Samba Minimal
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Dass man sich hier in einer Metropole wie São Paulo befindet, ist nicht unbedingt zu bemerken: Eine Öffnung zur Straße hin gibt es nicht. Das studio sc – eine Agentur für Lebensmittelfotografie – blendet die umgebende Großstadt vollkommen aus. Doch so verschlossen das Gebäude nach außen auftritt, so sehr öffnet es sich nach Innen und bietet den Mitarbeitern des Fotostudios ein kleines Paradies zum Arbeiten.
Das studio sc betritt man durch eine Art Schleuse, einen Vorhof und gleichzeitig Parkplatz für die Autos. Er vermittelt zwischen der lauten Straße und dem introvertierten Innenraum und senkt den Geräusch- und Stresspegel um ein Vielfaches. Doch hier gibt es noch keinerlei Einblicke – nur den Ausblick auf den Himmel São Paulos, bestückt mit einigen Hochhaustürmen der Umgebung. Von dort aus gelangt man durch eine Pforte innerhalb der hohen Mauern in den Garten: Schritt Zwei in der Kette möglicher Filterungen vom stressigen Alltag der Großstadt und einer damit einher gehenden Ablenkung der Sinne. Im Garten angekommen, ist die Stadt schon nicht mehr präsent, man könnte sich fast wie in einem Haus auf dem Lande fühlen.
Das Haus
Der langgezogene Grundriss des Neubaus orientiert sich an der Grundstücksform und wurde durch die brasilianischen Architekten Marcio Kogan und Suzana Glogowski vom Studio MK27 zusätzlich geschmälert, in dem sie den Garten über die komplette Gebäudelänge laufen lassen. Diese Linearität setzt sich auch in der Gestaltung des Innenraums fort: Die Mitarbeiter sitzen an einem einzigen – an der Rückwand entlang laufenden – Arbeitstisch, wodurch der Rest des Raumes frei bleibt und vielfältige Nutzungsformen zulässt. Wie ein Mini-Stadtplatz ist er ein Kreuzungspunkt und Ort der Kommunikation. Verstärkt wird der Eindruck durch zwei eingestellte, pavillionartige Volumen und einen in der Luft schwebenden Betonsteg, der sie verbindet. Beinahe könnte es sich hier um den Versuch handeln, eine Idealstadt nachzuformen, mit der Einschränkung, dass sie sich im Inneren eines Fotostudios befindet.
Das Innere
Die zweigeschossigen, holzverkleideten Volumen beherbergen die Räume, die ein wenig mehr Intimität benötigen, wenn ein „mehr“ an so einem Ort überhaupt noch möglich ist: Bildbearbeitung, Lebensmittel-Styling oder einfach nur die klassische Besprechung können so hinter verschlossenen Türen stattfinden. Aber auch hier setzt sich das Spiel mit dem Spannungsfeld zwischen Geschlossenheit und Transparenz fort: Die Holzverkleidung besteht zum Teil aus schmalen, eng aneinander liegenden Latten, die Umrisse auf der anderen Seite nur erahnen lassen. Geht das Licht in einem der Räume an, wird die Wirkung verstärkt, und es scheint, als läge ein sanfter Schleier über der eigenen Wahrnehmung. Will man das Geschehen nach außen tragen, kann man die Verkleidung wegklappen und gibt so das Innere frei.
Auch die Materialität orientiert sich an den großen Vorbildern der Moderne: kühle Steinfliesen, weiße Wände und fein marmoriertes Holz sorgen für eine angenehme, aber nicht zu wohnliche Atmosphäre. Farb- und Formtupfer sind allein einige der Möbel: Der Tropicalia von Patricia Urquiola, der Slow Chair von Ronan und Erwan Bouroullec oder die Cone Lights von Tom Dixon lassen den Besucher erahnen, dass hier auch mit Geschmack gehandelt wird.
Der Garten
Das Gebäude lässt sich abschnittsweise und über die komplette Länge durch riesige Metall-Schiebetüren zum Garten hin öffnen, wodurch eine Vielzahl an möglichen Verbindungen zwischen außen und innen entsteht. Der umgebende Raum wird zum Teil des gebauten Raums: ein Zitat der Moderne, wie eigentlich das gesamte Haus. So vermittelt ein neutrales Kiesbett – in das die Bäume und Pflanzen eingebettet sind – zwischen Natur und Architektur. Der Garten ist aber tatsächlich eine kleine Oase inmitten der typischen Hochhausblocks einer Großstadt und bietet den Mitarbeitern einen Ort der Ruhe und Inspiration. Eine von den Architekten entworfene Springbrunnen-Installation sorgt mit beständigem Plätschern für einen zusätzlichen Entspannungsfaktor während der Arbeit: Sicherlich ist das nicht unförderlich für die Arbeit eines Lebensmittelfotografen, dessen Aufgabe vor allem darin besteht, das Essen sinnlich ansprechend zu inszenieren, wofür eine gewisse Abgekehrtheit durchaus von Vorteil ist. Will man dann doch mal ein bisschen „Stadt“ schnuppern, kann man auf das Dach hinaufsteigen. Von der Terrasse aus hat man einen wunderbaren Blick über die Grundstücksmauern hinweg auf São Paulo: eine Wohltat nach all der Stille.
FOTOGRAFIE Nelson Kon
Nelson Kon
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