Leben auf 10 mal 70 Meter
Arquitectura-G transformiert eine alte Schneiderei in ein Loft
Eine 700 Quadratmeter große, ehemalige Fabriketage als Wohnraum für nur eine Person? Das spanische Architekturbüro Arquitectura-G versuchte es erst gar nicht mit einem konventionellen Raumkonzept, sondern ging den Umbau der ehemaligen Schneiderei wie die Zähmung eines wilden Tieres an.
Spannendes und Neuartiges entsteht oft durch Zwänge. In Bezug auf neue Wohnformen können das die Verknappung von Raum oder auch steigende Mieten sein. Oder es ist, wie im Fall des Umbaus in der katalanischen Hauptstadt, das genaue Gegenteil: ein Zuviel an Raum. Bei der Transformation der ehemalgen Textilfabrik in einen Ein-Personen-Haushalt stand den Planern von Arqutectura-G eine Fläche mit den unglaublichen Maßen von 10 mal 70 Metern zur Verfügung. Um den ungewöhnlich proportionierten Raum in den Griff zu bekommen, mussten die Architekten Bereiche entwickeln, die einem angemessenen und menschlichen Maßstab entsprechen.
Strukturelle Offenheit ist das von Bauherr und Architektenteam erklärte Ziel. Der Ort soll seinen Charakter als kollektives und flexibles Raumgebilde bewahren und damit eine Brücke zwischen der früheren und der zukünftigen Nutzung schlagen. Die Gliederung der Etage durch abschottende Trennwände kommt deshalb nicht infrage. Anstelle von klassischen Wänden und Türen installiert Arqutectura-G eine Vielzahl unterschiedlicher Unterteilungen: Sofa, Tisch, Regal und zwei im rechten Winkel zueinander positionierte Wandscheiben. Keines der Objekte kommt mit den Außenwänden oder der Decke in Berührung, wodurch die visuelle Kontinuität erhalten bleibt.
Je weiter man in das lang gestreckte Geschoss vordringt, desto mehr nimmt die Privatsphäre zu. Hinter dem Eingang folgt ein studioartiger Bereich, der die An- und Ablieferung großer Objekte erleichtert und als Arbeitsort für mehrere Menschen dienen kann. Trotz der Offenheit schaffen die Architekten eine unsichtbare Grenze zwischen den privaten und den öffentlichen Räumen der Wohnung. Grund dafür sind zwei Terrassen, deren Glasfassade sie in die Etage hineinziehen und sie dadurch in drei Abschnitte gliedern. Gleichzeitig belichten und belüften die Außenbereiche das Apartment und schaffen Platz für kleine Gärten. Nach dem zentralen Wohnraum mt Küche und Bibliothek folgen – nach einer weiteren Verengung durch eine kleine Terrasse – das Schlaf- und das Badezimmer, die sich auf einer leichten Anhöhe befinden.
Der Minimalismus der Architektur setzt sich auch auf Materialebene fort: Neben den rauen Betonoberflächen von Decken und Wänden arbeiten die Planer mit nur zwei Farben, die sie auf drei unterschiedliche Texturen übertragen. Während der glatte Estrichboden und die Fliesen im Badbereich in ein helles Grün getaucht sind, erscheinen die Objekteinbauten, die mal mit Holz und mal mit Fliesen verkleidet sind, in einem natürlichen Braunton. Die Farbpalette betont den landschaftlichen Charakter der Architektur, die sich wie eine Parallelwelt in die Fabriketage einfügt. Dank der sensiblen Eingriffe glückt den Architekten die Zähmung des Raumes, ohne dass er seine Identität verliert. Im Gegenteil, durch das Zusammenspiel mit den fliegenden Einbauten findet er zu alter Stärke zurück.
FOTOGRAFIE José Hevia
José Hevia
DEAR Magazin
Dieser Beitrag ist auch in unserer Printausgabe erschienen. Mehr Infos:
www.dear-magazin.deMehr Projekte
Goldener Schnitt
Einfamilienhaus von Raúl Sánchez Architects bei Barcelona
Der Flur als Bühne
Wohnungsumbau in Mailand von Kick.Office
Höhenflug in Madrid
Burr Studio verwandelt Gewerbefläche in eine loftartige Wohnung
Camouflage im Eichkamp
Berliner Familienresidenz von Atelier ST
Mid-Century im Stadthaus
Renovierung und Erweiterung eines Hauses in Barcelona
Lautner, but make it Cape Town
In den Fels gebaute Villa Lion’s Ark an der Küste Südafrikas
Ein Zuhause aus Licht und Pflanzen
Umbau einer Sechzigerjahre-Wohnung in Mailand von SOLUM
Wohnen in Blockfarben
Umbau einer Scheune bei Barcelona von h3o Architects
Olympisches Raumspiel
Reihenhaus-Renovierung im Olympischen Dorf München von birdwatching architects
Ganz der Kunst gewidmet
Atelier für eine Malerin in Germantown von Ballman Khapalova
Heiter bis holzig
Zweigeschossiges Wohnhaus mit Farbakzenten im Hudson Valley von nARCHITECTS
Kreative Transformationen
Nachhaltiges Bauen mit regionalen Ressourcen und innovativen Produkten von JUNG
Von der Enge zur Offenheit
Filmreifer Wohnungsumbau in Madrid von GON Architects
Leben im Schweinestall
Historisches Stallgebäude wird modernes Familienheim
Surferträume im Reihenhaus
Umbau eines Sechzigerjahre-Wohnhauses in Norwegen von Smau Arkitektur
Wabi-Sabi am Hochkönig
Boutiquehotel stieg’nhaus im Salzburger Land von Carolyn Herzog
Faltbarer Transformer
Ein ländliches Wochenendhaus in Argentinien von Valentín Brügger
Funktionale Fassaden
Verschattung im Bestand und Neubau
Wohnhaus in Kurvenlage
Neubau mit rundem Garten in Südkorea von Sukchulmok
Palazzo mit Patina
Umbau eines apulischen Anwesens durch das Architekturbüro Valari
Alte Scheune, neues Leben
Historisches Gebäude in Tübingen wird zu modernem Wohnraum
Gebaut für Wind und Wetter
Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger
Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal
Ein offenes Haus
Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona
Harte Schale, weicher Kern
Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura
Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel
Offen für Neues
Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur
Baden unter Palmen
Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen
Maßgeschneidertes Refugium
Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design
Rückzugsort im Biosphärenreservat
MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald