen aus der Schmiede von Alex Pole in Bridport. Daneben steht Ikonisches, wie der Loop-Stuhl von Willy Guhl für Eternit, das Sofa Camaleonda von Mario Bellini für B&B Italia oder die akrobatisch biegsame Stehleuchte Papiro von Sergio Calatroni für Pallucco. Die organischen Formen, natürlichen Materialien und warmen Farben passen perfekt in das hektikferne Häuschen und die Ausstattung mit einfachen Objekten schafft eine zeitlose, kontemplative Atmosphäre, in der vor allem eines wirkt: die Aussicht.
FOTOGRAFIE Helen Cathcart Helen Cathcart
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