Mit dem Wald wohnen
Carlo Berlin baut eine Scheune im Brandenburger Forst um

Identität und ein tiefes Gefühl der Verbundenheit mit dem Ort spielen die Hauptrolle bei einem nicht ganz alltäglichen Projekt im Berliner Umland. Einst Unterstand von schwerem Gerät und Speicher für Früchte aus der Landwirtschaft, verwandelte das Büro Carlo Berlin die alte Brandenburger Scheune in ein stilvolles Cottage, das zugleich ein perfekter Rückzugsort ist.
In und mit der Natur leben, sich in ihr beheimatet fühlen, sich ihrem Rhythmus anpassen – und nicht umgekehrt: Sowohl für die Auftraggeberfamilie als auch für das Team von Carlo Berlin war von Anfang an klar, dass der Umbau der Scheune im Einklang mit Tradition, Bauweise und Materialien erfolgen sollte. „Es galt, bei dem zu bleiben, was hier bereits viele Jahrzehnte lang den Usus des Bauens und Ausbauens ausmachte“, sagt Charlotte Wiessner, Gründerin des Architektur- und Designbüros.
Eins mit der Natur
Nach diesem Bild der Entschleunigung und Harmonie entstand das Konzept der Einrichtung. Eine logische Konsequenz war die Auswahl natürlicher Baustoffe wie Holz, Stein und Lehm. Letzterer prägt die Innenräume atmosphärisch wohl am stärksten. Der Lehmputz, hinter dem sich auch eine natürliche Dämmung verbirgt, verschmilzt mit seinen erdigen sowie pastelligen Farben und seiner charakteristischen Struktur mit den lebendigen Maserungen der alten Holzbalken. Unterstützung fanden Charlotte Wiessner und ihr Team bei der Berliner Baubiologin und Bauphysikerin Elke Wulf, die mit ihrem Unternehmen Natur am Bau selbst neue Farbsysteme aus natürlichen Rohstoffen entwickelt sowie Dämm- und Heizsysteme plant.
Stets ein Teil des Waldes
Subtile Übergänge zwischen Alt und Neu gelangen mithilfe sogenannter „seawashed“ Hölzer, die eine vom Meer ausgewaschene und gebleichte Optik aufweisen und aus denen etwa die Treppen oder auch einzelne Möbelstücke gebaut wurden. Auch die Grenzen zwischen Innen- und Außenraum wurden fließend gestaltet: Der Wald mit all seinen Farbnuancen bereichert die Wohnlandschaft, deren natürliche Oberflächen sowie Braun- und Gelbtöne durch den Schein mundgeblasener Leuchten des tschechischen Herstellers Brokis nahezu magisch illuminiert werden.
Strukturen und Manufakturen
Einige Stücke stechen besonders heraus, wie der aus heimischem Holz maßgefertigte Esstisch aus der Manufaktur Katja Buchholz, auf den sich das Geschehen in diesem Raum fokussiert. Er bildet das einladende Zentrum des lichtdurchfluteten, großzügigen Essbereichs, inszeniert zwischen den beiden raumhohen Glasfronten. Der Wohnbereich wirkt dagegen intim und nischenhaft. Es ist ein geschützter Ort, an dem man zwischen Holzbalken, Lehmwänden und gestickten Polstermöbeln des spanischen Herstellers GAN entspannen kann. „Das Zusammenspiel all dieser Baustoffe und Elemente ist nicht nur extrem nachhaltig, sondern erzeugt darüber hinaus auch ein sanftes Empfinden allumfassender Ruhe, das einen direkt beim Betreten des Cottage sinnlich umfängt. Seien es laue Sommernächte oder gemütliche Winterabende – weder außen noch innen verlässt einen das Gefühl, Teil dieses mächtigen Waldes zu sein“, meint Charlotte Wiessner.
Zur Ruhe kommen
Während im gesamten Wohn- und Essbereich der Dachfirst sichtbar bleibt, erstreckt sich etwa über die Hälfte des Gebäudes ein Obergeschoss. Dort sind drei Schlafzimmer mit Wandbelägen aus Strohgeflecht von Élitis Paris und ein Badezimmer untergebracht. Außerdem befindet sich dort eine Galerie, die für Fitnessübungen und zum Tagträumen auf einem zwischen den Dachbalken gespannten Netz genutzt wird. Charlotte Wiessner beschreibt die Wirkung ihres Projekts A Berlin Cottage folgendermaßen: „Der eigene Herzschlag scheint sich förmlich dem Rhythmus der Bäume anzupassen, während Stress und Alltag beinahe wie von selbst von einem abfallen und man sich nur allzu gern von der warmen Aura der Räume in eine Zeit der Entspannung entführen lässt.“
FOTOGRAFIE Daniel Schäfer
Daniel Schäfer
Projektname | A cottage Berlin |
Entwurf | Carlo Berlin |
Typologie | Umbau |
Fertigstellung | Juni 2022 |
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