Scheune mit Aufbau
Inspiriert von den Villen Venetiens: Umbau eines Wirtschaftsgebäude in der Nähe des Gardasees zum Wohnhaus.
Im norditalienischen Sommacampagna nahe des Gardasees ist dem Architekten Filippo Bricolo ein Umbau gelungen, bei dem ein unterschätzter Nebenbau in ein elegant-rustikales Wohnhaus verwandelt wurde. Geradezu unaufgeregt wirkt das Ergebnis zunächst noch, dabei steckt in dem alten Gartenhaus mehr Verwandlung als man denkt.
Inmitten der hügeligen Landschaft der norditalienischen Region Venetien, zwischen Verona und der Südspitze des Gardasees, liegt Sommacampagna. Hier, am westlichen Rand der Gemeinde, grenzt Villa Saccomani, ein Anwesen aus dem achtzehnten Jahrhundert, an die umliegenden Raps- und Getreidefelder. Zu den Häusern gelangt man durch ein großes Tor, vorbei an alten Pappeln: einem Haupthaus linker Hand und einem Nebengebäude rechts. Mit dem Umbau des letzteren wurde Architekt Filippo Bricolo vom lokalen Büro Bricolo Falsarella Associati beauftragt. Das Ziel: die rustikale Scheune in ein architektonisch anspruchsvolles Wohnhaus zu verwandeln.
Ungeahntes Potenzial
Zuvor hatte man das Potenzial des Baus völlig unterschätzt. Vor allem wegen eines Aufbaus, den man dem alten Gemäuer im letzten Jahrhundert in Form von unschönen Betonblöcken hinzugefügt hatte. Bis auf die ursprünglichen Grundmauern aus Feldstein, entschieden sich die Planer deshalb, das obere, neue Stockwerk einfach abzureißen und neu aufzusetzen – nur besser. Die unregelmäßige Oberkante der alten Außenmauer wurde mit einer Schicht aus bewehrtem Beton begradigt, dessen Schalung außen deutlich als Muster zum Vorschein kommt. Anschließend setzte man eine neue Erweiterung aus Ziegelstein darauf, die zur einen Hälfte das Erdgeschoss erhöht und auf der anderen Seite ein zweites Geschoss bildet. Entstanden ist so eine Gesamtwohnfläche von 280 Quadratmetern. Beide Hälften werden von flachen und zueinander entgegengesetzt dezentrierten Satteldächern bedeckt, deren neu aufgebaute Stühle aus dicken Bohlen innen sichtbar blieben.
Einheitliche Differenz
Im Fassadenbild wurde eine leichte Unregelmäßigkeit erzeugt, indem die Steine zum Teil etwas gedreht wurden und so ein paar Ecken und Kanten scheinbar ungeordnet aus dem sonst ebenen Mauerwerk hervorstehen. Die gesamte Wand wurde mit einer ockerfarbenen scialbatura, einer antiken Tünch-Technik behandelt – was das Gesamtbild trotz des Materialunterschieds aus der Ferne einheitlich erscheinen lässt, während sich alt und neu aus nächster Nähe klar ablesen lassen.
Raumhohe Fenster
Durchbrochen wird die Fassade auf beiden Längsseiten durch raumhohe Fenster und Türen: im Untergeschoss von großen Terrassentüren mit gekreuzten Stahlprofilen, die dem originalen Gebäudeteil, so der Architekt, „einen traditionellen Aspekt erhalten“ sollen. Tief eingelassene Fenster mit innenliegenden Rahmen wurden in die bis unter die Traufe reichenden Einschnitte im oberen Stockwerk eingesetzt – wo auch fast unsichtbare, gläserne Brüstungen installiert wurden. Ein Durchbruch in der flacheren Gebäudehälfte bildet den einzigen Eingriff in die ursprüngliche Bausubstanz. Das quadratische Fenster zur Gartenseite wurde auch hier weit zurückgesetzt und lässt sich auf verborgenen Schienen aufschieben.
Im hier befindlichen Ess- und Wohnbereich reichen die gegenüberliegenden Fenster bis unter die ansteigende Decke. Wie bei nahezu allen Fenstern des Obergeschosses auf der zum Feld gelegenen Seite, ist der obere Bereich mit einem senkrechten Gitter aus Holzlatten verkleidet. Dadurch bleibt aus der Ferne der Scheunencharakter erhalten. Gleichzeitig sei die entstandene visuelle Porosität als eine Neuinterpretation jener typisch venetischen Eigenheit zu verstehen, so Filippo Bricolo.
Ursprüngliches Inneres
Auch drinnen erinnert das Haus an seine frühere Funktion als Wirtschaftsgebäude. Die meisten Räume sind offen miteinander verbunden. Durchgänge werden von massiven Laibungen aus Stahl umfasst. Alte Elemente wie die vergitterte Öffnung zwischen Essbereich und Küche wurden erhalten. Während die Außenwände größtenteils sandfarben verputzt wurden, blieb die Mauerstruktur der Zwischenwände erhalten und wurde im gleichen Stil wie die Fassade getüncht. Gänzlich zeitgemäß wirkt der Boden – polierter Estrich.
Sparsam möbliert
Auf massive Möblierung wurde im Haus verzichtet. An das Wohn- und Esszimmer mit cognacfarbenen Ledersofas und einer großen Holztafel mit alten Wirtshausstühlen schließt sich die Küche an. Diese – gleichzeitig Eingangsbereich und Herz des Gebäudes – erhielt einen zeitgenössischen Massivholzeinbau und eine großzügige Kochinsel. Neben einem weiteren Wohnzimmer mit Sofas und sonst sparsamer Einrichtung, folgt am hinteren Ende des Gebäudes das WC sowie – etwas unscheinbar durch einen weiteren Raum hindurch – der Treppenaufgang zum Obergeschoss, wo zwei große Schlafzimmer mit jeweils eigenem Badezimmer Platz fanden.
Durch seine starke Untergliederung wirkt das Ergebnis trotz seiner Großzügigkeit sehr gemütlich. Der Plan von Bricolo, den architektonischen Wert des Baus herauszuarbeiten, ist aufgegangen. Besonders liebenswert sind Details wie die unregelmäßigen Ziegel. Oder ein kleines Fenster genau am Übergang zwischen Betonschicht, altem und neuem Mauerwerk sowie zwischen dem einstöckigen und zweistöckigen Gebäudeteil. Zudem sei die kleine, alte Laube mit Gartenküche erwähnt. Denn tatsächlich kann nur der Pool im Zentrum der Gartenwiese das Objekt noch krönen: Mit seinem dunkelgrünen Harzanstrich und der ganz unter seinem Steinrand verborgenen Technik erinnert er an traditionelle peschiere, die typischen Fischteiche der Villas von Venetien.
FOTOGRAFIE Nicolò Galeazzi
Nicolò Galeazzi