Projekte

Hütte auf Stelzen

Refugium der Architekten Mork-Ulnes in Norwegen

Das Architekturbüro Mork-Ulnes hat eine hölzerne Hütte in den Bergen Norwegens errichtet, die auf Pfeilern über dem Boden schwebt. In den Sommermonaten werden die Bewohner von Schafen und Kühen begrüßt. Im Winter beginnt der Skilauf direkt vor der Haustür.

von Norman Kietzmann, 14.12.2020

Kvitfjell steht im Norwegischen für „Weißer Berg“. Genauso heißt auch das Skigebiet, das anlässlich der Olympischen Winterspiele 1994 im Norden von Lillehammer angelegt wurde. Auf der Spitze eines 1.039 Meter hohen Berges haben Lexie und Casper Mork-Ulnes für sich und ihre beiden Kinder sowie ihren Hund Lupo eine Hütte gebaut. Das Architektenpaar – sie stammt aus Kalifornien, er aus Norwegen – hatte sich vor zwanzig Jahren auf einem Skiausflug kennengelernt. Beide wohnten zu dieser Zeit in San Francisco, wo sie ihr gemeinsames Büro eröffneten. 2011 haben sie dieses nach Oslo transferiert, den Standort am Pazifik aber weiterhin beibehalten.

Platz zum Weiden
Wenn Architekten für sich bauen, geht es immer auch um mehr: ein Ausprobieren von Ideen – und natürlich auch die Definition einer Visitenkarte für die eigene Arbeit. In diesem Fall haben Lexie und Casper Mork-Ulnes die Typologie der norwegischen Blockhütte ins Hier und Jetzt transferiert. Statt in die Topografie einzugreifen, haben sie sich für eine andere Lösung entschieden. Der 144-Quadratmeter-Bau schwebt über dem Boden. 45 Holzpfeiler heben das eingeschossige Volumen in eine Höhe von 1,5 Metern, damit Schafe und Kühe auch weiterhin in der warmen Jahreszeit auf den Wiesen weiden und das Gebäude bei Bedarf als schützenden Unterstand nutzen können. Das Dach ist mit denselben Gräsern bewachsen wie das Grundstück selbst.

Anreise mit dem Skilift 
Die Gebäudeform entspricht einem in die Länge gezogenen Quader, der komplett aus Fichtenholz konstruiert ist. Der Zugang erfolgt über eine Treppe, die vom Erdboden hinauf zu einer Veranda führt, die den Gebäudekorpus als Aussparung durchdringt und so einen überdachten Bereich definiert. Zwei Türen sind hier zu sehen: Die eine führt in den Hauptgebäudeflügel, die gegenüberliegende Tür führt in das deutlich kleinere Gästehaus. Wenn von November bis April hohe Schneeschichten die Landschaft bedecken, können die Hausbewohner direkt die erhöhte Eingangsebene erklimmen. Um Einkäufe zu erledigen, schnallen sie sich auf der Veranda die Ski unter und fahren hinunter ins Tal zum Markt. Der Weg hinauf wird mit dem Skilift absolviert.

Verwandelter Zaun
Eine ungewöhnliche Lösung haben die Architekten bei der Fassade angewendet. Die Holzpfeiler, die das Haus über den Boden anheben, verlaufen außen am Gebäude hinauf bis zum Dach. Die Pfeiler dienen zugleich als Träger für eine vorgelagerte Ebene aus drei Meter langen Pfählen. Diese sind im 45-Grad-Winkel zur Seite geneigt – genau wie die in der Region typischen Viehzäune. Normalerweise erreichen die sogenannten Skigards eine Höhe von lediglich 1,1 Metern. Hier werden sie zu einem vollflächigen Gestaltungselement an allen vier Fassaden. „Wir haben die ländlichen Bauformen analysiert, um zu verstehen, was ihre Formen funktionell bewirken und wie sie die lokale Architekturkultur beeinflusst haben“, beschreibt Casper Mork-Ulnes den Gestaltungsansatz.

Weite Landschaft
Die vorgelagerte Zaunebene fängt die Schneemassen ab, bevor sie die eigentliche Massivholzfassade beziehungsweise die großformatigen, bodentiefen Fenster erreichen. Die Glasflächen öffnen die Innenräume beidseitig nach außen – mit Blick auf die umliegenden Berggipfel und zahlreichen Nadelbäume, die im Winter mit Schnee bedeckt sind. Direkt unterhalb des Hauses führt ein Fluss vorbei. Das Gebäudevolumen ist in vier kleinere Räume unterteilt, die sich wie Perlen auf einer Schnur aneinander reihen. Trønderlån wird diese in die Länge gezogene Bauform in Mittelnorwegen genannt, wo Casper Mork-Ulnes’ Mutter geboren wurde. Eine schmale, mittig platzierte Enfilade verbindet die einzelnen Räume, die jeweils über eine Kegelstumpfdecke – eine Pyramide mit abgeschnittener Spitze – verfügen. Die Unterteilung erhöht die Intimität der Innenräume. Gleichzeitig wirken nicht nur die bodentiefen Fenster einem beengten Raumgefühl entgegen. Die Oberseite jeder Kegelstumpfdecke ist als quadratisches Oberlicht ausgeführt.

Monochrom im Nadelgewand
Sämtliche Böden, Wände und Decken im Haus sind ebenfalls mit Fichtenbrettern verkleidet. „Wir waren zögerlich gegenüber allen sichtbaren Materialien, die kein Holz sind. Die Wände und Böden der Duschen, die Abdeckung der Toilettenspülung, Lüftungsplatten und selbst die Kühlschrankgriffe wurden aus Furu, einer norwegischen Kiefernart gefertigt. Die Sauna ist mit Espenholz ausgekleidet“, sagt Lexie Mork-Ulnes. Auch die Möblierung folgt der monochromen Materialität: Die maßgefertigten Einbauschränke wurden wie die Küche mit freistehender Insel von der Hausherrin entworfen und von der Manufaktur Strønes Snekkerverksted aus Holz gebaut.

Der Esstisch und die Stühle in der Wohnküche sind ebenso vintage wie eine als Beistelltisch genutzte Truhe, ein Wandschrank sowie die großen Bauernbetten. Sie wurden auf Auktionen und einem norwegischen Online-Marktplatz erworben und aufgearbeitet. Skandinavisches Design von heute darf ebenso nicht fehlen. Das in grauem Wollstoff bezogene Sofa Mags Soft stammt von Hay. Die Kissen Agnès von Inga Sempé und Åsmund Bold von Kristine Five Melvær werden vom norwegischen Label Røros Tweed gefertigt. Die Hütte vollzieht keine Reise in die Vergangenheit. Alt und Neu gehen hier am Fuße des Weißen Berges Hand in Hand.

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Projektinfos
Projekt Skigard Hytte
Ort Kvitfjell Resort, Fåvang, Norwegen
Architekten Mork-Ulnes Architects
Projektteam Lexie Mork-Ulnes, Casper Mork-Ulnes, Phi Van Phan, Auste Cijunelyte, Kristina Line, Monica Lepinska
Kunde Lexie und Casper Mork-Ulnes
Wohnfläche 144 Quadratmeter
Grundstücksgröße 2.148 Quadratmeter 
Schreinerarbeiten  Strønes Snekkerverksted
Küchengeräte Gaggenau 
Küchenwaschbecken Franke
Armaturen Hansgrohe, Duravit, Tapwell
Polstermöbel Mags Soft Sofa, Hay
Kissen Agnes und Åsmund Bold, Røros Tweed 
Links

Projektarchitekten

Mork-Ulnes Architects

www.morkulnes.com

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