Ländlicher Zufluchtsort
Umbau eines Hausensembles von Atelier 111 in Tschechien

In einem verschlafenen, kleinen Städtchen in Südböhmen verwandelten die Gründer*innen von Atelier 111 vier teils verfallene Gebäude in ein großzügiges, sehr individuelles Wohnhaus – als Gegenentwurf zu generischen Vorstadtvillen. Dabei legte das Architektenpaar den Fokus auf den Erhalt der ursprünglichen Bausubstanz und kleidete die Innenräume mit Fichte und Eiche aus
In Trhové Sviny, im Süden Tschechiens, leben gerade einmal 5.300 Einwohner. Die größten Städte des Landes – Prag, Brünn und Pilsen – sind mindestens 150 Kilometer entfernt. Die Abgeschiedenheit und beschauliche Idylle des kleines Ortes fanden Barbora Weinzettlová und Jiří Weinzettl, Gründer*innen des Prager Büros Atelier 111, für ihren eigenen ländlichen Zufluchtsort besonders reizvoll. Als Gegenentwurf zu generischen Wohnhäusern in Vorstädten erwarb das Architektenpaar im historischen Teil des Städtchens ein 500 Quadratmeter großes Grundstück mit vier teils verfallenen Gebäuden und verwandelte diese in ein gemütliches, sehr persönliches Familiendomizil. Zwei nebeneinander liegende Bauten verbanden sie zum Wohnhaus. In zwei kleineren, dem Haus gegenüberliegenden Strukturen brachten sie zwei Garagen sowie eine Werkstatt mit Autoaufzug unter. Die Fläche zwischen den beiden Ensembles dient als grüner Garten mit Obstbäumen.
Stein und Holz in harmonischem Kontrast
Die größte Herausforderung für Barbora Weinzettlová und Jiří Weinzettl war es, eine Einheitlichkeit zwischen den neu zum Wohnraum umgebauten Gebäuden zu schaffen. Der eine Teil war in einem baufälligen Zustand, der andere um die Jahrtausendwende renoviert worden. Vermeintlich moderne Elemente wie eine Gaube mit Balkon und Kunststofffenster ließen die Architekt*innen entfernen. Hinter der Ziegelsteinverkleidung fanden sie Steinmauerwerk vor, das sie erhalten wollten und mit einer weißen Farbschicht versahen. Die Steintextur dominiert heute die Räume des Hauses mit etwa 288 Quadratmetern Wohnfläche. Sie geht einen harmonischen Kontrast mit dem Fichtenfurnier ein, das im Wohn-, Ess- und Schlafbereich als großflächige Verkleidung eingesetzt wurde, um die abgerundeten Decken zu betonen und zu definieren.
Symbiose aus Fichte und Eiche
Im Obergeschoss ist das Fichtenholz das vorherrschende Material, das sich durch alle Räume zieht und nahezu alle Flächen bedeckt. Nur ein grauer Teppichboden sowie pastellrosafarbene Fliesen im Badezimmer durchbrechen die Dominanz des hellen Materials. Möbelstücke wie Regale und Beistelltische folgen in diesem Stockwerk dem zentralen Thema und sind ebenfalls aus Fichte gefertigt. Im Erdgeschoss brachten die Architekt*innen zusätzlich Eiche ins Spiel. Der Boden im Wohnzimmer besteht aus gebleichter Eiche, die Tische und Stühle sind aus einer natürlichen, unbehandelten Version des Holzes hergestellt worden. Das Material wiederholt sich außerdem in allen Fenstern des Hauses.
Kirchturm als Zitat
Ein verspieltes Detail des Innenausbaus offenbart sich im Obergeschoss. Eine kleine Nische, als Rundbogen und ebenfalls mit Fichtenholz gestaltet, lädt zum Verweilen und Lesen ein und mündet in einer großzügigen Glasfläche. Die Form zitiert die Fenster des nahegelegenen Kirchturms, den die Bewohner*innen von dort aus stets im Blick haben, und stellt somit einen Bezug zur neuen Wahlheimat des Architektenpaares her. In dem kleinen Städtchen konnten die beiden ein abgeschiedenes Zuhause für sich und ihre Kinder erschaffen, das sie die wahre ländliche Idylle erleben lässt – wie es im Vorort einer Metropole wohl kaum möglich wäre.
FOTOGRAFIE Alex Shoots Buildings
Alex Shoots Buildings
Mehr Projekte
Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit
Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip
Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion
Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese
Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau
Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen
Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven
Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio
Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama
