Kokon in Collage
Alles nur geklaut: Ein Generationen-Wohnhaus in Mumbai, das großteils aus recycelten Materialien errichtet wurde.

Dutzende Fenster, Türen und jede Menge Geschichte: Dieses Wohnhaus im indischen Mumbai ist eine vierdimensionale Collage, die in sich recycelte Materialien früher Siedlungsbauten der Stadt und damit auch deren Vergangenheit vereint. Doch geht es nicht nur um die Bewahrung der Historie – das Haus und seine Entstehungsgeschichte handeln auch von Einfallsreichtum, der Anpassungsfähigkeit und der Bedürfnislosigkeit seiner Bewohner.
Nicht nur das Haus ist ein Sammelsurium der Geschichte, auch seine Bewohnerschaft: Vier Generationen einer Familie leben in dem Gebäude, das das Architekturbüro S+PS in die Hügel Mumbais hineingeplant hat.
Gerahmte Collage
In Mumbai die Vergangenheit zu ignorieren, ist ein schweres Unterfangen: An jeder Ecke findet man Bauten aus den unterschiedlichen Epochen von Indiens größter Stadt, deren Historie weit zurückreicht. Die Architektur Mumbais ist geprägt durch das Improvisationstalent und die Bescheidenheit seiner Bewohner, die ihre Häuser oftmals in Eigenregie errichten mussten. Das Collage House von S+PS knüpft an diese Tradition an und wurde zu großen Teilen aus gefundenen oder recycelten Materialien errichtet. Den Anfang macht die Front des Hauses, die, gerahmt von einer Beton-Stein-Konstruktion, aus einer Vielzahl alter Fenster und Türen besteht. Da die Architekten das eigentliche Wohnhaus um eine Etagenhöhe anhoben, schwebt die Collage nun gut sichtbar über der Straße. Ergänzt wird die Fassade noch von transluzenten Fensterbändern, die sich zurückhaltend um die recycelten Oberflächen legen.
Kostbare Ruhe
Um das Innenleben vor der Außenwelt zu schützen, kehrt sich das Gebäude fast vollständig nach innen: Im Zentrum des Hauses befindet sich ein Hof, der wie der gesamte Wohnbereich um ein Level erhöht wurde und über eine große offene Treppe von der Vorderseite des Gebäudes aus erreichbar ist. Durch seine Abgeschlossenheit vermittelt das Ruhe und Schutz – etwas Kostbares in einer turbulenten Metropole wie dieser. Alle Zimmer des Hauses sind konsequenterweise zum Hof hin ausgerichtet, in dem auch der Garten und der Swimmingpool liegen. Zu einer, der an ein anderes Grundstück grenzenden Seite, installierten die Architekten eine gigantische Wand aus Plastikrohren – selbstverständlich recycelt. Durch unterschiedliche Durchmesser und ihre grünblaue Farbe erinnern sie als Gesamtbild an eine Wand aus Bambusstangen. Doch steckt hinter der Installation auch eine wichtige Funktion: Hier verlaufen sämtliche Leitungen und die Regenentwässerung, die im unter dem Garten verborgenen Tank endet.
Vier Generationen
Die vordere Fassade zeichnet sich auch im Inneren des Wohnbereichs ab, welcher sich im vorderen Flügel des Hauses befindet. Durch die eingefärbten Fensterscheiben der historischen Bauelemente und deren hölzerne Ornamentik bespielt die Wand den Innenraum und lässt den Blick nicht von sich los: Zu viel gibt es hier zu entdecken. Die restlichen Materialien sind – typisch für die Region – kühle Oberflächen wie Marmor und Fliesen, die zum Teil ebenfalls aus anderen Häusern stammen. Doch kontrastieren die Architekten die historischen Werkstoffe immer wieder mit modernen Objekten und erzeugen so eine spannende Balance aus alt und neu, traditionell und zeitgenössisch sowie unbehandelten und fertig bearbeiteten Oberflächen. Ein spannendes Umfeld für eine Familie, die für die westliche Welt ungewohnte vier Generationen umfasst.
FOTOGRAFIE Sebastian Zachariah, Ira Gosalia, Pinkish Shah
Sebastian Zachariah, Ira Gosalia, Pinkish Shah
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