Panorama-Rampenbau
Dieses Wohnhaus wirkt von außen verschanzt und öffnet sich nach oben über eine Dachterrasse mit Café.

Die Szenerie: Eine Einfamilienhaussiedlung in einer kleineren japanischen Stadt mit etwa 155.000 Einwohnern. Ringsum zweistöckige Wohnhäuser auf nicht allzu großen Grundstücken. Kleine Vorgärten. Jeweils zwei Kleinwagen in der Auffahrt. Und nur wenige hundert Meter entfernt das grüne Flussbett des Edogawa. Nur eine Autostunde südlich davon liegt Tokio. Etwa so kann man sich das Vorstadtidyll von Noda in der Präfektur Chiba vorstellen. Der Architekt Shigeru Fuse realisierte hier ein Wohnhaus mit Café, das sich deutlich von seiner unspektakulären Nachbarschaft abhebt.
Den Bauherren des Tsutsumino betitelten Projektes, einem Paar in seinen Dreißigern, war es ein besonderes Anliegen, die Lage am Fluss in die Planung einzubeziehen. Zudem sollte es eine Sonnenterrasse für ihr kleines Café geben. Dabei war es eigentlich nicht gerade die beste Voraussetzung, dass zwischen dem Grundstück und dem Fluss noch eine Landstraße liegt. Der Architekt musste sich also etwas Ausgefalleneres einfallen lassen, damit sowohl Bewohner als auch Gäste ihren Blick über die Straße hinweg in die Landschaft schweifen lassen können. Die Terrasse musste aufs Dach – auch, weil man das Flussbett von der Stelle aus ohnehin erst aus einer Blickhöhe von sechs Metern sehen kann. Darunter hat Shigeru Fuse den Wohnbereich auf zwei dynamisch zueinander verschobenen Etagen angeordnet.
Das Erdgeschoss des Hauses betreten die Bewohner durch einen Eingang auf der Rückseite des Gebäudes. Oder sie fahren auf der Vorderseite durch das Garagentor und stehen dann praktisch mitten in ihrer zentral gelegenen Küche. Denn nur eine faltbare Glaswand trennt den Koch- und Essbereich, mit Kücheninsel und hoher Einbauwand, vom Parkraum und der angrenzenden Werkstatt. In der gegenüberliegenden Hälfte des Hause befinden sich das Schlafzimmer, das Bad und eine kleine Toilette.
Asymmetrie allgegenwärtig
Steigt man von der Küche aus über die schmale Treppe hinauf in das Obergeschoss, erkennt man gleich die allgegenwärtige Asymmetrie in diesem Haus. Der Wohnraum nimmt nur eine Hälfte der Grundfläche ein. Wände falten sich in Diagonalen, und ein großer Vorsprung ragt wie ein Bauklotz über der Hauskante hervor. Ein riesiges Panoramafenster in Richtung Straße und Grünstreifen lässt viel Licht in das dahinter gelegene Wohnzimmer. An der Wand und über die Kante zur unteren Etage hinaus hängt ein verzerrtes langes Sideboard – als schwarzer Solitär im Kontrast zu den sonst grau belassenen Betonwänden.
Doch mit dem Blick hin zur Gebäudemitte erkennt man, dass die Terrasse das eigentliche Highlight des Hauses ist. Hier steigt die Decke kontinuierlich wie Geländerampen im Zickzack bis zur höchsten Ebene an, womit der Architekt die Anmutung einer enormen Raumhöhe erzielt. Die Fenster dazwischen wirken fast unsichtbar. Vor allem aber öffnet sich das Haus an dieser Stelle seinen Gästen gegenüber auf überraschend preisgebende Art, auch wenn das Haus von außen wie ein abgeschirmter Block wirkt. Neben dem Arbeitszimmer befindet sich auf dieser Ebene das kleine Café, welches man nordseitig separat über eine Treppe betritt. Durch den schmalen Laden – vorbei an Bad, Tresen und Sitzplätzen – gelangen die Gäste hinaus zur Terrasse, von wo aus sie neben Kaffeekranz und Sonnenschein den ungeahnten Blick über das Flussbett genießen können.
Geheimtipp im Bunker
Mit seinem Wohnhaus setzt das Paar einen deutlichen Kontrast zum Einheitslook der Vorortsiedlung. In kühlem Grau formuliert es, was es von seiner Nachbarschaft hält. Doch statt sich in seinem extrovertierten Bunker zu verschanzen, laden die beiden zum Verweilen im Panoramacafé ein – wenngleich dieses durch seine Unscheinbarkeit wohl immer ein kleiner Geheimtipp bleiben wird.
Alle Beiträge aus unserem großen Japan-Themenspecial lesen Sie hier.
FOTOGRAFIE Fuse-Atelier
Fuse-Atelier
Mehr Projekte
BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano

Freiraum statt Festung
Familienhaus mit Innenhof in Bangalore von Palinda Kannangara

Kork über Kopf
Umbau eines Penthouse mit Korkdecke von SIGLA Studio in Barcelona

Drei Pavillons für ein Familiendomizil
Australisches Wohnhaus von Pandolfini Architects und Lisa Buxton

Ein Haus der Gegensätze
Kontrastreicher Neubau nahe Barcelona von Ágora

Die Magie der Entgrenzung
Luftiger Neubau Casa Tres Patis von Two Bo in Spanien

Raumsequenzen in der Grotte
Casa Gruta in Mexiko von Salvador Román Hernández und Adela Mortéra Villarreal

Altes Haus im neuen Licht
Familienwohnung von Jan Lefevere in Kortrijk

Mehr Platz fürs Wesentliche
Umbau eines Backstein-Cottage in London von ROAR Architects

Raum-Chamäleon
Flexibel nutzbarer Anbau in Brisbane von Lineburg Wang

Wohnräume mit Tiefgang
Innenausbau einer Villa am Rhein vom Düsseldorfer Studio Konture

Holz und Stein im alpinen Dialog
Apartmenthaus Vera von atelier oï und CAS Architektur in Andermatt

Haus mit zwei Gesichtern
Umbau eines Reihenhauses in Lissabon von Atelier José Andrade Rocha

Umbau am offenen Herzen
Ply Architecture transformierte einen Sechzigerjahre-Bungalow in Australien

Reise in die Vergangenheit
Studio Hagen Hall gestaltet ein Londoner Reihenhaus im Mid-Century-Stil

Downsizing als Designprinzip
Kompaktes Wohnhaus in Portugal von Atelier Local

Der Reiz der Reduktion
Innenarchitekt Ilkka Palinperä gestaltet ein Wohnhaus bei Helsinki

Authentische Askese
Apartment-Rückbau in Paris von Atelier Apara

Umbau im Anbau
Gianni Botsford erweitert Fosters Londoner Frühwerk

Visionen vom Wohnen
Design-Apartments auf der MDW 2025

Mit Ecken und Kurven
Umbau eines Reihenhauses in London von Pensaer

Raw in Rio
Von Säulen geprägter Wohnungsumbau von Estudio Nama

Nostalgie nach Mass
Belgravia Townhouse von Child Studio
