Kreative Raumreise
Cineastisch inspirierter Co-Working-Space von Masquespacio
Das Interieur wirkt auf den Besucher so, als würde er direkt in eine digitale Simulation laufen. Die neuen Co-Working-Räume namens Cabinette im spanischen Valencia setzen auf homogene Farbflächen und konsequente Details. Gestaltet wurde die leicht übersteuerte Inszenierung vom ortsansässigen Studio Masquespacio, das für ein ins Surreale gleitendes Erlebnis sorgt.
Die unwirkliche Atmosphäre des Gemeinschaftsbüros bezieht ihre Inspiration aus der Filmgeschichte. Der Entwurf der Designer ist eine Hommage an Jacques Tatis Film Playtime, eine Komödie über die modernen Zeiten – wie man sie im Jahre 1967 sah: In massiven Architekturkathedralen sitzen graue Beamte in zweckmäßigen Kisten und erleben einen Alltag, der von Bürokratie bestimmt ist. Der funktionale Blick auf die Welt und die menschliche Gesellschaft erinnert an Michael Ende und Franz Kafka, die ästhetische Konsequenz an die Raumwelten eines Wes Anderson.
Masquespacios Interieur zwinkert mit all seinen retrofuturistischen Elementen den Sechzigern zu und entlehnt dem hyperrationalen Büroapparat Tatis die Idee individueller Arbeitskuben. Die sogenannten „Cabinettes“ geben den neuen Co-Working-Räumen auch ihren Namen. Im Film werden sie zum Labyrinth, in dem sich der Protagonist verirrt, bis er sich in einer künstlerischen Installation wiederfindet. Im Interieur des heutigen Cabinette-Co-Working-Space ist die Kunst ebenfalls Teil des Interieurs, wenn auch in Gestalt vordergründig dekorativer Elemente. Auf Keilrahmen gespannte Muster und Grafiken gehen auf das jeweilige Farbuniversum der umgebenden Fläche ein und wechseln sich mit rechteckigen Lichtinstallationen ab. Am Ende wird die Wand selbst zum stimmigen Gesamtkunstwerk, in dem das einzelne Element sich der Inszenierung unterordnet.
Exotik und Samt hinter dem Silbervorhang
Das Büro könnte tatsächlich auch ein Filmset sein. Allerdings würde man hier eher die Kommandozentrale des Raumschiffes aus 2001: Odyssee im Weltraum verorten. Kühle Elemente, wie silberne Vorhänge, Stahlrohre, spiegelnde Decken und gleißende Neonröhren, treffen auf avantgardistisches Mobiliar, monochrome Farbwelten und Akzente mit skurriler Exotik. Diese Art der Extravaganz ist typisch für Masquespacio.
Wer mit den Arbeiten von Christophe Penasse und Ana Milena Hernández Palacios vertraut ist, wird ihren mutigen und konsequenten Umgang mit Farbe ebenso wiedererkennen wie ein paar alte Bekannte, die hier anzutreffen sind. Denn viele der eingesetzten Möbel und Wohnaccessoires stammen aus der Kollektion, die die beiden für und in Zusammenarbeit mit dem Label Houtique entworfen haben. Die Objekte der Kollaboration sind – wie die Interieurprojekte – lieber individuell als gefällig. Die Houtique-Leuchten tragen fransige Wimpern zur Glaskugel, die Stühle tanzen Charleston im Kordelrock und kleiden sich in Samt, Metall und Leder.
200 Quadratmeter zwischen skurril und fantastisch
Mit dem expressiven Ausdruck wollen die Initiatoren vor allem Kreative und Künstler ansprechen, die in einer inspirierenden Umgebung auf neue Gedanken kommen sollen. „Unsere Zusammenarbeit hier folgt einer klaren Philosophie: Stereotypen und Klischees sind nicht erlaubt“, sagen die Gründer des Co-Working-Space. Den Gästen oder Mietern werden auf 200 Quadratmetern drei Konferenzräume, eine Terrasse, Küche und Telefonkabinen geboten. Sie können die Räume für einzelne Events mieten, befristet nutzen oder langfristig Mitglied werden. Und weil das Interieur mit jeder Klischeevorstellung von einer Arbeitsumgebung bricht, wird es durch seine besondere Ästhetik zu einem Magneten. Es zieht diejenigen an, die auch beruflich mit Konventionen und Traditionen brechen, um innovative Ideen zu haben. Masquespacio setzt also auf Exzentrik als Kreativ-Booster: „Wir stellen das Übliche infrage, um die Co-Worker zum Nachdenken anzuregen: Was finden wir in unserem Leben normal?“ Und für manche lautet die Antwort hierauf eben: einen aquamarinblauen Farbanstrich, galaktische Glitzervorhänge und eine Lichtinszenierung mit Dan Flavin-Qualitäten.
FOTOGRAFIE Luis Beltran Luis Beltran