Projekte

Exzentrische Wüstenblume

Joshua Tree House in der Mojave-Wüste von Kendrick Bangs Kellogg

Mit dem Joshua Tree House in der kalifornischen Mojave-Wüste realisierte Architekt Kendrick Bangs Kellogg sein wichtiges Werk: eine exzentrische Villa, die seine Vorliebe für organisch fließenden Formen mit treffsicherer Intuition für den Ort zusammenführt.

von Norman Kietzmann, 18.03.2014

Ein Gespür für Kurven wurde Kendrick Bangs Kellogg bereits in die Wiege gelegt. Der Cousin seines Großvaters war der berühmte Landschaftsarchitekt Frederick Law Olmsted, der den New Yorker Central Park entworfen hatte. Von seiner Vorliebe für organisch fließende Wege ließ sich auch sein jüngerer Verwandter leiten. Der heute 70-jährige Kalifornier hat sich vor allem auf die Planung privater Wohnhäuser spezialisiert, jedoch auch mehrere Restaurants sowie eine Hochzeitskapelle in Japan realisiert. Das Joshua Tree House in der kalifornischen Mojave-Wüste gilt als Kendrick Bangs Kelloggs Meisterwerk, bei dem Landschaft, Architektur und Interieur zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen. Wie bei jedem seiner Bauten darf auch hier die Exzentrik nicht fehlen. 

Organische Exzentrik
Es fällt schwer, den Bau am nordwestlichen Rande des Yoshua Tree-Nationalparks überhaupt zeitlich zu verorten. Immerhin wirkt die Villa so, als hätten Frank Lloyd Wright, John Lautner, Zaha Hadid und die Familie Feuerstein gemeinsam einen Workshop besucht. Dessen Ergebnis ist umso erstaunlicher, als dass die Bauzeit in den Jahren 1988 bis 1993 in die Hochphase postmoderner und dekonstruktivistischer Fantasien fällt. Eine organische Interpretation der kalifornischen Moderne wollte an dieser Stelle so gar nichts ins Raster architektonischer Coolness passen.

Doch Kendrick Bangs Kelloggs ließ sich von der Moderne nicht abbringen, die in seinen Augen ohnehin nie nach der Pfeife des rechten Winkels zu tanzen hatte. Im Gegenteil: Die tragende Strukturen seiner Gebäude lassen an Skelette von Walen oder prähistorischen Reptilien denken – ganz gleich, ob die Konstruktionen aus Holz, Stahl oder Beton geformt wurden. Im Falle des Joshua Tree Houses geht das Organisch-Fließende über eine gestalterische Gesinnung weit hinaus. Indem das Gebäude die Formen der umliegenden Steine und Felsbrocken aufgreift, wurde es treffsicher an seinem Ort verwurzelt. 

Spur der Steine
Den Auftrag für den Bau der Villa erhielt Kendrick Bangs Kelloggs, nachdem er die Bauherren zwei Jahre zuvor getroffen hatte. Die Malerin Beverly Doolittle und ihr Mann Jay ließen ihm bei der Planung auf einem zehn Hektar großen Grundstück freie Hand. „Kendrick sprang wie eine Bergziege über die Felsen und suchte nach den passenden Steinen, um darauf bauen zu können“, gab Beverly Doolittle jüngst der Desert Sun zu Protokoll. Als richtige Stelle entpuppte sich der untere Hangabschnitt eines von losen Felsbrocken übersäten Hügels, der in einen weiteren, vorgelagerten Hügel übergeht. 

Wie die Flügel eines Vogels
Eingekeilt zwischen den beiden Gesteinsformationen, ließ Kendrick Bangs Kelloggs eine zementgeformte Wüstenblume gedeihen. Der Clou seines Entwurfs liegt in der Fragmentierung der äußeren Hülle. Das gesamte Gebäude besteht aus 26 Betonsäulen, die zunächst aufrecht aus dem Boden sprießen und sich in vier bis fünf Metern Höhe wie lange Palmenblätter in die Horizontale neigen. Weder das Dach noch die Wände bilden homogene, in sich geschlossene Flächen. Sie sind aufgefächert in sich gegenseitig überlagernde Lamellen wie die Flügel eines Vogels, durch die der Wind gleitet. Welche Festigkeit die Struktur besitzt, zeigte sich 1992 in der finalen Bauphase, als das Gebäude ein starkes Erdbeben unbeschadet überstand.

Da die Zwischenräume der Lamellen mit Glas verschlossen sind, wird der 431 Quadratmeter große Innenraum vom Licht durchdrungen. Dennoch wird ein direkter Einfall der Sonnenstrahlen bis auf den Boden und damit eine übermäßige Aufhitzung vermieden. Wenn Licht und Schatten an den gebogenen Betonsäulen entlang wandern, scheint das Gebäude regelrecht zu atmen. Es wirkt wie riesiges Tier, dessen Schlund in eine wohnliche Höhle verwandelt wurde. 

Art-déco trifft Feuersteins 
Der Bezug zum Organischen zeigt sich auch bei den Details. Schon das stählerne Eingangstor zum Grundstück sowie die ebenfalls aus Stahl gefertigte Haustür lassen an Knochen und Zähne denken. Das Thema wird auch von den eigens für die Villa angefertigten Möbeln aufgegriffen, die zwischen Feuerstein-Archaik und Art-déco-Glanz changieren. Kendrick Bangs Kelloggs kooperierte dabei mit dem Innenarchitekten John Vugrin, der für die Fertigstellung seiner aus Stahl, Kupfer, Beton und Glas gearbeiteten Möbel noch mehrere weitere Jahre beanspruchte. 

Dass die Bauherren schlussendlich bis zur Jahrtausendwende ausharren mussten, um ihre Villa als Hauptwohnsitz zu beziehen, störte sie nicht. Während sie in einem Haus in der Umgebung wohnten, entstand vor ihren Augen ein Gesamtkunstwerk, das in seiner gestalterischen Konsequenz seinesgleichen sucht. Doch die Perfektion wurde zunehmend zur Last, weil sich das Gebäude an den wechselnden Lebensstil seiner Bewohner nicht anzupassen vermochte. 21 Jahre nach der Fertigstellung des Joshua Tree Houses haben Beverly Doolittle und ihr Mann entschieden, ein wenig kürzer zu treten. Für drei Millionen Dollar steht ihre exzentrische Wüstenblume derzeit zum Verkauf.

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Projektarchitekt

Kendrick Bangs Kellogg

Projekt

Joshua Tree House

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