Renovierung mit Respekt
Umbau einer Pariser Siebzigerjahre-Wohnung von Augure Studio

Mit der Renovierung seiner neuen Zweizimmerwohnung in einem Pariser Siebzigerjahre-Hochhaus beauftragte ein junges Paar Julie Pommier und Iana Vicq von Augure Studio. Die beiden französischen Architektinnen trafen mit ihrer Liebe zu Brutalismus und nachhaltigen Konzepten den Geschmack ihrer Auftraggeber*innen.
Für den Kauf seiner ersten gemeinsamen Immobilie suchte ein junges Pärchen das passende Objekt im 19. Arrondissement von Paris, einem der günstigeren Viertel im nordöstlichen Teil der französischen Hauptstadt. Fündig wurden sie im dritten Stock des Cantate-Turms, einem der höchsten Wohngebäude der Metropole. Er gehört zu Orgues de Flandre („Orgeln von Flandern“), einem Sozialwohnungskomplex, der zwischen 1970 und 1980 von dem deutschen Architekten Martin Schulz van Treeck errichtet wurde. Mit der Renovierung der insgesamt 65 Quadratmeter großen Wohnung beauftragten die neuen Eigentümer*innen das Büro Augure Studio, dessen geradlinige und nachhaltige Handschrift sie auf Anhieb überzeugte.
Architektur der Siebzigerjahre
Sofort Gefallen fanden auch die Architekt*innen an dem Projekt. „Wir mögen den Baustil der Siebzigerjahre mit seinen rigorosen und funktionellen Grundrissen, der auch so typisch für den Komplex Orgues de Flandre ist“, erklärt Iana Vicq, die 2021 zusammen mit Julie Pommier das Planungsbüro Augure Studio gründete. Dementsprechend veränderten die Französinnen auch die Wohnung im Cantate-Turm nur geringfügig: Um ein zusätzliches Schlafzimmer zu schaffen, verlegten sie die Küche aus einem zuvor abgeschlossenen Raum mitten in den Wohnbereich und grenzten sie mit einer großen, gefliesten Theke von diesem ab. Der ehemalige Hauswirtschaftsraum, der den Zugang zur alten Küche ermöglichte, bietet nun Platz für einen Waschbereich und Stauraum für die insgesamt vier Fahrräder des sportlichen Pärchens.
Kalifornische Inspiration
Für das Interior ihrer neuen Wohnung wünschten sich die Anfang Dreißigjährigen aber nicht nur Minimalismus und den unverputzten Beton, den Augure Studio gerne einsetzt, sondern auch Highlights in einem gedämpften Senfgelb. Ausschlaggebend dafür war ihr Besuch des ikonischen Wohnhauses Neutra VDL House in Los Angeles. Neben den klaren Linien und offenen Grundrissen begeisterte das Pärchen dort vor allem eine Sitzbank mit gelben Polstern, die die Architektinnen Julie Pommier und Iana Vicq für ihre Auftraggeber*innen nahezu originalgetreu in Paris nachbauen ließen. Die Farbe Gelb verwendete Augure Studio zudem im Badezimmer – in Form von gelben Fliesen und diversen Accessoires.
In dem sonst sehr schlicht und funktionell gehaltenen Wohnraum fällt auch ein weiteres dominantes Stilmittel auf, das dem unverputzten Beton und den kantigen Volumen des Interiors behutsam Paroli bietet: Holz. Den größten Kontrast schafft dabei die offene Küchenzeile, deren Oberflächen mit dem tropischen Schälholz Okoumé verkleidet wurden und sich in der gegenüberliegenden Spiegelwand zudem noch visuell verdoppeln.
Nachhaltige Wünsche
Ein großer Wunsch der Eigentümer*innen war aber auch, für die Einrichtung ihrer Wohnung ein Maximum an Objekten zu recyceln und Neuanschaffungen so weit es ging zu vermeiden. Dementsprechend wurden die terrakottafarbenen Tomette-Fliesen in der alten Küche und das Eichenholzparkett im zweiten Schlafzimmer nur gründlich gereinigt statt ausgetauscht. Auch ein Tisch und ein paar Leuchten des Vorbesitzers der Wohnung blieben in ihrer gewohnten Umgebung. Die elektrischen Vorrichtungen, inklusive Dunstabzugshaube, Herd und Kühlschrank, sowie alle Möbelstücke erstand das Paar auf der Internetseite Leboncoin, dem französischen Äquivalent von Kleinanzeigen.
„Besonders in dieser Hinsicht befanden wir uns auf der gleichen Wellenlänge mit unseren Auftraggebern und haben sie bei ihren Recherchen gerne unterstützt“, erzählt Iana Vecq. „Denn auch wir überlegen zu Beginn jedes Projekts, welche Gegenstände wir wieder- oder weiterverwenden können, um das Verschwenden von Ressourcen zu vermeiden.“
FOTOGRAFIE Elodie Daguin Elodie Daguin
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