Kogans Naturskulptur
Welcome to the jungle: Ein brasilianisches Feriendomizil aus gestapelten Beton- und Holzkisten macht die Natur zum Hauptakteur seiner Inszenierung.
Ein Feriendomizil, das aus übereinander gestapelten Beton- und Holzklötzen besteht, die sich inmitten des tropischen Dschungels auf einer Insel südlich der Metropole São Paulo auftürmen: Für ein solches Projekt kommen nur der brasilianische Architekt Marcio Kogan und sein Büro MK27 in Frage. Sie haben sich in den letzten Jahren einen Ruf als Spezialisten für exklusive Wohnskulpturen gemacht, die der Brasilianischen Moderne neues Leben einhauchen.
Der Ort Guarujá liegt auf der Insel Santo Amaro. Die Region dient den wohlhabenderen Großstädtern als Kur- und Ferienort und bietet eine einmalige landschaftliche Komposition aus Stränden, Bergen und Regenwald: Inmitten dieser Naturgewalt steht das Jungle House.
Durchstoßener Beton
Dem Haus nähert sich der Besucher von der Küste aus und damit von unten: Eine schmale Straße schlängelt sich durch den Regenwald, der sich abrupt auftut und die kubische Gebäudekonstruktion offenbart. Das Hauptvolumen schwebt auf Betonstützen ruhend über einer kleineren Holzkiste, die Nebenräume und Spielzimmer für die Kinder des Hauses beherbergen. Der Rest der ebenerdigen Gebäudefläche besteht aus einem leicht angehobenen Holzdeck, das nach hinten von einer Mauer aus Findlingen begrenzt wird. Hier können nicht nur Gäste empfangen werden: Der Platz eignet sich auch für Feste und als sicherer Spielplatz für Kinder. Von hier aus führt eine Stahltreppe hinauf in das Wohngeschoss, die auf ihrem Weg nach oben dessen Betonkörper durchstößt und in einem holzverkleideten Eingangsbereich endet. Die minimalistische Materialwahl ist typisch für das Vorgehen Marcio Kogans, der es wie kaum ein anderer Architekt versteht, die Brasilianische Moderne in seinen Projekten weiterzudenken. Gekrönt wird das Aufsteigen von einer über den Treppenstufen schwebenden Lampeninstallation des Künstlers Olafur Eliasson, deren Lichtspiel dem rauen Beton Lebendigkeit einhaucht.
Realityshow Dschungel
Im Wohngeschoss, dem unteren Teil des zwischen den Bäumen schwebenden Hauptvolumens, befinden sich sechs Schlafzimmer, von denen fünf über schmale Verandas samt eigener Hängematte verfügen. Die Etage verschließt sich der Natur gegenüber mit aufklappbaren Fensterflügeln und bietet den Ruhe suchenden Gästen Schutz vor der starken Sonne und dem kräfteraubenden Klima. Als einziger gemeinschaftlicher Aufenthaltsbereich in dem Geschoss dient der Fernsehraum, dessen eigentliche Leinwand ein großformatiges Schiebefenster ist: Hier findet die 24 Stunden-Realityshow des Dschungels statt.
Die vertikale Organisation des Jungle House findet im zweiten Obergeschoss seinen krönenden Abschluss: Hier liegen Wohnzimmer, Küche, Sauna und Swimmingpool, eingewickelt von den Wipfeln der umliegenden Bäume und mit grandiosem Blick auf die nahe liegende Küste. Auch da inszeniert Kogan, in Zusammenarbeit mit Samanta Cafardo und der Interiordesignerin Diana Radomysler, geschickt und mit minimalen architektonischen Gesten die Natur. Das zu drei Seiten offene Wohnzimmer liegt eine Stufe unterhalb des außen liegenden Holzdecks der Terrasse: Macht man es sich auf Patricia Urquiolas Sofa Tufty Time gemütlich, verschwindet der umliegende Boden, und die Natur wird zur dreidimensionalen Tapete.
Herr der Lage
Als letzte Reminiszenz an die Landschaft richtete Kogan Sauna und Whirlpool zum Berg und damit dem dichten Dschungel aus, während er den Pool und eine Feuerstelle zur nahe liegenden Küsten hin orientierte. Auch das Schwimmbecken erhöhte er leicht: So wirkt es wie eine Fortsetzung des Horizonts, an dem sich der nicht allzu ferne atlantische Ozean tummelt. Mit dem Jungle House hat es MK27 wieder einmal geschafft, den Balanceakt der Infiltrierung der Natur durch Architektur in einer gebauten Wohnskulptur sichtbar zu machen: Auf der einen Seite scheint das Gebäude dank seines Volumens und seiner Materialität Herr der Lage zu sein, auf der anderen Seite lässt Kogan der Natur genügend Raum, sich die Kontrolle jederzeit zurückzuerobern.
FOTOGRAFIE Fernando Guerra
Fernando Guerra