Prager Faltschachtel
Origami-Laube von Byró Architekti

Mit einem bestehenden Fundament und limitiertem Budget waren die Gestaltungsmöglichkeiten für die stadtnahe Laube eingeschränkt. Das Prager Studio Byró Architekti baute aus Latten und Platten eine hochflexible Schutzhütte für Pflanzen und Menschen. Mit einer faltbaren Wand, einem Hochbett und einem Kletterregal bietet sie Anschluss an die Natur, die Solaranlage auf dem Dach sorgt für energetische Unabhängigkeit am Standort.
Wie in Deutschland und anderen europäischen Ländern wurden Ende des 19. Jahrhunderts auch in Tschechien Gartenkolonien gegründet, um Arbeiter*innen in den Städten einen grünen Fluchtort und guten Boden für den Anbau von Obst und Gemüse zu bieten. In Prag stehen einige der Datschensiedlungen nahe der Moldau und besiedeln die Pufferzone zwischen Ufer und Stadt. So auch der Gartenpavillon, den Byró Architekti entworfen haben, um den baufälligen Bestand zu ersetzen. Die wichtigsten Anforderungen lauteten, dass die neue Struktur auf dem alten Fundament ankert, Anschluss an die Natur findet und in kalten Zeiten die wetterfühligen grünen Gartenbewohner einen geschützten Lagerplatz zum Überwintern finden. An ihren eigenen Komfort hatten die Eigentümer*innen hingegen wenig Ansprüche. Ab und an wollen sie im Garten übernachten und bei schlechtem Wetter ein Dach über dem Kopf haben. Platz brauchen sie aber nur wenig, da die Natur und das Leben im Freien für sie im Mittelpunkt stehen.
Im Handumdrehen zum Wand umdrehen
Zehn Gehminuten brauchen die Gartenbesitzer*innen von ihrer Wohnung in der Stadt bis zu ihrer Datsche inmitten von sanften Hügeln und unter ausladenden Obstbäumen. Sie wünschten sich, dass sich das Häuschen mit seiner Konstruktion dem Garten nicht verschließt, sondern Teil von ihm wird und die Natur auch im Innenraum erlebbar ist. So kamen Byró Architekti auf die Idee einer komplett aufklappbaren Front. Damit geht der Innenraum nahtlos in den Garten über und die Fläche unter dem Dach wird zur Zwischenzone mit Schatten und Regenschutz. Drei Lagen machen die mobile Wand für die Nutzung besonders flexibel. Die äußerste Schicht bilden zwei Holzläden, die sich um 270 Grad bis an die Wangen des Hauses klappen lassen. Darunter hängt ein horizontal montierter Rahmen mit transluzenten Polycarbonatplatten. Mittels eines ausgeklügelten und gleichzeitig einfachen Mechanismus aus Stahlseilen, Flaschenzügen und Gegengewichten kann er von einer einzelnen Person um 90 Grad nach oben gefaltet werden.
Architektur für gute Nachbarschaft
Weil das Gelände schon lange in Parzellen mit Freizeitgärten aufgeteilt wurde, ist eine langsam gewachsene Siedlung von pragmatischen Bauten entstanden, die als Werkstätten, Garagen, Lagerräume, Gewächshäuser oder Gelegenheitsschlafplatz genutzt werden. Die meisten der Lauben sind einfache Holzschuppen mit kleinen Fenstern, die über die Jahre durch Anbauten oder Ergänzungen individualisiert wurden und dadurch einen urigen und gemütlichen Charakter haben. Byró Architekti war es wichtig, dass auch ihr Neubau in dieser Umgebung nicht wie ein Fremdkörper wirkt. Die schwarze Fassade wurde nach japanischem Vorbild geflämmt (Shou-sugi-ban-Technik) und ist dadurch wasserabweisend, schützt vor Insekten und passt zu den bereits witterungsgezeichneten Nachbarn. Ist das Häuschen nicht in Benutzung, wird es zum monolithischen Volumen, das sich mit seiner natürlichen Oberfläche harmonisch in das Umfeld einfügt. Autark ist es außerdem in Bezug auf seine Energieversorgung. Die Laube ist nicht ans Stromnetz angeschlossen, sondern versorgt sich über eine dachmontierte Photovoltaikanlage.
Zu allen Seiten offen
Das Gebäude wurde in zweischaliger Bauweise konstruiert, steht auf dem Fundament seines Vorgängers, hat eine Grundfläche von gerade einmal 16 Quadratmetern und kostete unter 40.000 Euro. Das Interieur ist funktional, asketisch und lässt sich auf die saisonal aktuellen Nutzungsanforderungen anpassen. In halber Höhe des fünf Meter hohen Raumes und auf zwei Dritteln der Grundfläche wurden Latten als zweite Ebene eingezogen, auf der Matratzen ausgelegt werden können. Erreichbar sind sie über die Rückwand des Raumes, an der ein fest installiertes Regal mit integrierter Leiter eingebaut wurde. Für den natürlichen Lichteinfall sorgen vier Öffnungen und Fenster. Frontal lässt das Polycarbonat gestreutes Licht herein, rückwärtig kann die Tür geöffnet werden. Im Aufenthaltsbereich gibt es seitlich ein rundes Bullaugenfenster und gegenüber des Bettes wurde eine Gebäudewange über dem Grundgeschoss voll verglast. Spaziergänger*innen haben dadurch wenig Einblicke, Übernachtende aber volles Naturpanorama.
FOTOGRAFIE Alex Shoots Buildings Alex Shoots Buildings
Mehr Projekte
Gebaut für Wind und Wetter
Ferienhaus im schwedischen Hee von Studio Ellsinger

Ein Dorfhaus als Landsitz
Wohnumbau von Ricardo Azevedo in Portugal

Ein offenes Haus
Feministischer Wohnblock Illa Glòries von Cierto Estudio in Barcelona

Harte Schale, weicher Kern
Unkonventionelles Einfamilienhaus in Mexiko von Espacio 18 Arquitectura

Zwischen Bestand und Zukunft
Umbau einer Kölner Doppelhaushälfte durch das Architekturbüro Catalanoquiel

Offen für Neues
Nachhaltige Renovierung einer flämischen Fermette durch Hé! Architectuur

Baden unter Palmen
Studio Hatzenbichler gestaltet ein Wiener Loft mit Beton und Grünpflanzen

Maßgeschneidertes Refugium
Georg Kayser Studio verbindet in Barcelona Altbau-Charme mit modernem Design

Rückzugsort im Biosphärenreservat
MAFEU Architektur entwirft ein zukunftsfähiges Reetdachhaus im Spreewald

Im Dialog mit Le Corbusier
Umbau eines Apartments im Pariser Molitor-Gebäude von RREEL

Warschauer Retrofuturimus
Apartment mit markantem Raumteiler von Mistovia Studio

Trennung ohne Verluste
Ferienhaus im Miniformat auf Usedom von Keßler Plescher Architekten

Architektur auf der Höhe
Wohnhaus-Duo von Worrell Yeung im hügeligen New York

Architektur im Freien
Pool und Pergola von Marcel Architecten und Max Luciano Geldof in Belgien

California Cool
Mork-Ulnes Architects restaurieren das Creston House von Roger Lee in Berkeley

40 Quadratmeter Einsamkeit
Ländliches Ferienhaus von Extrarradio Estudio in Spanien

Von der Ruine zum Rückzugsort
Wertschätzender Umbau von Veinte Diezz Arquitectos in Mexiko

Zwischen Alt und Neu
Architect George erweitert Jahrhundertwendehaus in Sydney

Co-Living mit Geschichte
Umbau des historischen Metropol-Gebäudes von BEEF architekti in Bratislava

Aus dem Schlaf erwacht
Kern Architekten sanieren das Vöhlinschloss im Unterallgäu

Archäologie in Beton
Apartment-Transformation von Jorge Borondo und Ana Petra Moriyón in Madrid

Geordnete Offenheit
Umbau eines Einfamilienhauses von Max Luciano Geldof in Belgien

BAYERISCHES DUO
Zwei Wohnhäuser für drei Generationen von Buero Wagner am Starnberger See

Über den Dächern
Umbau einer Berliner Penthousewohnung von Christopher Sitzler

Schwebende Strukturen
Umbau eines maroden Wohnhauses von Bardo Arquitectura in Madrid

Camden Chic
An- und Umbau eines ehemaligen Künstlerateliers von McLaren.Excell

Aus Werkstatt wird Wohnraum
Umbau im griechischen Ermionida von Naki Atelier

Londoner in der Lombardei
Tuckey Design Studio verwandelt ein Wohnhaus am Comer See

Zwischen Stroh und Stadt
Nachhaltiges Wohn- und Atelierhaus Karper in Brüssel von Hé! Architectuur

Flexibel zoniert
Apartment I in São Paulo von Luiz Solano
