Raum für Selbstentfaltung
Umbau eines belgischen Wohnhauses von GBA
Ein eingeschossiges Bestandsgebäude aus den Sechzigerjahren wurde in ein zeitgenössisches Wohnhaus für eine Familie transformiert. Durch behutsame Ergänzungen, einen Anbau und viel Arbeit an Details entstand eine Wohnumgebung mit Zukunftspotenzial. GBA aus Gent zeigt mit diesem Beispiel, wie ein Umbau mithilfe weniger präziser Eingriffe gelingen kann.
Das Büro GRAUX & BAEYENS architecten (GBA) wurde von Koen Baeyens und Basile Graux gegründet und ist seit 2005 in den Bereichen der zeitgenössischen Architektur, im Innenausbau und im Produktdesign tätig. Die beiden Architekten beschreiben ihre Herangehensweise als „konzeptorientiert“: Eine Idee wird entwickelt und in der weiteren Bearbeitung durch kontinuierliches Hinterfragen präzisiert, bis schließlich ein schlüssiges Gesamtbild entsteht. In unmittelbarer Nähe zum belgischen Gent befindet sich das Wohnhaus B-L. Dieses Projekt von GBA ist ein gelungenes Beispiel für den Umgang mit einem Bestandsgebäude aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Alt und Neu ergänzen sich harmonisch
Basile Graux und seine Frau, deren Initialen sich hinter B-L verbergen, entdeckten das Gebäude und waren sofort vom Charme der Umgebung angetan. Besondere Begeisterung löste aber das 1965 erbaute, eingeschossige Wohnhaus selbst aus, obwohl es in seinem ursprünglichen Zustand viel zu klein war. Da sich die Chance für eine Transformation von Beginn an abzeichnete, war die Entscheidung, sich auf diesen Ort zu konzentrieren, schnell gefasst. Die Umgebung des Hauses war weitläufig unbebaut, zugleich gab es ausreichend Platz für eine Erweiterung. Das Team von GBA entschloss sich, dem Bestandsgebäude einen Anbau hinzuzufügen, der eine harmonische Ergänzung der gesamten Situation darstellt. Er sollte mit der bestehenden baulichen Struktur harmonieren und gleichzeitig den für diesen Standort charakteristischen Blick in die Natur unterstreichen.
Präzise gesetzte Ergänzung
Die Lösung bestand darin, ein längliches Volumen leicht angewinkelt zum Ursprungsgebäude zu platzieren. Betreten wird das Ensemble an der Schnittstelle. Durch die Schrägen ist dort ein einladender Eingangsbereich entstanden. Im neu hinzugefügten Baukörper sind die Küche sowie der Wohnbereich untergebracht. GBA spricht über diesen Teil des Hauses als „Tageslicht-Flügel“. Dort befinden sich die hauptsächlich tagsüber genutzten Räume, die durch großzügige Fensterflächen viel Tageslicht erhalten. Der introvertiertere „Nacht-Flügel“ liegt auf der anderen Seite des Eingangs im ehemaligen Bestandsbau. Dieser blieb weitgehend erhalten, insbesondere die DNA der Struktur mit wenig Fensterfläche und eher kleinen Räumen. Einzig ein mittig verlaufender Flur wurde ergänzt. Er verbindet den alten mit dem neuen Gebäudeteil und ist durch eine Breite von 1,40 Metern als Mehrzweckbereich nutzbar.
Der „Tageslicht-Flügel“ erhielt ein Satteldach – nach dem Vorbild des bereits existierenden „Nacht-Flügels“. Neben den unterschiedlich großen Fenstern markiert auch die Höhe der Räume den Übergang von einem Gebäudeteil zum anderen. Ein natürlicher Geländesprung wurde so in den Entwurf integriert, dass der „Tag-Flügel“ zwar ebenfalls eingeschossig bleibt, jedoch im Gegensatz zu den niedrigen Decken des „Nacht-Flügels“ viel großzügiger gestaltet ist.
Potenzial des Unfertigen
Zusätzlich zum Flur, dem neben seiner Funktion als Verbindungselement Potenzial für weitere Nutzung gegeben wurde, finden sich im Haus B-L noch andere Bereiche, die zunächst undefiniert blieben. Im Laufe der Zeit werden sie durch die Bewohner*innen Bedeutung erhalten. So fungiert beispielsweise der Betonsockel im Wohnbereich als breite Fensterbank, die spontan zum Sitzen genutzt werden kann, wenn sich doch einmal mehr Personen in dem eigentlich sehr kompakten Wohnzimmer aufhalten. Die Idee des Unfertigen drückt sich auch in der Materialwahl aus. Rohbeton, Holz, Lehm und Terrazzo sind robuste Baustoffe mit einer gewissen Einfachheit. Sie bilden eine natürliche und dezente Farbpalette, der durch die Bewohner*innen neue Akzente hinzugefügt werden können.
FOTOGRAFIE Jeroen Verrecht
Jeroen Verrecht