Einschneidende Geste
Umbau des VdK-Büros in Stuttgart von Studio Alexander Fehre

Wer in ein ausgewiesenes Bürogebäude zieht, bekommt meist eine Arbeitsumgebung mit technischer Infrastruktur und gestalterischer Flexibilität. Anders erging es einer Stuttgarter Baugenossenschaft. Seit drei Jahrzehnten arbeitet das Unternehmen im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses und passte sich bisher an das verzweigte Flächenkonzept an. Jetzt hat Studio Alexander Fehre Grundriss und Ästhetik aufgeräumt – und in den Zimmern unterschiedliche Raumaufgaben untergebracht.
Weder die Fassade noch die Haustypologie verraten viel über die Umnutzung des Erdgeschosses. Zwei Stufen führen bei dem Mehrfamilienhaus aus den Fünfzigerjahren zum zurückgesetzten Eingang hinauf, der ganz im Stil seiner Bauzeit von runden Laibungen eingefasst wird. Dort zeigt das Unternehmensschild, dass die Fläche auf Straßenniveau – anders als die oberen Etagen – nicht mehr als Wohnraum dient: Mit der VdK-Baugenossenschaft arbeitet in den zwei ehemaligen Parterrewohnungen ein Unternehmen, das passenderweise Wohnraum baut und verwaltet. Seit den Neunzigerjahren sitzt das Kollegium in diesem Gebäude. Lange hatte man sich mit den verzweigten Räumlichkeiten arrangiert. Dann entschied die VdK, sich rigoros vom Bestandsgrundriss, dem ineffizienten Raumpatchwork und der unübersichtlichen Organisation zu verabschieden. Entsprechend hatten die Auftraggebenden einen klaren Wunsch: Alles sollte schöner und funktionaler werden.
Herzstück Flur
Das Studio Alexander Fehre, ebenfalls in Stuttgart ansässig, übernahm die Planung. Dabei wurden dem Interiordesigner und seinem Team viele Freiheiten gegeben. Fehre entschied sich strukturell für einen rigorosen Neuanfang auf den 280 Quadratmetern. Er entkernte und öffnete die Bausubstanz, soweit es die Statik des Wohnhauses erlaubte. Die tragenden Wände blieben stehen und bestimmten den Status quo, in den das neue Konzept sich einfügen musste. Nach Analyse des kleinräumigen und L-förmigen Layouts entschieden sich die Planer*innen für den Einschub eines diagonal laufenden Flurs, der die Gäste und Kolleg*innen am Eingang empfängt. Er wirkt wie eine räumliche Willkommensgeste und leitet an Rezeption und Sekretariat vorbei in das Herz des Büros.
Kammer zum Blaumachen
Eine konsequent offene Arbeitswelt war mit den baulichen Voraussetzungen nicht möglich. Dafür bekam das zehnköpfige Genossenschaftskollegium – neben den zehn festen Schreibtischen in drei Gemeinschaftsbüros – jede Menge flexible Ausweichorte, die alternativ zum Stammplatz aufgesucht werden können. An die Büros schließt im Flurbereich unmittelbar eine Lounge mit einem monochrom ultramarinblauen Alkoven an, der eine Vorschau auf die weitere Raumgestaltung ist. Das kräftige Blau wurde als Farbcode für Konzentrationsräume eingesetzt und somit auch in dem kleinen Focus Room, einer Raumnische hinter der gebogenen Flurwand, verwendet. Auch andere Bereiche grenzen sich vorwiegend durch Farbe und weniger durch Wände ab. Die sogenannte „Poststraße“ ist durch einen vanillegelben Anstrich und einen passenden Linoleumboden gekennzeichnet und der Essbereich steht auf einer abgesetzten Ellipse in Puderrosa.
Ein Lichtband als Leitsystem
Der Charakter des freigelegten Rohbaus wurde an einigen Stellen bewusst durch die neue Gestaltung weiterformuliert. Ein in Ecru eingefärbter Kammspachtelputz auf den Wänden kontrastiert mit den präzise perforierten, akustisch beruhigenden Deckenpaneelen und den nahezu fugenlos eingepassten Einbauten, den maßgeschneiderten Möbeln und organisch geformten Lichtlösungen. Neben den in die Decke integrierten Spots mäandern auch Lichtbänder durch die Räume, die im Eingangsbereich in Bögen über der Lounge-Insel aus Sesseln, Sofas und Poufs baumeln. Die Leuchte im Alkoven am Eingang hat der Designer Alexander Fehre sogar speziell für ihren Einsatzort entworfen und als Unikat von einem 3D-Drucker produzieren lassen.
Akzente zwischen Pudertönen
Das Farbuniversum der Büroräume setzt vor allem auf sanfte und natürliche Nuancen. Vanilletöne, helles Flieder und Pfirsichrosé wurden mit Grau und Weiß kombiniert. Als Eyecatcher dienen die wenigen kräftigen Farben – wie das Orange eines wandintegrierten Regals, die blauen Rückzugsrefugien oder lila und rote Farbellipsen an den Decken, die die Ventilatoren einfassen. Ganz nach dem Motto „Was Du nicht verstecken kannst, hebe hervor“ werden aus funktionalen Elementen gestalterische Komponenten. Mit dem Umbau hat Alexander Fehre besondere Anforderungen gekonnt gemeistert: Aus zwei Wohnungen mit kleinen Räumen wurde eine Arbeitswelt mit vielschichtigen Angeboten, die funktional und doch gemütlich ist, Konzentration, Interaktion und Zerstreuung bietet und einen Flur zum sozialen Treffpunkt macht.
FOTOGRAFIE Philip Kottlorz Philip Kottlorz
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