Geschlossene Gesellschaft
Statement in Beton: Wohnhaus am Zürichsee von E2A.

Alles andere als gutbürgerlich ist dieser Neubau eines Einfamilienhauses in Stäfa am Zürichsee. Mehr abschottend als offen, zeigen die Brüder Piet und Wim Eckert vom Architekturbüro E2A, wie Unangepasstheit gebaut aussieht. Doch nicht, ohne den Bezug zum Umfeld fein abzustimmen und den Anforderungen an ein Wohnhaus gerecht zu werden.
Mit dem Projekt Hortus Conclusus wirft das Zürcher Architekturbüros E2A Fragen auf. Fragen über das Leben auf dem Land. Über das Umfeld, über Nachbarn, über Architektur: Wie weit darf man gestalterisch gehen? Was ist schlimmer, die Fortführung banalisierter Baukultur oder die bewusste Provokation mittels exzentrischer Sonderlinge? Weshalb baut man überhaupt dort, wo wenig Sinn herrscht für Außergewöhnliches – stattdessen getuschelt wird und tendenziell abgelehnt, was andersartig ist? „Das Haus bleibt eine stille und konzentrierte Erscheinung in der ansonsten aufgeregten, geschwätzigen Umwelt“, beschreiben die Architekten das Projekt und seine Situation.
Verlorene Identität
Tatsächlich ist es kein leichtes Spiel, hier am Rande der Gemeinde Stäfa anspruchsvoll zu bauen. Zürichs Vororte, so die Architekten, hätten entlang der Goldküste, dem wohlhabenden Nordost-Ufer des Zürichsees, ihre Identität verloren. Wo früher landwirtschaftlicher Betrieb das Bild bestimmte, sind seit einigen Jahren wenig ansprechende Wohnhäuser entstanden, „ihre Gärten sind hier nichts mehr als Resträume. Sie sind alles, was bleibt, wenn das Haus gebaut ist.“ Für das Haus einer Familie haben sie deshalb auf ein konsequent anderes Konzept gesetzt.
Familiäre Festung
Das Objekt steht am Hang und ist nach außen durch hohe Mauern und Hecken abgegrenzt. Man sieht eine festungsgleiche Fassade aus Sichtbeton: ein monolithisches Volumen mit strengen horizontalen und vertikalen Linien, ein Flachdach sowie statt vieler kleiner wenige große Panoramafenster – in Richtung des Sees, nach Osten und nach Westen. Wer hier wohnt, will von seiner Umgebung nur das Nötigste wissen, den Seeblick genießen und die Aussicht in die Ferne.
Sorgsam austariert
Und doch ahnt man bald ein Gefühl von Wohnlichkeit, wenn man die sorgsam austarierten Raumverhältnisse im Inneren betrachtet. Neben der Garage befinden sich im Erdgeschoss mehrere Schlafzimmer mit großen Fenstern zum Garten, ein Bad, ein WC und ein Hauswirtschaftsraum. An der Rückseite des Hauses gelangt man ins erste Obergeschoss, wo zentral die Küche liegt, drumherum das Esszimmer und das zweigeschossige Wohnzimmer mit Kamin. Alle Wände sind in grauem Sichtbeton gehalten. Auf der gesamten Front öffnet sich die Etage zu einer großen Terrasse, die den Blick über den See und die Bergzüge schweifen lässt. Im zweiten Obergeschoss befinden sich ein weiterer Schlafbereich, eine Ankleide, ein großes Bad und eine Galerie mit Bibliothek und Bürobereich, die sich oberhalb des Wohnzimmers und mit Aussicht aus dem westlichen Panoramafenster öffnet. Eine kleine Öffnung am oberen Ende der Treppe ist das einzige Fenster in nördlicher Himmelsrichtung – und zugleich ist es die markanteste Störung des sonst glatten Kubus.
Ein Statement für Stäfa
Mit dem Wohnhaus Haus B schaffen Piet und Wim Eckert und ihr Team eher ein Statement als eine gutbürgerliche Wohnsituation – und folgen damit selbstbewusst ihrem eigenen Prinzip, das sie wie folgt beschreiben: „Architektur ist eine kontinuierliche Suche nach dem Ideal und zugleich ein Pfad, eine Bestandsaufnahme der Wirklichkeit.“ Während ihr Ziel sei, beide Bedingungen zum Ausdruck zu bringen, münde dies allzu schnell in Widersprüchen zwischen Ambition, Programm und Ort. „Wunsch und Wirklichkeit bilden eine zunehmend in Konflikt geratende Beziehung. So verfolgen wir Strategien, die nicht an der einfachen Vision eines Zusammenhalts festhalten, sondern Abweichungen und Extreme mit organisatorischer Logik und Klarheit integrieren.“
E2A, die ihren Fokus auf öffentliche und kulturelle Bauten ausgerichtet haben, übernehmen darüber hinaus auch stadtplanerische Aufgaben und zeigen mit diesem Projekt, dass ihre analytische Herangehensweise durchaus auch auf kleinere Formate übertragbar ist – und vielleicht erst dann so richtig zu zwicken und zu stören beginnt.
FOTOGRAFIE Rasmus Norlander
Rasmus Norlander
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