Haus ohne Namen
Diskreter, fensterloser Neubau in Mexiko von HW Studio

In seiner Nüchternheit scheint das kubische „Casa sin Nombre“ im mexikanischen Morelia den Eklektizismus seiner Umgebung stilistisch herauszufordern – und ergänzt dieses Umfeld doch gleichzeitig durch seine kontrastreiche Präsenz. Dabei erzählen die strenge Bauweise, die beinahe fensterlose Fassade und die hohen Mauern des Hauses die Geschichte seiner Bewohner*innen, die geprägt ist durch deren religiösen Hintergrund – und einen Einbruch.
Mit dem Haus ohne Namen haben HW Studio Arquitectos in Mexiko ein sehr persönliches Wohnprojekt umgesetzt. Während des Entwurfsprozesses waren die zukünftigen Hausbewohner*innen Opfer eines Einbruchs geworden und wünschten sich daher für ihr neues Zuhause ein größtmögliches Gefühl von Sicherheit – in einem Viertel mit einer stetig steigenden Kriminalitätsrate, das sie jedoch auf keinen Fall verlassen wollten. Gleichzeitig sollte die Architektur ihrer tiefen religiösen Überzeugung Ausdruck geben. Auf die Vielzahl an sakralen und barocken Gegenständen, mit denen sie sich bisher umgeben hatten, wollten sie dabei verzichten. Entstanden ist ein schlichtes Gebäude, das durch Form, Raum und Licht eine optimale Lösung für zwei komplexe Herausforderungen bietet.
Minimalistische (Innen-)Architektur
In seiner kompakten Form strahlt der weiße Kubus eine Klarheit, ja beinahe eine Strenge, aus. Mit den hohen Mauern und der bis auf wenige Öffnungen fensterlosen Fassade wirkt er puristisch und diskret zugleich – und versucht so, den Bewohner*innen das verlorene Schutzgefühl wiederzugeben. In Anlehnung an die Architektur klösterlicher Bauten planten die Architekt*innen das Haus um verschiedene Innenhöfe herum, wobei jedem Hof ein innenliegender Raum zugeordnet ist. Die als Tonnengewölbe ausgeformten Dächer sind ebenso eine Hommage an die Kathedrale von Morelia und die zahlreichen Barockkirchen der Umgebung wie auch an die Wölbungen von Arkadengängen in Klöstern.
Die introspektive Architektur kommt damit einerseits dem Bedürfnis nach Geborgenheit entgegen und schafft andererseits eine sakrale Atmosphäre, die der Religiosität der Bewohner*innen Ausdruck verleiht. Die klare Raumaufteilung und die Innenhöfe mit ihren großen Fensterflächen sorgen für vielfältige Lichtbeziehungen und -reflexe im gesamten Wohnbereich. Das puristische Interieur mit ausgesuchten Möbelstücken, schlichten Einbauten, poliertem Marmorboden und hellen Wohntextilien schafft zusätzlich Klarheit und eine Geradlinigkeit, die ein wenig an die Designästhetik Japans erinnert.
Kontrastreicher Dialog mit der Umgebung
Von Weitem wirkt das Gebäude wie in ein Spinnennetz verwoben: Das in der Gegend übliche Gewirr der Oberleitungen verbindet das nüchterne Bauwerk (ungewollt) mit seiner eklektischen und optisch komplexen Umgebung. In Morelia wurde in den letzten Jahren viel gebaut, ohne dass sich die entstandenen Gebäude einem einheitlichen Stil zuordnen ließen. Jeder baute, wie er wollte.
Mit seiner klaren Silhouette, der kubischen Form und der fensterlosen Fassade steht das puristische Haus in starkem Kontrast zur umliegenden Bebauung. Gleichzeitig symbolisiert die Einfachheit des weißen Kubus Offenheit und könnte damit einen Impuls für zukünftige Veränderungen und die Weiterentwicklung des Quartiers geben – ohne die herrschenden Traditionen durchbrechen zu wollen, sondern vielmehr im Dialog mit diesen. So lässt sich die Casa sin Nombre als eine Einladung zu Kreativität und individueller Gestaltung im Kontext mit der bestehenden Umgebung verstehen. Wünschenswert wäre es.
FOTOGRAFIE Cesar Bejar Cesar Bejar
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