Pyramiden von Flinders
Wochenendhaus von Architects EAT in Australien

Die Architektur von Mario Botta und Eduardo Souto de Moura sowie ein Toilettenhäuschen in Lissabon inspirierten Albert Mo zum Bellows House. In Flinders, einem kleinen Küstenort auf der Halbinsel Mornington südlich von Melbourne, baute er das Wochenenddomizil für eine vierköpfige Familie.
„Vor sieben Jahren habe ich bereits das Stadthaus der Familie entworfen. Sie lieben, was wir tun, und vertrauten darauf, dass ihr Projekt uns genauso am Herzen liegt wie ihnen. Die Aufgabenstellung war recht einfach: Sie wünschten sich ein Ferienhaus, um der Stadt zu entfliehen. Ein Haus, das sich wie ein Zuhause anfühlt, in dem sie auch Freunde und Familie beherbergen können“, sagt Albert Mo, Direktor von Architects EAT. Etwas außerhalb von einem kleinen Ort, neben einem Golfplatz und am Weg zum nahen Strand gelegen, zieht das markante Haus die Blicke auf sich. Einheimische bezeichnen es liebevoll als die „Pyramiden von Flinders“. Morgens fällt der Schatten einer Reihe Pappeln vor dem Haus auf die weißen Betonblöcke und belebt die lange, gegliederte Steinmauer.
Nahbarer Bunker
„Ich wollte ein Haus entwerfen, das im Gegensatz zu den typischen, leichten Strandhäusern dauerhaft und solide ist – wie ein Bunker. Die Herausforderung bestand darin, ein Gleichgewicht und einen Dialog zwischen der Privatsphäre der Bewohner*innen und der Umgebung herzustellen“, erzählt Albert Mo. Zum Teil quer eingesetzte Steine brechen die massive Außenmauer auf und schaffen Sichtbezüge nach innen und außen. Vom Eingangstor führt ein Weg aus roten Ziegelsteinen durch den Hofgarten zur Haustür. Der Innenhof wird multifunktional genutzt: Unter der Außendusche lassen sich Sand und Meerwasser abspülen, an der Feuerschale kommt die Familie abends zusammen und bei geöffneten Schiebetüren erweitert der Hofgarten den Wohnraum nach außen.
Massive Eierschale
Im Inneren des Hauses offenbart sich die imposante Struktur der beiden großen Dächer. Die weißen Steine aus Beton formen umgekehrte Stufenpyramiden und lassen ein zentrales Oberlicht frei, das die Wohnräume erhellt. „Die Schwere dieser Struktur lässt das äußere Mauerwerk wie eine Eierschale wirken“, sagt Albert Mo. Ohne Putz erscheinen die Wände ungewohnt kahl. Wohnlichkeit bringen grafische Kunstwerke, ein Sofa in Petrol, der große Esstisch sowie extravagante Leuchten und Stühle. Die Küche ist in einem Materialmix aus Holz, hellem Beton, weißen Fliesen und rotem Ziegelstein gestaltet. Das außergewöhnliche Detail der stufigen Pyramiden findet sich nicht nur beim Dach. Auch an den Fensterrahmen, den Griffen von Fenstern und den Haustüren taucht das individuelle Motiv wieder auf.
Architektonische Inspiration
Verschiedene Einflüsse zeitgenössischer europäischer Architektur finden sich im Bellows House wieder. Drei markante Projekte hatte Albert Mo beim Entwerfen im Sinn: die Kirche Beato Odorico im italienischen Pordenone von Mario Botta, die Casa das Histórias Paula Rego im portugiesischen Cascais von Eduardo Souto de Moura sowie eine anonyme, weiß gekachelte öffentliche Toilette in der Nähe von Lissabon. „Dabei handelt es sich nicht um direkte Inspirationen, sondern eher um Erinnerungen an die Besuche dieser Orte. Bei den drei genannten Projekten ging es jeweils darum, eine Form zu finden, die das Gebäude stark in seiner Umgebung verankert und zu einer Art Ortsmarkierung wird. Abgesehen von der Form gewinnt ein einstöckiges Gebäude zudem an Höhe, wenn man darauf ein kegelförmiges Volumen ergänzt. Auch diese Höhe trägt zur Gestaltung des Ortes bei“, erklärt Albert Mo.
Bleibende Erinnerung
Laut Architekt soll das Bellows House für die Familie ein Ort des kollektiven Erlebens sein. Deshalb verfügt das Haus über mehrere Eingänge, verschiedene Innen- und Außenbereiche mit großzügigen Sitzgelegenheiten, offene Wohn- und Esszimmer, Räume für Gäste sowie ein Zimmer, in dem mehrere Kinder in Hochbetten übernachten können. Letztere standen im Zentrum, als Architects EAT begannen, das Konzept für das Wochenenddomizil zu entwickeln. „Unsere Bauherrschaft hat uns viel Spielraum für Experimente gelassen“, sagt Albert Mo. „Wir wollten für die Familie ein Haus bauen, das ein eskapistisches Gefühl vermittelt, in eine Welt weit weg von ihrem Leben in der Stadt entführt. Ein Haus, an das sich die Kinder noch erinnern können, wenn sie erwachsen sind. Ein Haus, das unvergesslich ist, mit Dächern wie riesige Zelte.“
FOTOGRAFIE Derek Swalwell
Derek Swalwell
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