Manzanares
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„Manzanares, Manzanares, Ihr seid unter den Gewässern Herzog der Bäche und Graf der Flüsse“, schrieb einst der spanische Dichter Luis de Góngora y Argote über Madrids Flusslauf. Und auch Künstler wie Francisco de Goya ließen sich von ihm inspirieren. In den letzten Jahrzehnten war das Gewässer jedoch in Vergessenheit geraten. Arbeiterwohnungen und eine Ringstraße versperrten die Uferwiesen und somit auch den Blick auf die Innenstadt. Das ist nun vorbei: Dank des landschaftlichen Revitalisierungsprojekts Madrid Río – eine Zusammenarbeit der Rotterdamer Landschaftsarchitekten West 8 und den Gestaltern Mrío Madrid – ist die spanische Hauptstadt endlich wieder an den Manzanares angebunden. Neben zahlreichen Parks, Boulevards und Plätzen wurden drei der alten Stadtbrücken restauriert sowie 30 neue gebaut, die nun die verschiedenen Grünflächen und Uferpromenaden miteinander verbinden.
Nahe des Río Manzanares im Westen der Stadt liegt die Casa de Campo, ein traditionelles Ausflugsziel der Madrilenen. Ihre Gründung geht auf die Zeit Philipps II. zurück, der in der Nähe der Alcazar – einer Burg aus dem 9. Jahrhundert, die später durch die königliche Residenz ersetzt wurde – einen großen Wald mit Eichen, Pinien, Platanen, Pappeln und Büschen aller Art anlegen ließ. Bis Anfang der dreißiger Jahre war der Park als königlicher Besitz und Jagdrevier nicht zugänglich. Erst nach Ausrufung der Republik entwickelte er sich zu einem beliebten Erholungsort der Bevölkerung, lief jedoch Gefahr, von der Großstadt aufgerieben zu werden.
Untertunnelung
Seit den fünfziger Jahren dehnte sich Madrid zu allen Seiten aus, und die wachsenden Außenviertel schluckten immer mehr Fläche der Casa de Campo. Auch der Manzanares mit seinen grünen Ufern und dem Blick auf die Stadt, einst Inspiration von Francisco de Goya, schien zu verschwinden. Die östliche Flussseite wurde nach und nach mit Arbeiterwohnungen zugebaut. Zudem entstand hier Madrids wichtigste Verkehrsader, die vierspurige Stadtautobahn M30. Erst die Verlegung der Straße in einen seitlich des Flusses verlaufenden Tunnel holte den Manzanares zurück in das Stadtbild.
Revitalisierung der Uferstrecke
Das Bauvorhaben, eines der größten in der Geschichte Madrids, wurde vor kurzem abgeschlossen. Es umfasst einen durchgängigen, 43 Kilometer langen Grünzug, der sich zwischen dem königlichen Palast El Prado, der früheren Sommerresidenz des spanischen Könighauses im Norden Madrids, bis zum südlich der Hauptstadt gelegenen Vorort Getafe erstreckt. Sechs Kilometer davon verlaufen entlang der Uferzone des Manzanares und wurden von den Teams von West 8 und Mrío Madrid als Madrid Río neu gestaltet.
Huerta de la Partida
Die Uferzone ist heute nicht mehr wiederzuerkennen. Spazier- und Radwege sowie Spielplätze und Klettergerüste wurden angelegt, 30.000 Bäume und eine halbe Millionen Büsche gepflanzt sowie 33 Brücken instand gesetzt oder neu gebaut. Auf der östlichen Flussseite restaurierten West 8 und Mrío Madrid die Huerta de la Partida, die herrschaftlichen Gärten der Casa de Campo, und schufen die moderne Interpretation eines Obstgartens.
Salon de Pinos
Unweit der Huerta de Partida liegt die Puente de Segovia, eine Brücke mit wuchtigen Granitadern und nüchternen Linien, die im 16. Jahrhundert erbaut worden und die älteste Brücke über den Manzanares ist. Entlang dieser gestalteten die Architekten den Salon de Pinos, ein mit surrealistisch anmutenden Holzpfählen markierter, linear angelegter Pinienhain. Er befindet sich unmittelbar über dem Autotunnel und verbindet die schon existierenden mit den neu geschaffenen urbanen Räumen am Fluss.
Arganzuela-Park
Das Grundmotiv für den größten Teil des Madrid Río ist die Inszenierung des Wassers und Erlebbarmachung der verschiedenen Landschaften. Ein Wassersystem verläuft durch die Grünanlage, dessen Abschnitte alle einen anderen Charakter aufweisen. Der Rico Seco etwa ist eine Interpretation der ausgetrockneten Flüsse Spaniens. Hier fühlt man die Präsenz des Wassers – nicht durch das Wasser an sich, sondern durch die Vegetation entlang des Ufers. Zudem gibt es eine schwimmende grüne Insel, ein Ensemble von Springbrunnen und eine zum Manzanares hinabführende Freitreppe.
Playa de Río Madrid
Als letzter Teilabschnitt des Projekts wurden die Playa de Río Madrid, an der die Hauptstädter ein Sonnenbad nehmen können, und die nahe Puente Monumental de Arganzuela von Dominique Perrault fertiggestellt. Die 278 Meter lange Fußgängerbrücke ist spiralförmig angelegt und windet sich abenteuerlich über den Manzanares. Sie lässt immer wieder Ausblicke auf die Flusslandschaft zu und verwandelt sich nachts in ein leuchtendes Kunstwerk. Ein weiteres Kunstgebilde sind die Puentes Cascara. Die beiden Brücken bestehen aus massiven Betonkuppeln, die wie große Skulpturen wirken und deren Decken mit Mosaikarbeiten des spanischen Künstlers Daniel Canogar verziert sind.
Ob der Manzanares wieder zu einer Inspirationsquelle für Literaten und Künstler werden wird, muss sich erst zeigen. Auf jeden Fall können die Madrilenen heute wieder – wie damals schon Goya und Góngora y Argote – am Flussufer entlang spazieren und von der Casa de Campo zur Innenstadt emporblicken.
FOTOGRAFIE Jeroen Musch
Jeroen Musch
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