Kreative unter Palmen
Ein Inkubator in Barcelona von Arquitectura-G
Barcelona ist das Urgestein unter den Designmetropolen. Mit dem Acid House wurde zuletzt eine Anlaufstelle für die lokale Kreativszene gegründet, die als Bindeglied zwischen Kultur und Wirtschaft Potenziale bündeln soll. So offen wie die Funktion ist auch die Gestaltung des Interieurs: Die strahlend weißen Wände und Möbel werden zur Bühne für ein paar rollende Treppen, direkt aus der Architektur emporwachsende Palmen – und für die Nutzer*innen zwischen Wirtschaft, Bildung und Designstudio.
Poblenou ist der Spielplatz von Barcelonas Kreativen. Das Viertel wird entsprechend als Innovationsdistrikt bezeichnet oder kurz @22 genannt. Im Norden reckt sich keck Jean Nouvels silberner Tornado Torre Agbar in den Himmel, im Süden münden die Ramblas ins blaue Meer. Dazwischen liegt das Acid House. Unschuldig in Weiß gekleidet, aber mit einer aufrührerischen Agenda. Das Acid House soll ein kulturelles und kreatives Zentrum werden, das als Pionier-Institut zwischen den kreativen Disziplinen forscht und arbeitet. Die Idee und Initiative kommt von Folch Studio, einer ebenfalls in Barcelona ansässigen Strategie- und Designagentur. Mit an Bord geholt haben die Kommunikationsexperten Branchengrößen wie Adidas Originals, die Design-Universität Elisava, Nomad Coffee, das Offf (International Festival for the Post-Digital Creation Culture) und Vice Media. Kurz: ein kongeniales Team aus den Bereichen Wirtschaft, Kunst, Design, Technologie und Bildung.
Geschichte unterm Farbanstrich
Mit seiner monochromen Erscheinung wird das Gebäude zur Bühne für die verschiedenen Funktionen. Dabei haben sich die neuen Mieter im alten Bestand eingenistet. Im Transformationsprozess wurde die Geschichte erhalten, indem Materialien, Oberflächen und Texturen unangefasst bestehen blieben. Ästhetisch zusammengeführt wurden sie durch einen homogenen Farbanstrich, der die Räume jetzt wie ein weißer Filter überlagert: In den einheitlichen Weiten aus Mauerwerk, Putz und tragenden Strukturen lösen sich die Raumgrenzen auf. Die Möbel als funktionsgebende Elemente ordnen sich gleichfalls dem Thema unter. Sie halten sich an den Farbkodex und lassen sich als flexible Module auf rollenden Füßen schnell verrücken. Durch die Konsequenz des Weißraumes und die aufs Notwendigste limitierten Einbauten entsteht eine fast ätherische Atmosphäre, eine Metaebene des Temporären.
Ein wenig Grün in viel Weiß
Entworfen wurde das Kreativzentrum vom Büro Arquitectura-G, das 2015 mit dem Mies Van Der Rohe Award ausgezeichnet wurden. Dem lokalen Architekturbüro ist die minimalinvasive Planung zu verdanken, die selbst auf den Einbau einiger Treppenmodule verzichtet und dadurch für eine fast spielerische Raumnutzung sorgt. Um aus dem Großraumbüro auf Straßenlevel in die eine halbe Etage höher liegenden Waschräume zu kommen, setzen die Gestalter auf eine vom Flughafen vertraute Methode. Rollbare Podesttreppen werden bei Bedarf an die unter der Decke in der Wand schwebenden Türen geschoben. Ansonsten wandern sie auf Rädern durch den Raum und dienen als Sitzplateaus und Regale. Sie übernehmen die Aufgabe einer Schranke zwischen öffentlich und privat, zwischen den von der Stadt einsehbaren Arealen mit Cafeteria und Open Space und den im rückwärtigen Bereich liegenden Bädern und Büros. Die Pflanzen, die Lebendigkeit und Farbtupfer in die Räume tragen, werden zur Indoor-Hecke. Sie grenzen verschiedene Funktionsbereiche voneinander ab, indem sie beispielsweise Gruppenkonferenzen von einzelnen Schreibtischen trennen und visuell und akustisch beruhigen.
Inkubator in Reinweiß
500 Quadratmeter bietet das Acid House seinen Nutzern – und der Öffentlichkeit. Das Haus wurde in vier Bereiche unterteilt: einen auf Bildung ausgerichteten Raum, einen Konferenzbereich, einen Ausstellungsraum für Marken und eine Galerie mit Cafeteria. Die Universität wird hier Kurse stattfinden lassen, Workshops und Seminare bringen die ansässigen Kreativen zusammen und die neutrale Industriefläche wird zur temporären Galerie. Das Acid House versteht sich damit als eine ultralokale Gemeinschaft für Kreativkultur. Als solche vernetzt es die Nachbarschaft von Poblenou und die kreativen Professionen Barcelonas, die akademischen Programme mit der praktischen Wirtschaft, digitale Leistungen und reale Veranstaltungen. Eine Synergie von Theorie und Praxis, Bildung und Unternehmertum – die auch von kreativen Epizentren in anderen Designmetropolen adaptiert werden könnte.
FOTOGRAFIE José Hevia
José Hevia