Im rechten Licht
Sieben Beispiele der Verschattung in der Architektur
Jalousien, Fensterläden oder Vorhänge sind die gängigen Elemente, die vor allem in Europa und Nordamerika als ausreichende Maßnahmen vor Sonneneinstrahlung schützen und die Überhitzung von Räumen verhindern. Neben ausgeklügelten Öffnungsmechanismen können auch perforierte Fassaden, transluzente Verkleidungen oder eine üppige Bepflanzung das Tageslicht ausbremsen und gleichzeitig die Ventilation aufrechterhalten. Sie werden zu einem Teil des visuellen architektonischen Konzepts und erfüllen weitaus mehr als einen rein funktionalen Zweck. Wir zeigen sieben beispielhafte Projekte aus der ganzen Welt.
Unterschiedliche klimatische Bedingungen erfordern unterschiedliche Reaktionen in der Architektur. Das äußert sich meist in cleveren Grundrissen, der Ausrichtung der Bauten und auch in der Wahl der Materialien für die Fassade. Sie schützt die Bewohner*innen vor den äußeren Einflüssen, die vielfältig sind und je nach Wohnort spezielle Anforderungen mit sich bringen. Auch in Mitteleuropa rückt das Thema Verschattung zunehmend in den Fokus. Steigende Durchschnittstemperaturen sowie lange, trockene Sommer geben Anlass, die herkömmlichen Baumethoden und Werkstoffe zu hinterfragen – auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Lokale, klimagerechte Lösungen, die beispielsweise auch mit kürzeren Transportwegen verbunden sind, führen künftig zu einem Umdenken.
Bilgola Beach House, Sydney, Australien, Olson Kundig Architects
Das Strandhaus einer Familie in Sydney erscheint auf den ersten Blick nahezu transparent, denn der Ausblick auf die Natur und das Meer war ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung. Die Planer*innen von Olson Kundig Architects mussten eine Lösung finden, mit der der Bau vor den klimatischen Verhältnissen geschützt wird. Neben extremer Sonneneinstrahlung und starken Winden sind auch Überschwemmungen nicht ungewöhnlich für die Gegend. Das Haus steht auf Betonpfeilern, sodass Sand und Wasser darunter ein- und ausströmen können. Die Verschattung wird durch großflächige Lamellenelemente gewährleistet, die sich auf Wunsch nach oben bewegen lassen, wo sie durch eine Faltung zu Dachvorsprüngen werden. So ist selbst bei maximaler Offenheit des Gebäudes immer noch ein dezenter Sonnenschutz vorhanden, während gleichzeitig die Ventilation gewährleistet ist. Durch einen kleinen Innenhof strömt Tageslicht in den Kern der Strandresidenz. Ein Wasserbecken und Bepflanzungen sorgen zudem für kühlere Temperaturen.
Brighton House, Brighton, Australien, FIGR Architecture
In Brighton, einem Strandvorort von Melbourne, gestaltete das Architekturbüro FIGR ein Wohnhaus neu, das seit den Siebzigerjahren im Besitz der Familie ist. Es galt, bereits existierende Strukturen zu nutzen, um Neues zu schaffen. Sowohl innen als auch außen setzten die Planer*innen auf eine Verkleidung aus einheimischem Hartholz. Die naturbelassenen, mit Wachsölen behandelten Elemente bilden einen Kontrast zu weiß lackierten Holzlamellen in der Fassade. Sie nehmen die Schräge des Daches auf und lassen sich teilweise öffnen und schließen. Dahinter verbirgt sich eine Terrasse, auf der die Bewohner*innen das Sonnenlicht mal willkommen heißen, mal bis auf wenige Lichtstreifen aussperren können.
OE House, Alforja, Spanien, Fake Industries Architectural Agonism + Aixopluc
Die Auftraggeber*innen im ländlich gelegenen, spanischen Ort Alforja wollten zwei Häuser in einem – eine Winter- und eine Sommerresidenz. Das Büro Aixopluc plante mit Hilfe der Organisation Fake Industries Architectural Agonism ein zweistöckiges Gebäude. Im Sommer verbringt die Familie ihre Zeit im Erdgeschoss, in dem eine Stahlkonstruktion den Rahmen für faltbare Kunststoffblenden bildet. Sie können zur Seite geschoben werden, sodass sich der Wohnraum um eine großzügige Terrasse erweitert. Eine schnelle Reaktion auf sich verändernde Wetterverhältnisse sowie das Abschirmen des Sonnenlichts sind jederzeit möglich. Der Rückzug ins Obergeschoss, das ebenfalls mit Küche und Bad ausgestattet ist, erfolgt schließlich im Winter. Dort sorgen Holz und Ziegel für die notwendige Isolierung bei kühleren Temperaturen. Außen angebrachte Jalousien verhüllen bei Bedarf die verglaste Fassade und verhindern ebenso einen Wärmeverlust.
MIA Design Studio Office, Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
Bei der Gestaltung der eigenen Büroräume wollte das vietnamesische MIA Design Studio eine stetige Verbindung zur Außenwelt und vor allem zur Natur herstellen. Der mehrstöckige Innenbereich folgt einem offenen Konzept mit großen Tischen in einem weitläufigen Office, in dem die Architekt*innen ihrer Arbeit nachgehen können. Alle haben jederzeit Zugriff auf eine vertikal angelegte Bibliothek, die mittig alle Geschosse durchdringt, und können sich ohne physische Begrenzungen austauschen. Fensterbänder ziehen sich um das gesamte Gebäude. Die Höhe der Verglasung ist exakt kalkuliert worden, um die Sonneneinstrahlung zu regulieren. Das verhindert, dass die Mitarbeiter*innen vom Licht geblendet werden. Aber dennoch haben sie einen schönen Ausblick auf die Begrünung. Diese rankt sich um das ganze Gebäude und schlängelt sich vom Dach herab. Bambusbäume umgeben zudem das Areal und sind auch in kleinen Innenhöfen zu finden.
House UNO, Mérida, Mexiko, Fábrica Móvil
Im mexikanischen Mérida im Staat Yucatán wechseln sich Regen und hohe Temperaturen das ganze Jahr über ab. Die Luftfeuchtigkeit erreicht bis zu 90 Prozent. Für eine Familie gestaltete das Studio Fábrica Móvil einen Rückzugsort, der direkt auf die Klimabedingungen reagiert. Eine perforierte Struktur aus Betonfertigteilen stellt die Nordfassade dar, die für Sonnen-, aber auch Sichtschutz sorgt. Dahinter befindet sich ein privater Garten, der durch die Öffnungen weiterhin eine ausreichende Ventilation erhält. Mit Holz, Stahl, Kalkfarbe und dem traditionellen mexikanischen Putz Chukum wurde die Materialpalette einfach gehalten. Oberlichter, Aussparungen in der Wand und kleinformatige Fenster sorgen für natürliche Beleuchtung und beugen gleichzeitig einem Temperaturanstieg in den Innenräumen vor. Hohe Decken ermöglichen eine bessere Luftzirkulation.
Apple Dubai Mall, Foster + Partners
Das Büro Foster + Partners wollte mit dem Entwurf für Apple in Dubai mit der typischen Verschlossenheit einer Shoppingmall brechen. Inspiriert von den sogenannten Maschrabiyya, dekorativen Holzgittern aus der traditionellen islamischen Architektur, entwickelten die Architekt*innen „solare Flügel“, die einen abgerundeten Teil der Fassade säumen. Ein dichtes Netz von dünnen, leichten Rohren aus Kohlenstofffasern bildet die einzelnen, elf Meter hohen und drei Meter breiten Elemente, die sich öffnen und schließen lassen. Die Bewegung, die etwa eine Minute dauert, bezeichnet das Team als ein „graziles Ballett“. Vor der Herstellung wurde eine Studie über die Sonneneinstrahlung durchgeführt. An Stellen, an denen sie besonders stark ist, ist das Gebilde aus den Kohlenstoffrohren besonders dicht, an anderen wiederum durchlässiger. Im Innenraum bildet sich ein Spiel aus Licht und Schatten. Es ist eine Verschmelzung von „Technologie und Kultur“, sagt Stefan Behling, Leiter des Studios.
Brick Cave, Hanoi, Vietnam, H&P Architects
Das Wohngebäude von H&P Architects fällt bereits durch seine Materialität enorm auf, da in der vietnamesischen Hauptstadt die Wahl häufiger auf Beton als auf Ziegel fällt. Aber auch die Form des Hauses – mit mehreren Schrägen – und die Lochstrukturen in der Fassade sind außergewöhnlich. In der Gebäudehülle wechseln sich locker und solide gemauerte Ziegel mit rautenförmigen Metallgittern ab. Hinter dieser Schicht befindet sich ein Innenhof mit Pflanzen. Eine zweite Ziegelmauer umschließt die privaten Räume. Die doppelte Wandhülle erfüllt mehrere Funktionen: Sie schafft eine natürliche Ventilation der Räume und schützt als schattige Pufferzone die Bewohner*innen vor direkter Sonneneinstrahlung sowie Lärm und Staub. Außerdem bietet sie einen halbprivaten Übergangsbereich zwischen innen und außen.