Pyramiden im Nebel
Feriendomizil von Wiki World und Advanced Architecture Lab in China

In der chinesischen Provinz Hubei hat der Architekt Mu Wei mit seinen Büros Wiki World und Advanced Architecture Lab (AaL) die Feriensiedlung Mountain & Cloud Cabin errichtet. 18 verspiegelte Holzhütten werden eins mit der Landschaft.
Ein Faible für Skandinavien wurde Mu Wei in die Wiege gelegt. Der chinesische Architekt ist in der Provinz Hubei aufgewachsen, die für ihre Berge und zahlreichen Seen bekannt ist. Nicht ohne Grund ging er nach seinem Studium an der Huazhong Universität in Wuhan nach Norwegen. Er arbeitete für das Büro Helen & Hard in Stavanger und wohnte in einer Holzhütte am Meer. Jeden Morgen wurde er von den Möwen geweckt, die vor seinem Fenster lautstark ihre Runden drehten.
Nach einer weiteren Station bei Patxi Mangado Architects im spanischen Pamplona kehrte er in seine Heimat zurück und gründete 2011 das Büro Advanced Architecture Lab (AaL) und 2017 das Büro Wiki World in Wuhan. Seitdem hat er sich einen Namen mit Low-Cost-Housing-Projekten aus Holz und Baumhäusern für Kinder gemacht. Nur wenige Kilometer außerhalb der 4-Millionen-Stadt Yichang realisierte er nun das Feriendomizil Mountain & Cloud Cabin – und ließ seine Naturerfahrungen aus Skandinavien in voller Blüte aufleben.
Schwerelose Volumina
Die Architektur definiert kein aufragendes oder sperriges Volumen. Sie versucht, sich geradezu zu verstecken. 18 Hütten verteilen sich an den Hängen einer hügeligen Landschaft. Die kompakten Architekturen folgen fünf verschiedenen Bautypen, die zwischen 35 und 65 Quadratmetern messen und als Hotelzimmer, Café oder Schwimmhalle dienen. In China, wo der ressourcenfressende Bau von Einfamilienhäusern per Gesetz untersagt ist, erhält die Schrumpfung der Maßstäbe eine umso ungewöhnlichere Komponente. Sie erlaubt eine Intimität, die im privaten Hausbau derzeit keine Chance erhält, jedoch hier im Kontext eines Hotels ermöglicht wird.
Der Ressourcenverbrauch spielte auch für diese Planung eine entscheidende Rolle: Die kleinen Häuser sitzen nicht auf dem Boden auf. Stattdessen werden sie von filigranen Stelzen über ihn hinweg gehoben. Die Metallträger ruhen auf kompakten Betonfüßen, deren Form an kopfstehende Regenschirme erinnert. Sie sorgen für die notwendige Standsicherheit der Konstruktionen, ohne massive Spuren im Untergrund zu hinterlassen. Das Gefälle der hügeligen Landschaft fließt somit unterhalb der Häuser hindurch.
Doppelpyramiden in Schräglage
Die Hütten vom Typ Bridge sind als vierzehn Meter lange Brücken konzipiert, die über schmalen Tälern hinweg schweben. Der Innenraum öffnet sich auf der gesamten Länge mit bodentiefen Fenstern nach draußen. Ganz anders die Hütten vom Typus Loft. Sie verfügen über zwei Stockwerke, von denen die unteren als Wohnzimmer und die oberen als Schlafzimmer dienen. Ihre Form entspricht einem schräg gestellten Oktaeder, bei dem eine Längsseite der oberen Pyramide exakt im Lot ausgerichtet ist.
Auch die Hütten von der Bauart F verfügen über zwei Etagen. Die obere Ebene ist leicht zurückversetzt, sodass die untere als Terrasse dient. Die Hütten der Typen T und Y besitzen nur ein Stockwerk, dessen Grundriss der Form des jeweiligen Buchstabens folgt. Auch sie öffnen sich mit bodentiefen Fenstern zur Natur. Jedoch verfügen sie über großzügige Terrassen, die den Wohnraum hinaus ins Freie erweitern und unverstellte Blicke auf Sonnenuntergänge oder von Wolken verhangene Täler ermöglichen. Den sechsten Typus markiert eine eingeschossige Hütte, die als Rezeption und Café dient und als einziges Bauwerk direkt auf dem Grundstück aufsitzt.
Nordische Farben
Alle Hütten sind aus Brettschichtholz vorfabriziert und konnten in nur einem Tag vor Ort montiert worden. Das Material tritt in den Innenräumen unbehandelt an den Wänden und Decken zutage. Puristische Tische, Schränke und Sideboards aus Massivholz vervollständigen den Naturlook ebenso wie in zarten Nude-Tönen gehaltene Vorhänge, Polsterbezüge und Bettüberwürfe. In die Fußböden sind neben den Heizungen auch Öffnungen für die Lüftung eingelassen. Über sie kann ein Volumen von 100 Kubikmetern Raumluft innerhalb von 60 Minuten ausgetauscht werden. Eine Klimaanlage gehört auch zur Grundausstattung. Einige Hütten verfügen über Kamine, um bei knisternden Flammen die Romantik der Bergwelt zu intensivieren.
Verspiegelte Sandwiches
Die Innenräume nehmen sich zurück und legen den Fokus auf die Aussicht – ein Aspekt, der ebenso für die äußere Erscheinung der Hütten gilt. Ihre Fassaden sind mit verspiegelten Metallplatten verkleidet, die die Gebäude unsichtbar machen. Sie werden eins mit ihrer Umgebung: Nicht nur dann, wenn sich dichter Nebel zwischen den Baumkronen an den Berghängen festsetzt. Vor allem auch im Winter, wenn hoher Schnee die gesamte Landschaft bedeckt und die spiegelnden Fassaden die monochrome Farbigkeit der Landschaft reflektieren und sich vollends in ihr auflösen. „Die Hütten scheinen aus der Zukunft zu kommen, doch sie verschwinden inmitten der Natur. Sie sind wie Lupen, um die Natur zu betrachten“, erklärt Architekt Mu Wei. „Sie sind wie Raumschiffe im Wald.“
FOTOGRAFIE Arch EXIST
Arch EXIST
Projekt | Mountain & Cloud Cabin |
Typologie | Ferienwohnungen |
Ort | Yichang, Hubei Provinz, China |
Architektur | Wiki World + Advanced Architecture Lab (AaL) |
Projektteam | Mu Wei, Zhang Yingchun, Pan Yanjun, Feng Zhaoxian, Feng Jingqin, Li Kunhua |
Interieur | Shanghai EERI STUDIO, Ximan Design |
Kunde | Hubei Yunhua Cultural And Touristic development |
Größe | 18 Hütten, ca. 1.000 Quadratmeter gesamt |
Bauzeit | 2019-2020 |
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