Kreativität in Zeiten der Krise
Altbau-Apartment mit Mondrian-Appeal von Modektura in Kiew

Ein Umbau unter besonderen Umständen: Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine begann das Architekturbüro Modektura mit der Renovierung eines Altbau-Apartments mitten in Kiew. Während die äußeren Bedingungen das Team vor Herausforderungen stellten, schuf Modektura im Inneren des Hauses eine Oase der Ruhe und einen Ort, der zeigt, wie wichtig Kreativität ist.
Einen Wohnungsumbau mitten in Kiew würde man in Zeiten des Krieges kaum vermuten. Und doch fasste Maksym Dietkovskyi, Gründer des Architektur- und Interiordesign-Studios Modektura, den Beschluss, genau dies zu tun – allen Schwierigkeiten zum Trotz.
Stuck, Marmor und ein schiefer Fußboden
Renoviert werden sollte ein 83 Quadratmeter großes Apartment in einem Wohngebäude aus dem Jahr 1900, das sich durch seine klassische Architektur mit hohen Decken auszeichnete. Das Gebäude befindet sich in der Nähe mehrerer kultureller und architektonischer Sehenswürdigkeiten wie der Nationaloper und dem Nationalmuseum der Naturwissenschaften. Eine eindrucksvolle Umgebung also, die zum Altbau-Charme der Wohnung passt.
Bei Renovierungsbeginn fand Dietkovskyi viele stilistisch spannende Elemente im Apartment vor: Stuckleisten an den Decken und einen historischen Marmorkamin. Leider jedoch auch einen krummen Fußboden, frei liegende Versorgungsleitungen und unregelmäßige Wandnischen. Dietkovskyi brachte Ruhe in die Wohnung, ließ die alten Fenster mit Metallrahmen verstärken und den Bodenbelag erneuern. Nun grenzt dunkles Fischgrätparkett an moderne Terrazzoflächen.
Von Edelstahl bis Eiche
Ein kleines Experiment ist der Architekt dabei ebenfalls eingegangen: „Wir haben in den Terrazzoboden Sand eingearbeitet. Auch beim Mineralputz an den Wänden haben wir Marmorsplitter hinzugefügt, um die Textur und den visuellen Reiz zu verbessern“, erklärt Dietkovskyi. Dazu kombinierte er andere haptisch starke Materialien wie Eiche, Marmor und Edelstahl und gab dem Apartment so einen spannenden, modernen Look.
Herzstück der Wohnung ist der lange Flur, den Dietkovskyi liebevoll als „Hauptschlagader“ bezeichnet und der durch seine zahlreichen Fenster viel Licht in die Räume lässt. Die sich wiederholenden Rundbögen hat der Architekt optisch in weiteren runden Elementen aufgegriffen, wie einem großen Spiegel, der im Eingang an der Wand hängt. Die Rundbögen selbst wurden mit dekorativen Leisten und einem Holzrahmen auf der Innenseite ausgestattet.
Midcentury-Möbel und eine Hommage an Mondrian
Bei der Wahl der Möbel konzentrierte sich der Designer auf Klassiker aus den Dreißiger- bis Siebzigerjahren. Vintage-Stühle von Cassina, Leuchten von Louis Poulsen, Flos und Vibia sowie Möbel von Porro und B&B Italia sorgen für Retro-Atmosphäre. Dazu kombinierte er moderne Skulpturen von Dmytro Hrek und ein Diptychon von Rostyslav Zavhorodniy. Beide Künstler stammen aus der Ukraine.
Inspirierend ist auch das bunte Highlight der Wohnung: eine geriffelte Glaswand mit bunten Rechtecken in Rot, Gelb und Blau, die an die Werke von Piet Mondrian erinnern. Vielleicht ist sie nicht nur ein gestalterisches Element, um Bett und Kleiderschrank zu trennen, sondern für die Bewohner*innen auch ein steter Hoffnungsschimmer. Maksym Dietkovskyi formuliert es so: „Trotz unvorhergesehener Herausforderungen und häufiger Stromausfälle während der Bauarbeiten haben wir das Projekt erfolgreich durchgeführt. Es unterstreicht die zeitlose Relevanz von Design und Kreativität.“
FOTOGRAFIE Yevhenii Avramenko Yevhenii Avramenko
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