Gläsernes Puzzlestück
Neuer Eingang zwischen alten Mauern: luftiger Erweiterungsbau für die Prager Nationalgalerie.

Gut versteckt, dennoch einfach zu finden: Leise und unauffällig integriert sich die neue Eingangshalle einer Außenstelle der tschechischen Nationalgalerie in das Hofsystem der Palais-Gebäude an der Prager Burg. Eine Stahlkonstruktion überspannt den Innenhof, Glaswände geben den Blick auf die alten Mauern frei. „Zwischen Himmel und Erde“ nennen Mateo Arquitectura aus Barcelona ihren Erweiterungsbau, den sie kürzlich in Prag fertig gestellt haben.
Es war keine einfache Aufgabe, für die zwei bestehenden Gebäude aus verschiedenen Epochen einen passenden gemeinsamen Eingang zu entwerfen. Aus diesem Grund hatte die tschechische Nationalgalerie in Prag für die Gestaltung ihres neuen Entrees 2004 einen internationalen Wettbewerb ausgeschrieben, den das katalanische Büro von Josep Lluís Mateo für sich entscheiden konnte. Sein Konzept: Als versteckter Eingang vermittelt der eingeschossige Neubau wie ein gläsernes Puzzlestück zwischen dem Renaissance-Palais Schwarzenberg (1545–1567) und dem klassizistischen Palais Salm (1800 bis 1811), ohne das Gesamtbild zu stören. Die beiden historischen Prachtbauten sind seit 2002 im Besitz der Nationalgalerie Prag, seit 2008 dienen sie als Ausstellungsort. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten für die gemeinsame Eingangshalle.
„Innen und Außen sind verschiedene Welten – der Eingang ist ein Filter, der sowohl als Schutz, aber auch als Vermittler fungiert“, formuliert Josep Lluís Mateo den paradoxen Anspruch an eine gelungene Eingangsarchitektur. Keine breite Treppe, kein Portal und auch kein Vordach – zur Straßenseite verbirgt sich der Eingang hinter der bestehenden Hofmauer des klassizistischen Palais Salm und dominiert lediglich durch seine zentrale Position das Ensemble an der Prager Burg. „Für mich war die Lösung für das Eingangsproblem der Nationalgalerie offensichtlich“, erinnert sich der Architekt. „Es sollte ein purer Raum zwischen Himmel und Erde werden.“ Dach und Boden des neuen Museumseingangs bilden in dem Zwischenraum der bestehenden Palaisbauten einen fließenden Raum, der kein Objekt sein will, sondern eine Passage zwischen außen und innen.
Die Dachkonstruktion der Eingangshalle ist zwischen den historischen Fassaden eingespannt. Durch diesen direkten Anschluss bleiben sowohl die monumentalen, gelb-beigen Außenwände des Palais Salm sichtbar, als auch die aufwändig gestalteten, mit schwarzen Kratzputz verzierten Wände des Palais Schwarzenberg – ein vorgetäuschtes Natursteinmauerwerk.
„Ein Eingang hat neben seiner funktionalen vor allem auch eine repräsentative und symbolische Rolle“, so der Architekt. „In diesem Fall vermittelt er zwischen den beiden Palaisbauten und zwischen Innen- und Außenraum – also in alle Richtungen und auf mehreren Ebenen.“ Der Pavillon passt sich deshalb der abgestuften Topographie des Geländes an und nimmt diese auf. Innenliegende gegenläufige Rampen dienen als Höhenausgleich; ein Wasserbassin reflektiert das Tageslicht. Auf der Rückseite führen drei schmale Stufen in den Innenhof, der demnächst begrünt und in einen „geheimen Garten“ verwandelt werden soll. Im Inneren ergibt sich eine offene und flexibel nutzbare Halle, die neben ihrer Funktion als Verteiler auch die Museumskasse und Garderobe umfasst.
Fragt man den Architekten nach seinen persönlichen Eingangs-Favoriten, kann er sich schwer festlegen – vor allem die Kirchenportale beindrucken ihn: Den Übergang von einem hellen Außen- in den dunklen Innenraum sieht er als ein Meisterwerk des Lichtinszenierung. Für die Nationalgalerie in Prag hat er dieses Prinzip jedoch nicht übernommen, sondern ein konzeptionelles Pendant entwickelt. Wer vermutet hinter der hohen Mauer schon ein helles luftiges Entree wie dieses?
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