Eine Kulisse für die Kunst
Filmisches Ferienapartment von Studio Hearth in Tasmanien

„Was für ein erstaunlicher und einzigartiger Ort!“, schreibt eine junge Familie in die Rezensionen eines Reiseanbieters. Jedes einzelne, sorgfältig geplante Merkmal dieses Gästeapartments strahle Luxus und Genuss aus. Und so hätten die Urlauber ihre Zeit nur zu gerne darin verbracht, mit einfachen Aktivitäten wie Kochen, Baden und hin und wieder dem Willkommenheißen eines Wallabys im Hinterhof. Tatsächlich schufen die Architektinnen von Studio Hearth mit dem Slow Beam einen unvergesslichen Ferienort, der mit filmreifem Interiordesign zum Schwelgen einlädt. Kunstwerke, Küstenblick und ganz großes Kino inklusive.
Ihr Ansatz beruhe schlichtweg auf einer aufmerksamen Haltung gegenüber Kunden, Briefings und Kontexten, so die Gründerinnen von Studio Hearth in Melbourne, die mit der Architektur und Innenraumgestaltung des Slow Beam beauftragt wurden und offenbar die idealen Fähigkeiten mitbrachten. Während Anna Conrick einen Hintergrund im Interiordesign und ein Faible für Handgemachtes aufweist, steht ihre Kollegin Sarah Trotter für ein besonderes Interesse an kulinarische Themen und Erfahrungen mit der künstlerischen Leitung von Film. Diese Kombination aus Kenntnissen lässt sich auch in diesem Projekt im australischen Hobart erkennen.
Ein Haus für Hobart
Die ehemalige Sträflingskolonie und heutige Hauptstadt von Tasmanien ist nicht nur der Austragungsort der jährlich stattfindenden Sydney-Hobart-Regatta. Auch die Tier- und Pflanzenwelt der im Süden von Australien gelegenen Insel wartet mit besonderen Eigenschaften auf. So befinden sich unweit des Ferienhauses ein Steinbruch, wilde Buschlandschaften und eine fantastische Aussicht auf den Fluss Derwent, dessen Hafen in Hobart angeblich der tiefste natürliche Anlegeplatz der südlichen Erdhalbkugel ist.
„Wir möchten den Besuchern von Hobart ein einzigartiges und luxuriöses Unterkunftserlebnis bieten, das elegantes modernes Design mit seiner rauen Buschumgebung verbindet“, so die Betreiberin und Fotografin Lauren Bamford. Dabei spielten vor allem die Fenster eine wichtige Rolle, denn sie sollten die Sicht gezielt auf einen benachbarten Steinbruch und umliegende Baumkronen lenken. Den gesamten Bau durchzogen die Planerinnen mit vielfältig geschnittenen Glasfronten. Größte Aufmerksamkeit aber bekamen die Aussichten auf die Bucht, die dem Apartment – dank der steilen Hanglage – sogar ein wenig Filmkulissenflair verleihen.
Kosmos der Kontraste
Vollflächige Panoramafenster versprechen dramatische Perspektiven und auch im Inneren der beiden kubischen Wohnbauten wird man immer wieder an alte Filmsets und Theaterkulissen erinnert. „Die Innenräume von Slow Beam boten eine Gelegenheit, mit Blickwinkeln, Form und Farbe zu spielen“, sagen die Planerinnen. Dafür verkleideten sie fast alle Wände mit schwarzem Multiplex. Die vertäfelten Räume, bei denen die Fenster wie Rahmen wirkten, zögen das Auge durch die sorgfältig austarierten Aussichten nach draußen, erklären sie. Und tatsächlich wirken die Fenster auf diese Weise wie große Leinwände.
Aber auch im Inneren sparten Conrick und Trotter nicht mit Effekten. Für großes Kino oder zumindest einen Hauch Exzentrik sorgen vor allem Polstermobiliar und Objekte, die sie wohl austariert platzierten, aber ungewöhnlich kombinierten. Hier treffen pinke, blaue und senfgelbe Loungemöbel wie das Sofa Plumy von Ligne Roset auf expressive Patchwork-Teppiche, samtene Bezüge auf geometrische Muster und farbige Fliesen auf natürlichen Stein. Hinzu kamen experimentell und grafisch geformte Leuchten wie die „Lampe de Marseille“ von Le Corbusier. Damit wählten die Designerinnen eine wohnliche Farb-, Form- und Materialpalette, die in ihrer Opulenz aber durchaus kontrovers oder rebellisch daherkommt.
Black Cube
Als Schmuckkästchen bezeichnen die Planerinnen ihren Entwurf selbst. Tatsächlich begegnen aufmerksamen Besuchern ständig neue kreative Kunstgriffe, allen voran die echten Kunstwerke, die hier verteilt über das gesamte Apartment zu finden sind. Damit schufen Trotter und Conrick eine Architektur, die etwas Künstliches, Überschwängliches, gar Überzeichnendes haben mag. Stilgriffe, wie man sie eben aus dem Film und dem Theater kennt, die das Apartment aber gleichsam in eine gemütliche Höhle verwandeln, in der man – in abgedämpften, abgeschotteten Sphären und eingelullt in tiefem Badewasser, samtenen Kissen und flauschigen Teppichen – entspannt auf das Spektakel der Welt da draußen blicken kann.
FOTOGRAFIE Emily Weaving / Lauren Bamford
Emily Weaving / Lauren Bamford
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