Galerie mit Wohnfunktion
Daniel Boddam baut in Sydney ein Haus für Kunstsammler

Rein der Form nach würde man Daniel Boddams Projekt in einem eleganten Vorort von Sydney als Doppelhaushälfte bezeichnen. Doch dieser Begriff weckt falsche Assoziationen: Tatsächlich handelt es sich bei der Villa Carlo um ein elegantes Haus unweit des Balmoral Beach, mit dem sich ein Paar in den Fünfzigern den Traum vom Wohnen inmitten seiner Kunstsammlung erfüllte. Und dieser kommt hier – umgeben von hochwertigen Materialien – unbestritten die Hauptrolle zu.
Die Kinder waren ausgeflogen, das Nest leer. Es sollte sich etwas ändern. Und so wandte sich die Bauherrschaft an den Architekten Daniel Boddam, der bereits ein Strandhaus für sie geplant hatte. Das Ziel: auf dem neu gekauften Grundstück im Sydneyer Vorort Mosman ein Haus zu gestalten, das den passenden Rahmen für die Kunstsammlung des Paares bietet. Auf dem Grundstück befand sich eine Doppelhaushälfte aus den Sechzigerjahren. Von ihr blieben lediglich die Grundmauern bestehen.
„Californian Bungalow"
Boddam entwickelte einen Entwurf, der sich in seiner Kubatur sehr deutlich an der angrenzenden Doppelhaushälfte orientiert, die bereits vor knapp 40 Jahren umgebaut worden war. Der Architekt nimmt hier, wie er sagt, auch die Idee des „Californian Bungalow“ auf. Diese Gebäudeform ist in Australien seit rund hundert Jahren populär, insbesondere in den typischen Vororten der Städte. Um einen Dialog mit dem angrenzenden weißen Ziegelbau zu schaffen, setzte Daniel Boddam auf Materialien wie Holz, Beton oder Naturstein. Besonders markant wirkt dabei die gebrannte Weißesche der Fassade im Obergeschoss. Das gleiche Material wählte Boddam für die Einfriedung. Ein Sockel aus hellem Kalkstein schafft einen behutsam ausbalancierten Kontrast.
Zweiteiliges Ensemble
Das neue Ensemble liegt an einem Hang und besteht aus zwei Teilen: Der westliche – höher gelegene – Bereich beherbergt die Garage und damit den alltäglichen Zugang der Bewohner*innen. Darunter liegen zwei Schlafzimmer für Gäste, zum Beispiel die erwachsenen Kinder. Diese Räume erhalten über den Innenhof natürliches Licht. Von der Garage führt eine Treppe nach unten und mündet in einen Gang, der zum Innenhof hin vollständig mit Schiebetüren verglast ist und beide Gebäudeteile verbindet. Er führt zum eigentlichen Wohnbau, der im Osten des Grundstücks liegt.
Europäische Einflüsse
Wer das Haupthaus von der Ostseite betritt, kommt in den Genuss, die repräsentative Eingangstür zu nutzen. Daniel Boddam gestaltete sie mit großer Liebe zum Detail aus gebrannter Weißesche. Konstruiert wurde sie auf Grundlage einer japanischen Fügetechnik. Der Griff aus Messing verweist bereits auf ein wichtiges Material im Inneren des Hauses. Er zitiert mit seiner abgetreppten Formgebung – genauso wie die Türgewände – Carlo Scarpas Entwurf für den Brion-Friedhof nordwestlich von Venedig. Dieser Referenz folgend, nannte Boddam sein Projekt Villa Carlo.
Elegant, reduziert, farbig
Das Motiv der abgetreppten Wangen zeigt sich auch im Interiordesign. Ein Beispiel ist die Kücheninsel. Hier wurden die Seitenteile ebenfalls nach Scarpas Vorbild gearbeitet. Gefertigt sind sie aus Foto-Porzellankeramik, ebenso wie die Arbeitsplatte und die Rückwand der Küchenzeile. Boddam verwendete das Material auf Wunsch der Bauherrschaft und weiß seither die Vorzüge zu schätzen, wie er sagt: „Es fühlt sich an wie Naturstein und ist außerordentlich robust.“ Die Küchenfronten bestehen aus dunklem amerikanischem Nussbaum. Sämtliche Armaturen haben Messingoberflächen. Insgesamt entsteht durch den Dreiklang aus Grau, dunklem Braun und Gold eine warme, elegante Wohnatmosphäre, die sich ähnlich auch in den verschieden gestalteten Badezimmern zeigt.
Messing und Marmor
Für die Möbel- und Leuchtenauswahl zeichnet nicht der Architekt, sondern Inneneinrichter Cameron Kimber verantwortlich. In Kombination mit den klaren Formen der Architektur fügen sich Möbel und Interiordesign zu einem stimmigen Ganzen. Daniel Boddam wählte für die Wände teilweise Grastapeten – im WC nutzte er dafür ein kräftiges Petrol. Im Master-Bedroom wurden die Wände mit einem Marmorino-Putz belegt, der die reduzierte Eleganz des Raums unterstreicht. Einige Waschtische sind individuell aus Carrara-Marmor gefertigt. In den Bädern kontrastieren die Messingarmaturen mit dem ansonsten auf Reduktion ausgerichteten Design.
Treppenhaus als Galerie
Gleiches gelingt mit den Terrazzoböden in den Fluren und auf den Treppen. Auch sie sorgen für einen Effekt von zurückhaltender Opulenz. Und doch: Die Hauptrolle in diesem Haus kommt der Kunst zu. Die Gemälde- und Skulpturensammlung des Paares reicht von der klassischen Moderne bis in die Gegenwart. So wurden vor allem die Sichtbetonwände der Verkehrsflächen zur Kunstgalerie – insbesondere das Treppenhaus und der Verbindungsgang im Erdgeschoss.
FOTOGRAFIE Pablo Veiga
Pablo Veiga
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