Glück im Unglück
Müssen Kinder in die Klinik, soll die Familie in der Nähe sein: Elternhaus von Keppie Design in Glasgow.
Krankenhausaufenthalte sind unschön, und doch lassen sie sich leider auch für Kinder manchmal nicht vermeiden. Damit das Schicksal nicht noch durch die lange Trennung von den Familien verschlimmert wird, bieten Elternhäuser in direkter Nähe zu den Kliniken Unterkunft für Angehörige. In Glasgow hat die Organisation Ronald McDonald House Charities solch ein Family House für 3,4 Millionen Pfund gestiftet – realisiert vom britischen Architekturbüro Keppie Design.
Wenn man jemandem jeglichen Krankenhausaufenthalt ganz besonders ersparen möchte, dann gewiss den Kleinsten. Kinder gehören nach draußen, in die Schule, unter ihresgleichen, aber nicht in die Klinik – und doch zählten allein deutsche Krankenhäuser im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Operationen mit vollstationärer Behandlung. Das bedeutet nicht selten, weit weg von zu Hause zu sein, die Familie am Tag nur für wenige Stunden zu sehen, während umgekehrt gar nicht alle Eltern täglich anreisen können, um ihrem Nachwuchs Beistand zu leisten. Da Hotels aus finanziellen Gründen als Unterkunft meist ausscheiden, gibt es für einige Kliniken sogenannte Elternhäuser: wie das Ronald McDonald Family House im schottischen Glasgow, das gerade vom örtlichen Büro Keppie Design entworfen und umgesetzt wurde.
In nächster Nähe
Die Unterbringung der Familienangehörigen im Elternhaus ist dank des Wohltätigkeitsprojektes eines Fastfood-Konzerns während des Behandlungsaufenthaltes des Kindes kostenlos. Zum Royal Hospital for Sick Children, das selbst erst in diesem Sommer neu eröffnet wurde, sind dann nur wenige Meter zu Fuß zurückzulegen, sodass man jederzeit bei seinem kleinen Patienten sein kann. Und wenn das Kind nicht zur Bettruhe verpflichtet ist, laden begrünte Anlagen zum Spazierengehen ein. „Wir haben eine Architektur angestrebt, die den schiffartigen Charakter des umgebenden Gebäudekontextes zwar zum Ausdruck bringt, sich aber auch nach den Empfindlichkeiten der Bewohner richtet, die sich nach Komfort und Ruhe sehnen“, so die Architekten. Denn das Elternhaus liegt am Rand eines großen Klinik-Campus und hat dementsprechend wenig Platz für weitläufige Gartenanlagen, in denen man den nötigen Abstand gewinnen könnte.
In schöner Scheune
Der Komplex besteht aus zwei Flügeln: einem zweigeschossigen, der mit seinem langgestreckten Satteldach, einer Scheune ähnlich, aus dem anderen Flügel heraus in Richtung Klinikgelände ragt. Zu beiden Seiten stehen schmale, hohe Fenster mit markanten schwarzen Rahmen aus der weißen Klinkerfassade heraus. Im Obergeschoss schneiden sie in die Dachschräge ein, die selbst durch ihren beinahe bündigen Abschluss mit dem Gebäudevolumen auffällt. Das zweite, flachere Volumen ist parallel zur Straße gelegen und wirkt mit seinen Giebelspitzen fast wie aus mehreren Häusern aneinandergereiht. Ein flaches, begrüntes Verbindungsstück mit tief eingeschnittenen Fensterflächen zwischen weißen Betonsäulen verbindet dabei das eine Ende mit dem Hauptwohnhaus und dem gegenüberliegenden Gemeinschaftsteil des Gebäudes.
Innen wirkt das Haus großzügig und hell. Ganze dreißig Schlafzimmer finden im Ronald McDonald House Platz – alle mit einem eigenen kleinen Bad ausgestattet und manche über eine Durchgangstür für größere Familien miteinander zu verbinden. Der Bauherr sei pragmatisch gewesen, so die Architekten. Der Wunsch war es, öffentliche, private und semiprivate Räume zu schaffen, welche alle auch als Rückzugsorte für die Gäste dienen, und zu versuchen, ein vertrautes Gefühl in einem fremden Umfeld zu vermitteln. Neben Bedacht auf eine hochwertige Ausführung legten Keppie auch Wert auf ein Spiel aus Leichtigkeit und dominanten Details.
Mit den gemütlichen kleinen Zimmern ist Keppie Design der Versuch gelungen, das vorübergehende Übel der Familienangehörigen zum Wohl zu machen. Fast wie daheim wäre vielleicht zu viel gesagt. Doch allein äußerlich erinnert die Backsteinhülle schon an das typisch britische Zuhause. Darüber hinaus stellt das Elternhaus einen bedachten Umgang mit der recht prominenten Straßenecke dar. Da, wo früher flache Klinikgebäude den Campus einläuteten, steht heute ein gelungener urbaner Bau, der äußerlich Ruhe ausstrahlt und innen mit Licht erfüllt ist.
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FOTOGRAFIE Keppie
Keppie
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