Entfesseltes Labyrinth
Umbau eines Bauernhauses von Arquitectura-G in Girona
In der katalanischen Provinz Girona hat das Büro Arquitectura-G einem alten Bauernhaus zu neuem Glanz verholfen. Die dunklen, verwinkelten Räume verbanden die Architekten zu einem lichtdurchfluteten Kontinuum mit atmosphärischer Wirkung.
Alte Mauern stecken voller Überraschungen. Man muss ihnen nur auf die Schliche kommen. Mit Mut und Vorsicht gleichermaßen ging das Büro Arquitectura-G beim Umbau eines alten Bauernhauses in der Empordà ans Werk, dem mit Obstbäumen und Feldern bewachsenen Hinterland der Costa Brava. Über zwei Jahrhunderte hinweg ist der Bau zu einem verschlungenen Labyrinth aus Räumen, Kammern und Gewölben erweitert worden. Ihm mangelte es vor allem an zwei Dingen: Licht und Luft.
Innere Weite
Die Arbeit der Architekten begann genau an dieser Stelle: Sie durchbrachen die alten Mauern, Decken und Dächer, um selbst den verdunkelten Kern des Gebäudes mit Sonnenlicht zu erhellen. „Wir haben hierzu einen existierenden Patio im Erdgeschoss genutzt und im Obergeschoss noch einen zweiten Patio geöffnet, der die öffentlichen Bereiche des Hauses verbindet und über einen Pool verfügt“, erklären Arquitectura-G. Das Büro ist 2006 von den Architekten Jonathan Arnabat, Jordi Ayala-Bril, Igor Urdampilleta und Aitor Fuentes in Barcelona gegründet worden und hat sich bislang mit spannenden Hausumbauten in Spanien einen Namen gemacht.
Lebendige Schatten
Der von alten Mauern umgebene Patio im Obergeschoss bildet den Mittelpunkt des Hauses. Um Weite zu erzeugen, haben die Baumeister zwei getrennte Räume mit einem Durchbruch verbunden. Damit die historische Struktur weiterhin lesbar bleibt, wurde die Zwischenwand nicht vollständig entfernt. Lediglich die unteren zweieinhalb Meter sind abgetragen worden, sodass die Mauer als schwebender Balken erhalten blieb. Für dessen Stabilität sorgen drei Stahlträger mit einem quadratischen Profil von 100 mal 100 Millimetern. Sie definieren zugleich den Übergang vom neu hinzugefügten Schwimmbecken zu dem mit Steinfliesen ausgelegten Innenhof.
Durchlässige Gitter
Seine besondere Wirkung verdankt der Patio einem weiteren Eingriff der Architekten: Sie entfernten das ziegelgedeckte Dach und setzten stattdessen ein grobmaschiges Gitter ein, das zusammen mit sämtlichen Fensterrahmen und Stahlträgern in einem warmen Burgundton gehalten ist. Das Ergebnis ist nicht nur ein spannender Kontrast aus neuer und alter Materialität. Das durchlässige Gitter öffnet den Hof für Licht und Luft und definiert dennoch eine klare Raumgrenze, die nebenbei auch unliebsame Tauben fernhält. Das Gitter zeichnet sich als Raster auf dem Boden, an den Wänden und sogar am mit türkisgrünen Mosaiken ausgekleideten Wasserbecken ab – und verändert seine Position mit dem Stand der Sonne.
Verbindende Elemente
Die warme, rotbraune Farbe der Metallelemente wird in den Innenräumen von glasierten Kacheln aufgegriffen, die in der Küche, in den Bädern und ebenso für Sitzgelegenheiten und Einfassungen der Polstermöbel in den Wohnbereichen Verwendung finden. „Die Kacheln sind der verbindende rote Faden, der die Bewohner in allen Bereichen des Hauses begleitet und einen Kontrast zu den antiken Bodenfliesen aus Terrakotta setzt“, erklären Arquitectura-G. Ein weiteres, verbindendes Element ist die weiße Farbe, in der fast alle Innenwände gestrichen sind. Sie erzeugen einen neutralen, zurückhaltenden Rahmen und unterstützen die Ausbreitung des Lichts im gesamten Haus.
Addition und Subtraktion
Die weiße Farbe bewirkt zudem noch einen weiteren Effekt: Sie akzentuiert die großen Deckengewölbe im Erdgeschoss mit spannenden Schattenverläufen und lädt regelrecht dazu ein, das in sich verschlungene Raum-Labyrinth zu durchwandern. „Die Räume sind als Ganzes miteinander verbunden und doch als unabhängige Einheiten mit eigenen Einbaumöbeln konzipiert“, bringen Arquitectura-G ihren Ansatz auf einen Nenner. Dem Architekten-Quartett aus Barcelona ist damit ein starker, charaktervoller Umbau geglückt, der durch behutsame Addition und Subtraktion zu neuen, räumlichen Qualitäten führt.
FOTOGRAFIE José Hevia
José Hevia